Mittwoch, 11. Juni 2014
Vorbereitung und Protokoll meines Gespräches zum Interview mit MUENCHNER- MERKUR
Kann sich Wulff mit seinem Buch rehabilitieren?
Wulff hat ein Buch geschrieben - offensichtlich, um sich zu
rehabilitieren
Es gibt eine Reihe von Politikern und prominenten
Persönlichkeiten, die nach einem Verlust ihres Images versucht haben, den Schaden nachträglich zu minimieren.
Selbst wer vom Gericht frei gesprochen wurde, kann sein angeschlagenes Image selten mit einem Buch aufbessern.
Skandale
und Gerüchte haben es in sich. Sie werden meist zu Selbstläufern. Die
Internetberichterstattung beschleunigt heute die Skandalisierung enorm.
So entsteht oft eine Eigendynamik, die von den Betroffenen kaum mehr
gestoppt werden kann. Das Muster der Skandalierung ist einfach: Ein
Politiker gerät ins Schussfeld der Kritik- Die Person reagiert falsch -
Der Druck über die Medien wächst. Der Druck wird dann so gross, dass
der Promi den Hut nehmen muss. Skandalgeschichten schafen es rasch in
die Medien. Sie lassen die Auflage und Quote steigern. Betroffene
schieben nach der Publizierung einer Skandalgeschichte meist vorschnell
den Medien die Schuld in die Schuhe. Sie fühlen sich als Medienopfer und
sprechen nachträglich von Kampagnenjournalismus. Oft sehen sie nicht
ein, dass sie durch ungeschicktes Verhalten die Eskalation mit
verschuldet haben. Jo Ackermann beispielsweise war nicht zu überzeugen,
dass er mit seinem unbedachten Victory Zeichen ein Eigencoal geschossen
hatte.
Zu den Kapitalfehlern von Betroffenen zählen: Anschuldigungen aussitzen, Fehler bagatellisieren, lügen oder Fakten abstreiten.
Wäre
Christian Wulff von Anfang weg aufrichtig gewesen, wäre die Geschichte
vom Hauskredit vom Tisch gewesen. Er hatte mit beigetragen, dass die
Empörungswelle eskalierte. Er versuchte mit einem Telefonanruf beim
Springer Verlag, Enthüllungen über Privatkredite zu verhindern. Schon
damals prognostizierte ich, dies könnte ihm den Kopf kosten.
Druckversuche oder Drohungen von Politikern - der Presse gegenüber -
werden zum Bumerang. Auch Stefan Aust (Spiegel) schrieb damals, dieser
Druckversuch sei von Wulff ein politisches Selbstmordkommando.
Obschon
Wulff frei gesprochen wurde und damit rechtlich rehabilitiert ist,
bleibt er politisch angeschlagen. Wurlff war verstrickt in einem
Geflecht von Kumpaneien, Abhängigkeiten und Gefälligkeiten. Als die
Vorwürfe aufkamen, hat er es eindeutig versäumt, diesen mit
überzeugenden Erklärungen entgegen zu treten.
Die öffentliche Demütigung wirkt heute leider trotz haltloser Vorwürfe über den Freispruch hinaus.
Uebrigens reagierte auch Bettina Wulff unprofessionell, als sie bei einer Verleumdung auf eine Klage verzichtete.
Damals wurde das Gerücht kolportiert, sie hätte Rotlichtmilieukontakte.
Bettina Wulff befürchtete, sie würde mit der Klage das Gerücht anheizen.
Ihr Nichtreagieren führte dann aber dazu, dass bei google unter Bettina Wulff die Verbindung zur Prostitution fixiert blieb.
1.) Kann Rehabilitation gelingen?
Wer in Krisen glaubwürdig kommuniziert und seine Schuld offen eingesteht und
Demut zeigt, kann den Kopf unbeschadet aus der Schlinge ziehen. Das muss nicht
einmal mit einem Buch geschehen. Ein Interview vor Mikrofon und Kamera kann
genügt. Ich denke da an Michel Friedmann, der durch sein rasches Mea Culpa und
mit einem eindeutigem Schuldgeständnis den Weg zurück in die Medien schaffte.
Der Versuch - sich mit einem Buch sich zu rehabilitieren - gelingt nie, wenn
sich der Gestürzte, der Verlierer oder Abgewählte rechtfertigt und sich
selbst verteidigt. Wehleidiger Ton vergrault die Leser. Bei Verlierern ist
das Risiko des Scheiterns recht gross. Wer will schon 20 Euro für jammernde
Selbstgerechtigkeit zahlen? Ich kenne Wulffs Buch noch nicht, das er heute
vorstellt. Er kann sich jedenfalls nicht mit Wallraff vergleichen, obschon
er versuchen wird, seine Beobachtungen als Bundespräsident im Schloss Bellevue
zu verraten.
Ich glaube nicht an den Erfolg seines Buches, weil Christian Wulff 199000
Euro jährlich an Ehrensold erhält und dadurch keine neue Existenz aufbauen
muss. Zudem ist die Publikation des Buches pikant, weil der Freispruch bislang
noch gar nicht rechtskräftig ist. Ein Buch zur Selbsttherapie oder als Replik
auf die Publikation seiner Ex - Frau steht unter einem schlechten Stern,
obschon es in einem bedeutenden Sachbuchverlag herausgebracht wird.
Wulff müsste in seinem Buch wirklich Neues enthüllen. Leser wollen keine
Selbstschutzbehauptungen von Verlierern. Fazit: Das Risiko des Scheiterns ist
aus meiner Sicht gross, zumal das Buch von Bettina Wolf bereits flopte.
2.) Unter welchen Prämissen könnte er sich rehabilitieren?
Als skandalisierte Person kann man vieles tun, damit die Empörungswelle in der
Oeffentlichkeit abebbt.
Der Skandalierte muss RASCH - ohne wenn und aber- zur allfälligen Schuld
stehen und Sachverhalte richtig stellen.
Ueli Hoeness hat zwar auch seine Schuld als Steuerhinterzieher eingestanden
und sich selbst angezeigt. Doch hat er mit der Klärung viel zu lange gewartet.
Er hätte nach den ersten Medienberichten sofort reagieren müssen.
Wulffs Problem: Rechtlich gesehen wurde er zwar freigesprochen. Doch in der
Oeffentlichkeit ist sein Image immer noch angeschlagen. Trotz rechtlicher
Rehabilitation kann sich Wulff des schlechtes Images nicht entledigen. Laut
Wahrnehmungspsycholgie schlägt Image stets die Fakten. Wenn schon mit einem
Buch eine Affaire aufgearbeitet werden und der angebliche Skandal ins
richtige Licht gestellt werden soll, darf der Betroffene dieses Buch nicht
selbst schreiben. Bei komplexen Sachverhalten wünschen Leser keine Innensicht.
Die neutrale Aussensicht müsste eine unabhängige Person schreiben, die von der
Bevölkerung akzeptiert wird (mit einem gutem Image).
Elisabeth Kopp, die erste Bundesrätin, die abgewählt wurde, weil sie den
Ehemann (der angeblich in eine Finanzaffaire verwickelt war) in einem Telefon
gewarnt hatte - (diesen Anruf jedoch öffentlich negierte und dadurch als
Lügnerin da stand) ist ebenfalls aufschlussreich. Hätte sie auf ihre
Mitarbeiter gehört und den Bundesrat informiert, wäre die damalige
Justizministerin sicherlich im Amt geblieben. Dieser Fall wurde später von
einem Journalisten in einem Buch beleuchtet. Auch Elisabeth Kopp wurde
übrigens freigesprochen.
Interessanterweise blieb aber ihr Image nach der Publikation weiter
angeschlagen. Viele empfanden das Buch als eine Beschönigung der effektiven
Situation.
Mit dem Buch wurden zudem viele unerfreuliche Details - auch aus dem Eheleben-
erneut aufgewärmt.
Wir dürfen nicht vergessen: Wulff hatte im Grunde genommen die Bedenken des
Volkes nie richtig ernst genommen. Er hätte Verständnis zeigen müssen für die
Kritik gegenüber den fragwürdigen Geschenken. Zu lange liess er verlauten: "Es
gibt kein Problem". Damit hat er den Aerger der Leute auf der Strasse zu wenig
ernst genommen. Etwas vom Wichtigsten liess Wulff vermissen: Die DEMUT! Das
wäre wichtig gewesen. Wulff strahlte bei seinen Auftritten Ueberheblichkeit
aus.
Wulffs Wunsch mit einem Buch alles - aus seiner Sicht - zu beleuchten, kann
ich gut nachvollziehen:
"Dies ist nun meine Sicht".
Was aber mir bei diesem Projekt nicht transparent ist: Welche Interessen oder
welche Interessenten stecken hinter der Publikation dieses neuen Buches?
3.) Wie hoch ist das Risiko, dass es schiefgeht - und warum?
Bei prominenten Personen spielt bei Medienkampagnen die Fallhöhe eine grosse
Rolle. Die Lust am Skandalisieren ist grösser, je prominenter eine Person ist.
Der Schweizer Botschafter Thomas Borer kam mit einem lautem Knall zu Fall,
obschon ihm das Treffen mit der Nackttänzerin nicht nachgewiesen werden
konnte. Thomas Borer hat anschliessend ein Buch geschrieben, ohne weiter zum
Fall Stellung zu nehmen.
Die Skandale um Wulff, Borer und Guttenberg haben etwas gemeinsam:
Alle drei wurden mit ihren Ehefrauen hochgejubelt. Es waren Traumpaare der
Berliner Society. Sie nutzen den Boulevard für den Aufstieg. Sie haben mit der
Regenbogenpresse kooperiert und Bilder geboten.
Die Guttenbergs inszenierten sich in Afghanistan, Shawne Fielding Borer
posierte als Prinzessin auf einem weissen Ross und gab ihr Privatleben preis.
Die Medien schätzen immer die Nähe zu Promis. Wenn aber die fehlende
Zurückhaltung später in der Krise vom Journalisten auch
genutzt wird, ist dann ein Rückzug in die Privatheit nicht mehr möglich. Den Zugang
der Medien zur Intimsphäre nutzen Journalisten auch in unangenehmen
Situationen aus.
Borer, Guttenberg und Wulff wurden gleichsam Opfer dieser "Kumpenei" d.h. von
der zu grossen Nähe mit den Medien - verbunden mit der Mediengeilheit der
Promis.
Wer mit dem Fahrstuhl mit BILD und Co. hochfährt, stürzt auch aus grösserer
Höhe ab.
Das Risiko, dass etwas schief geht, ist dann gross, wenn jemand bei einer
Skandalierung den Kopf in den Sand steckt, abtaucht, sich tot stellt.
Journalisten sind Profis im Recherchieren. Sie holen sich bei einer
Verweigerung die Informationen aus zwielichtigen Quellen und suchen nach
weiteren faulen Eiern.
Deshalb ist es wichtig, dass man sich am Anfang einer Skandalisierung
möglichst rasch, sachlich und ruhig die wichtigsten Fakten klarstellt. Die
Eskalationsspirale darf sich nicht nach oben, sondern sie muss sich nach
unten drehen. Wer heikle Situationen nicht antizipiert und bei
Ueberraschungen nicht Ruhe bewahren kann, macht einen gravierenden Fehler.
In Krisensituationen gilt: Alles was ich sage muss wahr sein. Aber ich muss
nicht alles sagen was wahr ist. Wer glaubt, er könne Skandale aussitzen, irrt.
4.) Wäre es nicht besser gewesen, es einfach gut sein zu lassen - nach dem
Freispruch?
Tatsächlich kann auch das Schweigen können (im richtigen Augenblick) sinnvoll
sein. Nach den Erfahrungen und Erkenntnissen aus der Praxis hätte ich Wulff
bgeraten, ein selbsttherapeutisches Buch zu schreiben.
Ich kann mir gut vorstellen, dass im Wulff-Buch die Vorwürfe und
Unterstellungen erneut geschildert und damit wiederholt werden.
Bei allen Kommunikationsprozessen gilt es zu bedenken, die Menschen klammern
das NICHT aus d.h. nochmals erwähnte unbelegte Mängel, unterstellte Skandale
oder Gerüchte werden durch die Wiederholung im Langzeitgedächtnis der Leser
unnötigerweise zementiert.
Erstaunlicherweise gelang es OB Volkmar Kunze, trotz Fehlverhalten (Er floh
bei er Ueberschwemmungskatastrophe ins Ausland) durch Aussitzen - ohne Buch -
ohne Rechtfertigung - sich zu halten. In diesem Fall lohnte sich sein
Schweigen.
5.) Welche Rolle spielt eigentlich für Wulffs Buch das nicht so hochkarätige
Buch seiner (Ex-) Frau?
Der Misserfolg des Buches von Bettina Wulff könnte sich auf den Erfolg das
neue Buch des Mannes negativ auswirken.
Wenn nun Christian Wulff auch noch mit SEINEM Buch kommt, wirkt dies so, als
müsste er seine Ex-Frau konkurrenzieren.
Bettina Wulff hat bekanntlich den Mann verlassen, als er nicht mehr im Amt war
(die kam gar nicht gut an!). Bei Borers kam es durch Reaktionen der Ex.Frau zu einem
öffentliches Wäschewaschen. Ein Rosenkrieg wäre
wäre
zwar für den Verkauf des Wulff Buches förderlich gewesen aber es ist
immer imageschädigend für die Verfasser. Wulff traue ich nicht zu, dass
er auf dieses Niveau hinabsteigt.
6.) Gibt es eigentlich irgendeinen Politiker, der mit einem Buch seinen Ruf
wieder herstellen konnte?
Opfer Biographien, die Erfolg haben, sind eher die Ausnahme.
Gerhard Schröder stellte 2006 - ein Jahr nach der Wahlniederlage und
Elephantenrundenauftritt in einer grossen Medienkampagne sein "Erinnerungen"
mithilfe "Bild", "Spiegel" und Fernsehen vor. Er kanzelte die Koalition mit
seiner eigenen Partei ab - und er hatte damit Erfolg bei den Lesern. Er
belegte im Ranking eine Spitzenposition. In zwei Monaten sind fünf Auflagen
erschienen.
Die Opfer Biographie sind Ausnahmen. Bei Schröder hatte sie Erfolg.
Doch mit dem Feldzug gegen die Medien (Peter Hartz, Rainer Brüderle) schafft
man den Durchbruch nicht. Auch die Memoiren von Ex- Präsident George W. Bush
hielten sich nur acht Wochen.
Wilhelm Furtwängler, der als NS-Karrierist gegolten hatte, obschon es niemand
beweisen konnte, gelang mit dem Buch ein Befreiungsschlag. Mit einem
Theaterstück einem Film und einem Buch konnte er sich weitgehend
rehabilitieren.
Oskar Lafontaine glaubte auch, sich mit einem Buch rehabilitieren zu können.
Es war eine Abrechnung mit Schröder und Joschka Fischer - vor allem mit Rudolf
Scharping. Aber mit seinem Buch schoss er ein Eigentor. Für die Leser war es
; zu wehleidig.
7.) Und falls ja - wodurch genau ist das gelungen.
Wir sehen: Ein Durchbruch ist nur möglich, wenn die Leser etwas Neues
erfahren kann und das Buch angriffig ist. Nicht nur die Medien wünschen
Emotionen. Leser wünschen auch spannende Geschichten und wünschen eine Prise
Unterhaltung.
Selbstbemitleidungen liest niemand.
Notiert von marcus knill um 10:14
Konnte sich Wulff mit dem neuen Buch rehabilitieren?
„Leser wollen keine Selbstschutzbehauptungen von Verlierern“
(Quelle: Oberbayerisches Volksblatt und Münchner Merkur)
Notiert von marcus knill um 08:55