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Hass im World Wide Web:
Die Hemmschwelle fällt bedenklich, sagen Community-Experten.
Schon vor einem Jahr hat die Eidgenössische Kommission gegen
Rassismus gefordert, dass schärfer durchgegriffen wird. Doch geändert
hat sich kaum etwas. Die ehemalige liberale Genfer Nationalrätin Martine
Brunschwig-Graf, Präsidentin der Kommission, macht sich Sorgen: «Wir
haben bemerkt, dass es immer mehr derartige Kommentare und Hassaufrufe
im Internet und in den Online-Portalen der Medien gibt. Es ist
intensiver als je zuvor.»
Intensiver als je – das stellt auch Konrad Weber fest, Community
Manager bei SRF News: «Es hat einen Dammbruch gegeben, bereits vor
einigen Monaten.» Plötzlich würden Wortmeldungen, die man früher nur
unter Pseudonym getätigt habe, unter klarem Namen veröffentlicht: «Und
es werden teils rassistische und volksverhetzende Aussagen
gemacht.»
Die Netiquette 2.0 bleibt Verhandlungssache
Der stellvertretende Chefredaktor von Blick.ch, Fabian Zürcher,
sagt es so: «Die Stimmung ist tatsächlich aufgeheizt, es ist Wahljahr.
Wir haben in den vergangenen zwei Wochen gemerkt, dass es tatsächlich
deutlich mehr solche Kommentare gibt.» Wie alle grossen Online-Medien
lasse auch Blick.ch nicht alles zu.
«Wir greifen ein, indem wir
rassistische, homophobe beziehungsweise diskriminierende Kommentare
ausfiltern», sagt Zürcher. Zudem weise man überall darauf hin, was
geduldet werde und was nicht. Auch bei Facebook werde vermehrt
eingegriffen, um gewisse Diskussionen etwas abzukühlen.
Doch die
Grenzen des Erlaubten setzt Blick.ch recht weit. Dies zeigt etwa der
folgende Leserkommentar, der bis gestern 787 mal Zustimmung fand nur 64
mal auf Ablehnung stiess:
«
Wenn es nach den Linken geht, dann sollte Europa 500 Millionen Afrikaner
aufnehmen und untergehen. Zeigen wir dem roten Gesocks die rote Karte,
auf dass die Schweiz und Europa überleben. »
Solch gehässige und fremdenfeindliche Töne seien heute wieder
salonfähig, bedauert Alexander Sautter, Programmleiter des Fernseh- und
Online-Mediums Joiz: «Wir glauben, dass das zum Teil auch davon kommt,
dass man in verschiedensten Medien mit dem Feuer spielt. Auch mit
Schlagzeilen, die man setzt..» Damit werde ein Klima geschaffen, das
Fremdenfeindlichkeit grundsätzlich salonfähig mache.
Und wieso gibt es diese reisserischen Schlagzeilen, Bilder und
Kommentare in vielen Online-Medien, von Tages-Anzeiger über Blick oder
20 Minuten bis zu Focus in Deutschland?
«Weil man sich ganz
einfach und ganz schnell Klicks holt. Das gefährliche daran ist: Man
gibt so einer ausländerfeindlichen Minderheit das Gefühl, dass sie Teil
von etwas Grossem ist. Dem wollen wir mit unserem Aufruf bei Joiz
entgegen treten», sagt Sautter.
Joiz rief vor einigen Tagen die
Online-Medien auf, sich in der Flüchtlingsdebatte zu mässigen und nicht
mit polemischen Schlagzeilen auf Klick-Jagd zu gehen.
Rassismus im Netz: ignorieren, durchgreifen oder mitdiskutieren?
Martine Brunschwig-Graf begrüsst, dass die Diskussion nun in den
Medien geführt wird: «Die Medien werden immer stärker sensibilisiert.
Für uns ist das eine gute Sache, weil wir damit verstärkt präventiv
agieren können.» Die Medien ihrerseits könnten stärker reflektieren, was
sie schreiben wollten und wo die eigene Verantwortung liege.
Der
Appell von Joiz hat etwas ausgelöst. Es bleibt nun abzuwarten, ob sich
der Ton tatsächlich etwas mässigt in den Berichten der Online-Medien und
den Kommentarspalten und Online-Foren.
KOMMENTAR:
Die Kommentarspalten haben auch eine Ventilfunktion und sie zeigen, wo der Bevölkerung der Schuh drückt. Das zu rasche Eingreifen der Redaktionen wird als Zensur empfunden. Medien wünschen den Dialog mit der Bevölkerung. Wer einen offenen Dialog wünscht, sollte unliebsame Kommentare nicht vorschnell abwürgen. Unliebsame Bemerkungen stets aus dem Netz zu nehmen, wäre kontraproduktiv. Ein Publikum, das den Frust mit Worten entstauen kann, ist mir lieber als
ein Publikum, das aus Ohnmachtgefühlen gewalttätig wird.
Nur eindeutig diskriminierende Texte sollten aus dem Netz entfernt werden. Auch die Kommentarspalten zum Beitrag aus SRF-online macht uns bewusst, dass die Zensur in den Kommentarspalten eher schlecht ankommt:
Ich zitiere:
Hans Meier, Bern
Donnerstag, 13.08.2015, 21:06