Der jüngste Kauf einer CD mit Daten von Schweizer
Steuersündern wurde zwar nicht offiziell bestätigt. Doch gemäss einem
Bericht soll Nordrhein-Westfalen bereits neue Datensätze im Visier
haben.
Kommentar: Selbst wenn jemand das Schweizerische Bankengeheimnis ablehnt, so heiligt nicht jedes illegale Mittel den Zweck.
Nachtrag:
Nordrhein-Westfalen hat erneut eine CD mit gestohlenen Bankdaten
aus der Schweiz gekauft. Politiker und Wirtschaftsvertreter reagieren
empört. Auch der deutsche Bundesfinanzminister verurteilt den Kauf.
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NACHTRAG:
Das Schweizer Parlament unterstützte das Steuerabkommen mit Deutschland verbunden mit dem Versprechen, dass ab Unterzeichnung keine CDs mehr beschafft werden. Deutschland interpretiert jedoch den Passus "es werden keine Daten aktiv beschafft" so, dass es immer noch möglich sei, illegal beschaffte Daten zu kaufen. Deutschland dürfe nur nicht die Banken aktiv auffordern, Daten zu beschaffen (klauen?).
Wenn den Bankbeamten Millionen bezahlt werden für illegal beschafft Daten, so wird die juristische Wortklauberei zur Farce.
Mit solchen "Spielchen" ist nun das verhandelte Steuerabkommen mehr als gefährdet.
Aus 20 Min:
Ein Medienbericht,
wonach das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) erneut eine
Steuer-CD aus der Schweiz gekauft haben soll, lässt die Schweiz nicht
kalt. Wirtschaft und Politik sind verärgert.
en
Das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland gerät mehr
und mehr in Gefahr. Berichte, das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW)
habe erneut eine CD mit gestohlenen Daten deutscher Bankkunden gekauft,
stiessen am Wochenende in der Schweiz auf Kritik.
Die Regierung von NRW in Düsseldorf soll für die Informationen 3,5
Mio. Euro (rund 4,2 Mio. Franken) bezahlt haben. Finanzminister Norbert
Walter-Borjans sagte lediglich, Daten auf CDs seien notwendig, um
Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen.
Kommentar: Es fragt sich nachträglich, ob unsere Finanzministerin nicht eine Mitschuld an diesem DC Wirbel trägt. Hat Sie den Verhandlungstext (bewusst?) zu wenig präzis abgefasst oder hatte sie dem Parlament die Vereinbarung beschönigt?Jedenfalls geht das politische Seilziehen weiter.
Der Finanzministerin kann heute vorgeworfen werden:
Sie hat bei diesem wichtigen Dissens mit dem Nachbarland zu spät kommuniziert. Bei wichtigen Problemen ist Abtauchen immer schlecht.
Offensichtlich hat Bundesrätin Widmer- Schlumpf die Frage der CD Beschaffung falsch verstanden und falsch vermittelt.
Ihre erste Aussage am Radio und stimmt mit dem heutigen Tatbestand nicht überein. Diese Panne darf und kann nicht beschönigt werden.
Nachtrag aus dem aufschlussreichen Interview mit PDF Chef Müller:
FDP-Präsident Philipp Müller zum CD-Kauf und Steuerabkommen
«Jetzt muss Widmer-Schlumpf hinstehen»
«Vielleicht waren die Deutschen einfach schlauer». Philipp Müller verlangt Klarheit zum Chaos um gestohlene Bankdaten.
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Eveline Widmer-Schlumpf
(Keystone)
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«Zwei, drei Sätzchen am Fernsehen reichen nicht.» Philipp Müller
(Manuel Zingg/Blick)
BLICK: Herr Müller, was ärgert Sie mehr: Dass Deutsche weiter geklaute CDs kaufen wollen, oder dass
Banken ihre Daten nicht schützen können?
Philipp Müller:
Beides ist sehr ärgerlich. Es ist unglaublich, dass unsere Banken nicht
in der Lage sind, diese sensiblen Daten besser aufzubewahren. Dass die
Deutschen immer noch geklaute CDs kaufen, zeigt aber auch, dass es im
Abkommen Interpretationsspielraum gibt.
Sie vermuten ja schon lange, dass das Steuerabkommen Datenkauf gar nicht unterbindet.Richtig.
Ich habe dazu bereits im April mit dem Staatssekretariat für
Internationale Finanzfragen (SIF) lange und intensive Mail-Korrespondenz
gehabt.
Und was hat das SIF Ihnen gesagt?Man
hat mir versichert, die Formulierung im Vertrag stelle sicher, dass ab
Unterzeichnung des Vertrags der Kauf von geklauten Daten nicht mehr
zulässig sei.
Hat man Sie angeschwindelt?Ich
gehe eher davon aus, dass das SIF tatsächlich glaubte, was es mir
schrieb. Dass sie glaubten, sie hätten das so ausgehandelt. Vielleicht
waren die Deutschen einfach schlauer. So oder so frage ich mich aber:
Warum schrieb man dann nicht deutsch und deutlich ins Abkommen, dass der
Datenkauf nicht mehr möglich ist? Ich gehe ja davon aus, dass beide
Verhandlungsdelegationen der deutschen Sprache mächtig sind.
Was erwarten Sie jetzt von der Finanzministerin?Eveline
Widmer-Schlumpf ist jetzt gefordert! Sie muss dringend, wirklich
dringend, hinstehen und erklären, was genau sie mit
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ausgehandelt hat. Hier herrscht
Klärungsbedarf. Nur die Bundespräsidentin kann das jetzt klären.
Widmer-Schlumpf hat gestern im TV gesagt, die Deutschen hätten zugesagt, keine Daten mehr zu kaufen. Berlin halte sich daran, könne das aber bis zum Inkrafttreten des Abkommens gegenüber den Bundesländern nicht durchsetzen.Im
Parlament
und im Mailwechsel mit dem SIF tönte es aber ganz anders! Und diese
neue Version ist ein Witz. Wenn Berlin die Länder nicht unter Kontrolle
hat, nützen alle Abmachungen nichts. Es ist ja nicht Berlin, das die
Daten kauft, das sind die Länder! Aber das war immer klar. Nein, hier
besteht Klärungsbedarf, Widmer-Schlumpf muss hinstehen. Da reichen drei
Sätzchen am Fernsehen nicht.
Wie kann Widmer-Schlumpf die Situation noch retten?Wenn
sie das Verbot von Datenkauf wirklich ausgehandelt hat, ist das mit
einem diplomatischen Notenaustausch zum Abkommen klarzustellen.
Und wenn die Deutschen das nicht wollen?Dann
zeigt das, dass sie offenbar von Anfang an kein Verbot von CD-Käufen
wollten. Dann wäre das Parlament von Widmer-Schlumpf nicht korrekt
informiert worden.
Muss das Abkommen dann neu verhandelt werden?Nein, das Abkommen steht. Auch die Schweiz hat viele Konzessionen gemacht. Das Ende der Fahnenstange ist erreicht.
Ist das Steuerabkommen überflüssig geworden? Nein!
Nun braucht es das Abkommen erst recht, weil damit flächendeckend alle
von Deutschen in der Schweiz deponierten, nicht versteuerten Gelder
erfasst und besteuert werden können. Die Verwertung gestohlener Daten
ermöglicht hingegen nur eine selektive Erfassung.
Ist es denn überhaupt ein Problem, dass Deutsche weiterhin geklaute Daten kaufen wollen?Ich
spreche den deutschen Steuerbehörden das Recht keineswegs ab, ihren
Steuergesetzen Nachhaltung zu verschaffen. Im Gegenteil. Aber darum geht
es hier nicht. Hier geht es um einen Staatsvertrag zwischen Deutschland
und der Schweiz. Und darum, wie die darin ausgehandelten Vereinbarungen
aussehen. Und ob man sich daran hält oder nicht.
Ist das Referendum in der Schweiz überhaupt noch zu gewinnen? Davon
gehe ich aus. Wie man es auch dreht und wendet, der Ankauf gestohlener
Daten ist eines Rechtsstaats unwürdig. Es wäre auch für Deutschland
besser, wenn man die Steuerdelinquenten flächendeckend zur Begleichung
ihrer Steuerschuld zwingt. Und das ist mit dem Abgeltungsabkommen
möglich.
Wenn aber das Abkommen scheitert?Dann
heisst es zurück auf Feld eins. Ein anderes Abkommen wird es wie gesagt
nicht geben. Scheitert das jetzige, dann müssen die Deutschen halt für
jeden einzelnen ihrer Bürger, bei dem sie Anzeichen auf
Steuerhinterziehung haben, ein Amtshilfegesuch an die Schweiz stellen.
NACHTRAG:
Was bedeutet «aktiv erwerben»? Um
diese Worte ist ein erbitterter Interpretationsstreit in der Schweiz und
Deutschland entbrannt. Das bilaterale Steuerabkommen untersagt den
«aktiven Erwerb» von gestohlenen Bankdaten (vgl. Box). Trotzdem hat das
Bundesland Nordrhein-Westfalen angeblich jüngst zwei neue CD mit
gestohlenen Bankdaten gekauft. Ist das nun ein Bruch der Abmachung oder
nicht?
Ausser einer kurzen Stellungnahme im Schweizer Radio und
Fernsehen hat sich Eveline Widmer-Schlumpf bis jetzt zurückgehalten. Nun
aber nimmt die Bundespräsidentin detailliert Stellung. «Nach Abschluss
der Verhandlungen bestand auf beiden Seiten Übereinstimmung, dass der
aktive Erwerb von gestohlenen Bankdaten nicht mehr zulässig ist», stellt
sie in einer schriftlichen Stellungnahme klar. «Wenn für gestohlene
Daten Geld bezahlt wird, und zwar in Millionenhöhe, so ist das auch nach
gesundem Menschenverstand eine Aktivität, also aktives Bemühen.»
Weshalb
aber hat man Geldzahlungen im Text nicht explizit verboten? «Sinn der
Formulierung war es, eine passive Entgegennahme zu ermöglichen»,
antwortet Widmer-Schlumpf. Deutschland sollte «die Möglichkeit erhalten,
seinen Steuerbehörden zugespielte Daten zu prüfen». Mit anderen Worten:
Deutschland sollte weiterhin Daten-CD auswerten können, die im
Briefkasten einer Steuerbehörde landen – Geldzahlungen sollten jedoch
ausgeschlossen sein.
Es gab eine Zeit, da stützte auch der
deutsche Finanzminister diese Sichtweise. Bei der Unterzeichnung des
Steuerabkommens im September 2011 sagte Wolfgang Schäuble, das Verbot
des «aktiven Erwerbs» bedeute, dass deutsche Behörden prinzipiell keine
Bankdaten mehr kaufen würden.
In dieser Woche vollzog Schäuble
eine Akzentverschiebung. Am Montagmorgen erklärte sein Sprecher noch,
man wolle die Worte «aktiver Erwerb» nicht auslegen. Bereits am
Montagabend ging Schäubles Ministerium einen Schritt weiter. Dem
Schweizer Radio und Fernsehen teilte sein Sprecher schriftlich mit:
«Sollte den deutschen Behörden eine CD zum Erwerb angeboten werden (. .
.), enthält das Abkommen kein Verbot, die Daten entgegenzunehmen. Auch
die Zahlung von Geld für diese Daten ist nach dem Abkommen nicht
verboten.»
Die wohlwollende Erklärung für Schäubles Schwenkung
lautet, dass er versucht, das Abkommen innenpolitisch zu retten: Wenn er
die rot-grüne Regierung von Nordrhein-Westfalen zu hart attackiert,
dürfte das Abkommen in der deutschen Länderkammer definitiv scheitern.
Aus dem gleichen Grund muss sich auch Widmer-Schlumpf mit zu harter
Kritik an Schäuble zurückhalten.
Ihr Problem ist jedoch, dass mit
den neuen Tönen aus Berlin im Inland die Kritik an ihr wächst.
FDP-Präsident Philipp Müller ärgerte sich am Dienstag im «Blick», dass
Widmer-Schlumpfs Staatssekretariat ihm noch im April versichert habe,
«dass ab Unterzeichnung des Vertrags der Kauf von geklauten Daten nicht
mehr zulässig sei».
Diese Aussagen ihres Departements erklärt
Widmer-Schlumpf heute so: «Ich könnte mir vorstellen, dass die konkreten
Durchsetzungsmöglichkeiten gegenüber den Bundesländern damals etwas
überschätzt wurden.» Im Nachhinein stelle sich nun heraus, dass die
deutsche Regierung das Abkommen gegenüber ihren Bundesländern erst dann
durchsetzen könne, wenn es formell in Kraft sei. Dass dies noch nicht
der Fall ist, liegt nicht nur an Deutschland: In der Schweiz droht das
Referendum.
In einem Punkt demonstrieren Widmer-Schlumpf und
Schäuble weiterhin Einigkeit: Beide argumentieren, dass der Kauf von
Bankdaten gar nicht mehr nötig sei, wenn die Abgeltungssteuer erst
einmal funktioniere. Welche deutsche Steuerbehörde soll noch für
Bankdaten zahlen, wenn es gar kein deutsches Schwarzgeld mehr in der
Schweiz gibt?, lautet das Argument. In der «Rheinischen Post» sagte
Schäuble es so: «Der Geist, Zweck und Inhalt des Abkommens ist so, dass
es die Steuerfragen umfassend regelt, ausgiebige Kontrollen ermöglicht
und damit die Grundlage zum Kauf von CDs entfällt.»
Widmer-Schlumpf
ihrerseits spricht Klartext an die Adresse der deutschen Opposition,
die sich ein besseres Steuerabkommen erhofft: «Es wird keine Neu- oder
Nachverhandlungen geben.»
Der umstrittene Passus im Wortlaut
Im
Zentrum des Interpretationsstreits zwischen Deutschland und der Schweiz
steht eine einseitige Erklärung Deutschlands. Die deutsche
Bundesregierung hat diese Erklärung am 21. September 2011 schriftlich
abgegeben. Sie bildet eine Art Anhang zum Steuerabkommen. Die Erklärung
lautet wie folgt:
«Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland
erklärt anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland
über Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt, dass sich
die deutschen Finanzbehörden nicht aktiv um den Erwerb von bei Banken in
der Schweiz entwendeten Kundendaten bemühen werden.»