Konnte sich Wulff mit dem neuen Buch rehabilitieren?
„Leser wollen keine Selbstschutzbehauptungen von Verlierern“
Christian Wulff, Bundespräsident a. D.,
hat ein Buch geschrieben – um sich zu rehabilitieren. Kann ihm das
gelingen?
Marcus Knill, Experte für Medienrhetorik, glaubt nicht daran.
-Warum kann Wulffs Buch kein Erfolg werden?
Ich
kenne sein Buch nicht, aber ich weiß: Der Versuch, sich mit einem Buch
zu rehabilitieren, gelingt nie, wenn sich der Verlierer nur rechtfertigt
und verteidigt. Leser wollen keine Selbstschutzbehauptungen von
Verlierern. Wulff müsste wirklich Neues enthüllen – niemand will 20 Euro
für jammernde Selbstgerechtigkeit zahlen. Ein Buch zur Selbsttherapie
oder als Replik auf die Publikation seiner Noch-Frau steht unter einem
schlechten Stern, obwohl es in einem bedeutenden Sachbuchverlag
herausgebracht wird. Zudem ist das Buch pikant, weil Wulffs Freispruch
noch nicht rechtskräftig ist.
-Was hätte Wulff besser machen sollen?
Wer
in Krisen glaubwürdig kommuniziert, seine Schuld offen eingesteht und
vor allem Demut zeigt, kann den Kopf unbeschadet aus der Schlinge
ziehen. Dafür muss er auch kein Buch schreiben.
-Wulffs Kommunikation vor seinem Rücktritt war ja nicht besonders glaubwürdig.
Deswegen
ist auch sein Image in der Öffentlichkeit angeschlagen, obwohl er
rechtlich rehabilitiert ist. Die Wahrnehmungspsycholgie lehrt uns: Image
schlägt stets die Fakten. Wenn also schon mit einem Buch eine Affäre
aufgearbeitet und der angebliche Skandal ins richtige Licht gestellt
werden sollen, darf der Betroffene dieses Buch keinesfalls selbst
schreiben.
-Wer soll es dann schreiben?
Eine
unabhängige Person, die von der Bevölkerung akzeptiert wird und ein
gutes Image hat. Nur eine solche Person kann die nötige Außensicht auf
diese komplexen Sachverhalte liefern. Wulffs Wunsch, mit einem Buch
alles aus seiner persönlichen Sicht zu beleuchten, mag nachvollziehbar
sein, transparent ist dieses Projekt aber nicht. Es stellt sich die
Frage: Welche Interessen oder Interessenten stecken hinter dieser
Publikation?
-Wäre es von Christian Wulff klüger gewesen, es nach seinem Freispruch einfach gut sein zu lassen?
Das
Schweigen kann im richtigen Augenblick sehr sinnvoll sein. Nach den
Erfahrungen aus der Praxis hätte ich Wulff dringend davon abgeraten, ein
selbsttherapeutisches Buch zu schreiben – ich kann mir gut vorstellen,
dass er die Vorwürfe und Unterstellungen von damals erneut thematisiert.
Das Problem dabei ist: Nochmals erwähnte Skandale oder Gerüchte werden
durch die Wiederholung im Langzeitgedächtnis der Leser unnötigerweise
zementiert.
-Gibt es auch nur einen Politiker, der mit einem Buch seinen Ruf retten konnte?
Opfer-Biographien,
die Erfolg haben, sind Ausnahmen. Gerhard Schröder gelang eine solche
im Jahr 2006: Ein Jahr nach der Wahlniederlage kanzelte er die Koalition
mit seiner eigenen Partei ab – und hatte damit Erfolg bei den Lesern.
Er belegte im Ranking eine Spitzenposition, innerhalb von zwei Monaten
erschienen fünf Auflagen. Viele andere hingegen – etwa Peter Hartz oder
Rainer Brüderle – schafften mit ihrem Feldzug gegen die Medien einen
solchen Durchbruch nicht.
Interview: Barbara Nazarewska
(Quelle: Oberbayerisches Volksblatt und Münchner Merkur)
(Quelle: Oberbayerisches Volksblatt und Münchner Merkur)
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