Sonntag, 9. Februar 2014

Zum Abstimmungskrimi

Hochspannung am Sonntagnachmittag:  
Ein JA  wäre eine Sensation.
SO EINE PATTSITUATION GAB ES SEIT 20 JAHREN NICHT MEHR. ES KOMMT ZUM FOTOFINSH.


1430 Uhr am Sonntag: Die grossen Städte werden nun entscheiden - und die Zitterpartie klären.
Alles ist noch möglich. Aber eines ist sicher. Falls die Initiative  hauchdünn abgelehnt würde, könnte das politische Personal die Stimmung im Volk nicht mehr ignorieren. Parteien und Bundesrat müssten über die Bücher. Ich ging vor der ABstimmung von einem NEIN aus, wies aber darauf  hin, dass sich viele Stimmberechtigten für das NEIN bekannten, heimlich aber doch JA geschrieben haben. 
Es gilt ferner zu bedenken: Bei dieser Abstimmung ging es alle gegen einen. Die Wirtschaft und der Bundesrat die grössten Parteien konnten die Bevölkerung nicht klar machen, dass die Einwanderung nicht begrenzt werden darf.
Ein gravierender Fehler leistete sich die die Alt- Bundesrätin Calmy-Rey  mit Ihrer Aufforderung (kurz vor der Abstimmung) zum Beitritt zur EU. Unentschiedene wird diese Aussage zum JA bestärkt werden.
Die ehemalige Bundesrätin verriet damit, dass der Bunderat entgegen früherer Beteuerungen doch der EU beitreten will.
Dann hat die übertriebene Aktivität des Bundesrates und der Wirtschaftkreise viele Bürgerinnen und Bürger stutzig gemacht.
Ein typisches Eigencoal! Es zeigt sich einmal mehr, dass man mit Geld und Werbung nicht alles erreichen kann.
Der Bundesrat hat nun ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Zum hohen JA Anteil hat aus meiner Sicht der Einsatz des Siegers der Abzockerinitiative - des engagierten  Ständerates Thomas Minder viel beigetragen.
Viel mehr als der Einsatz von Christoph Blocher, der sich erstaunlich (bewusst?) zurückgehalten hatte. 
 



Hochrechnung zur Masseneinwanderung: 50 Prozent dafür, 50 Prozent dagegen 

1500 Uhr:

Pattsituation bei Masseneinwanderungs-Initiative: Kantone Zürich und Bern entscheiden 

1615 Uhr:


Pattsituation bei Masseneinwanderungs-Initiative: Kantone Zürich und Bern entscheiden
1645 Uhr:
 Masseneinwanderungs-Initiative: Schweiz sagt Ja – schallende Ohrfeige für den Bundesrat
1700 Uhr:


Masseneinwanderungs-Initiative: Schweiz sagt Ja – schallende Ohrfeige für den Bundesrat
 DIE SENSATION IST SOMIT PERFEKT!!!!!

Das einzige Interview des Vaters der Initiative.
Matthias Ackeret interviewt den Sieger Christoph Blocher.



   

Ich teile die Analyse des Politologen Michael Hermanns:

Heute werden mehr Weichen gestellt als in irgendeiner Abstimmung der letzten Jahre zuvor. Die Initiative mobilisierte zudem in alle Richtungen, denn es geht hier nicht nur um die Migration, sondern auch um Themen wie Naturschutz, Wohnungsnot oder wirtschaftlicher Wohlstand. Somit betrifft die SVP-Initiative alle. Auch dass sich ein knapper Entscheid abzeichnete, mobilisierte beide Lager.
Die Ja-Stimmen schienen im Laufe der Kampagne immer stärker zu werden.
Ich glaube eher, dass sich die Leute ihre Meinung zum Thema bereits gebildet hatten. Die Stimmung gegenüber der Zuwanderung kippte während der letzten drei Jahre. Die Leute brauchten eher Zeit, den Mut zu fassen, wirklich Ja zu stimmen. Denn damit gehen sie ja ein Risiko ein.
Die Deutschschweiz ist gespalten. Der Graben drängt sich zwischen urbane und ländliche Gebiete.
Städte wie Basel, Genf oder Zürich, aber auch Regionen wie Zug, die stark von der Zuwanderung betroffen sind, zeigen die stabilste Haltung zur Migration. Orte, die sich weniger dynamisch entwickelten, sind für die Initiative.
Wie lässt sich das erklären?
Die Haltung zum Thema hängt ja nicht nur mit der Erfahrung, sondern auch mit den eigenen Werten zusammen. Wer bereits urbanisiert wohnt, ist häufig auch eher international orientiert. In ländlichen Gebieten haben die Stimmbürger ein anderes Bild der Schweiz im Kopf. Und in den Städten wohnen mehr Linke, die nicht wollen, dass die SVP die Deutungsmehrheit über das Thema Migration erhält.
Die Ja-Quoten aus dem Tessin waren auffällig hoch. Ist das ein Hilferuf?
Ja, es ist ein Hilferuf. Das Tessin war in den 80er-Jahren noch ein liberaler Kanton und wurde in den letzten Jahren immer konservativer. Seit 2009 hat sich die Stimmung nun nicht mehr verändert. Schon damals lehnte das Tessin die Personenfreizügigkeit ab. Das deutliche Ja ist hier eine Folge der erlebten Situation.
Hat die Schweiz die Probleme des Kantons vernachlässigt?
Es ist nicht einfach, den Bedürfnissen des Kantons, der innerhalb der Schweiz eine Sonderrolle einnimmt, gerecht zu werden. Das Tessin sieht sich mit Italien einem Nachbarn gegenüber, der von der Eurokrise besonders betroffen ist. Währenddessen ist die Deutschschweiz vor ähnlichen Problemen besonders geschützt, denn Deutschland geht es sehr gut.

Ursachen des Stimmungswandels gefragt:
Ich zitiere Blick:

Wie konnte das passieren? Wo lagen die Gründe, dass die Stimmung, entgegen allen Umfragen im Vorfeld, doch noch ins Ja kippen konnte?
Zwei Wochen vor dem Urnengang, brachte ein überparteiliches Komitee einen neuen Aspekt in den Abstimmungskampf: Das SVP-nahe Egerkinger-Komitee warnte vor einer Stärkung des Islams in der Schweiz – wenn die Masseneinwanderungs-Initiative nicht angenommen werde.
Oder hat Ex-Aussenministerin Micheline Calmy-Rey der Initiative zum Durchbruch verholfen? Nur eine Woche vor der Abstimmung äusserte sie sich in der Sonntagspresse für einen EU-Beitritt. Hämische Twitterer frotzelten bereits am Nachmittag, dass ihr die SVP-Ehrenmitgliedschaft verliehen werden sollte.

SP beschuldigt die Bürgerlichen

Ganz anders tönt es bei der SP – hier werden die bürgerlichen Gegner der Initiative für das Ja verantwortlich gemacht. «Die Bedenken der Bevölkerung sind real und hätten echte Antworten in Form innerer Reformen verdient. Diesen Ausbau der flankierenden Massnahmen haben Bundesrat, bürgerliche Parteien und Wirtschaft jedoch stets verweigert», schreiben die Sozialdemokraten in einer ersten Stellungnahme.
Und es dürfte nicht lange dauern, bis sich Stimmen melden, welche die Steueroptimierungen des damaligen Unternehmens von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann für das knappe Votum der Bevölkerung verantwortlich machen.

Dicke Post

Gemessen und gewogen

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Der Joschka-Jositsch-Effekt

SP-Nationalrat Daniel Jositsch tats, aber auch Grünen-Politiker Joschka Fischer oder US-Gouverneur Chris Christie: abnehmen. In der Diaschau zeigt sich, wer dabei erfolgreich war.

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Chris Christie ist sich gewohnt, dass man sich über sein Gewicht lustig macht. Vor einem Jahr unterzog sich der Gouverneur von New Jersey einer Magenbandoperation. Schliesslich will er 2016 Nachfolger von US-Präsident Barack Obama werden.

ist sich gewohnt, dass man sich über sein Gewicht lustig macht. Vor einem Jahr unterzog sich der Gouverneur von New Jersey einer Magenbandoperation. Schliesslich will er 2016 Nachfolger von US-Präsident Barack Obama werden. Doch bis dahin muss er noch wohl noch ein paar Kilo mehr abspecken, wie das Bild vom Februar 2014 zeigt. Auch andere politische Schwergewichte haben immer wieder mit dem Gewicht zu kämpfen. verkündete Ende Januar 2014, dass er acht Kilo abnehmen wolle, um für die Europawahlen im Mai in Form zu sein. Auch der ehemalige US-Präsident kämpfte gegen das Übergewicht - was der japanische Premierminister Yoshiro Mori bei einem Treffen im Juli 2000 (im Bild mit Gerhard Schröder und Wladimir Putin) ebenfalls zu bemerken scheint. Clinton war ein bekennender Liebhaber von Fast Food und Desserts. (Bild von 1993) Doch nach einer Bypass-Operation im Jahr 2010 war Schluss mit Junkfood. Bekannt für Gewichtsprobleme ist der deutsche Grünen-Politiker (hier in einem Bild von 1996) Mehrmals nahm er mehrere Kilos ab - und wieder zu. (Bild: 1998) Eine wahre Leidensgeschichte. Mit dem Jojo-Effekt-Problem ist auch der ehemalige US-Vize-Präsident und Nobelpreisträger bestens vertraut. 2008 etwa hatte er noch einige Kilos zu viel auf dem Leib. Ein Jahr später, im Jahr 2008, ist er fast nur noch ein Schatten seiner selbst. Doch ... ... 2012 hat er das verlorene Gewicht wieder zugenommen. Auch war nicht immer so dünn, wie die Welt sie als US-Vize-Präsidentschaftskandidatin von 2008 kennenlernte. Als Gouverneurin von Alaska sah sie noch etwas rundlicher, aber auch etwas gesünder aus. SP-Nationalratskandidat ist daher bei weitem nicht das erste politische Schwergewicht, das sich mittels strikter Diät wieder in Karriere-Form bringen will. Der Politiker kam in die Schlagzeilen, nachdem er am 3. Februar 2014 in der SRF-Sendung «Schawinski» zugegeben hatte, dass er fast 30 Kilo abgenommen hat.

In einem halben Jahr hat SP-Nationalrat Daniel Jositsch 29 Kilo abgenommen (20 Minuten berichtete). Er ist nicht der einzige Politiker, der seinen überflüssigen Kilos den Kampf ansagte: Cédric Wermuth (SP), Alfred Heer (SVP) oder die FDP-Nationalrätin Doris Fiala triumphierten einst gegen das Zuviel auf der Waage. Steigen die Wahlchancen, wenn die Kilos purzeln? Nein, so Kommuniksationsexperte Marcus Knill: «Bei Politikern geht es in erster Linie um Glaubwürdigkeit.»
Das sehen die Amerikaner ein klein wenig anders. Chris Christie, der republikanischen Gouverneur aus New Jersey, musste sich vor zwei Jahren anhören: «Sie sind zu dick, um 2016 Präsident zu werden.» Um seine politischen Ambitionen nicht begraben zu müssen, liess sich Christie im Februar letzten Jahres ein Magenband legen. Dies und regelmässiger Sport führten zum erwünschten Erfolg. Schliesslich aber war es nicht das Zuviel an Körperfett, sondern der Brückenskandal in New Jersey, der Christies Präsidentschaftspläne und Glaubwürdigkeit ins Wanken brachte.
Es gibt eine ganze Reihe bekannter Politiker, die zeitweise mit ihrem Gewicht kämpfen. Vom deutschen Grünen-Politiker Joschka Fischer über Silvio Berlusconi bis zum Tea-Party-Liebchen Sarah Palin

Kommentar: Bei Kommunikationsprozessen entscheidet vor allem die Glaubwürdigkeit einer Person. Selbstverständlich kann das Aeussere  das Image eines Politikers mit - beeinflussen. Doch gilt bei  allen Auftritten die wissenschaftliche Erkenntnis. Das sind sich viele Berater zu wenig bewusst:

LINK: Image schlägt Fakten

18. Okt. 2009 ... Christian Fichters Team an der Universität Zürich ist auf Imageforschung spezialisiert. Eine Untersuchung des Teams wurde im Scheizer ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/09/10_18/

EIN ECHO DAS MICH BESONDERS GEFREUT HAT

In einem Mail schrieb mir letzte Woche ein Student der Kommunikationswissenschaft aus Bonn:

.... mit großer Begeisterung lese ich auf Ihrer Homepage rhetorik.ch <http://rhetorik.ch>  schon seit fast 10 Jahren Ihre Texte. Informativ und inspirierend, vielen Dank dafür!

Mit dem Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität .... erkannte ich meine berufliche Profession und möchte gerne.....




KOMMENTAR: Schön zu hören, dass es immer wieder Leserinnen und Leser von rhetorik.ch gibt, die seit vielen Jahren regelmässig unsere Fachbeiträge lesen.
Ich habe von dem Akademiker erfahren, dass er laufend Themen im Netz vergleiche und er sei erstaunt, wie auf rhetorik.ch komplexe Sachverhalte stets kurz und verständlich auf den Punkt gebracht werden.
Wir wissen, dass unsere Beiträge eine hohe Einschaltquote haben. Doch ist es erstaunlich, dass jemand uns über Jahre treu bleibt und das Angebot nutzt. Das wird mein Webmaster freuen. 
 

VIELEN DANK FUER DIE BLUMEN! 

Wie Täter sich als Opfer geben

Verkehrtes Rechtsempfinden
aus DIE ZEIT:

Haben die Feministin Alice Schwarzer und der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, deren Geschichten uns derzeit die Langeweile bis zur großen Hoeneß-Show vertreiben, noch etwas gemeinsam außer dem durch nichts zu erschütternden Glauben an die eigene Botschaft? Inzwischen weiß es jeder: Beide sind Sünder. In Tebartz-van Elsts Job ist das Geschäftsgrundlage, auch wenn er sich dem Vernehmen nach mit diesem Teil der Aufgabe noch schwertut. Für Schwarzer hingegen ist es eine Anforderung, die sie bislang ersichtlich noch nicht in Erwägung gezogen hatte. Das rächt sich nun, denn niemand hat zuletzt die Demontage dieser Kämpferin gegen den Verlust von Steuermilliarden durch Ehegattensplitting so zielsicher vorangetrieben wie sie selbst. Wo Moralansprüche und Sendungsbewusstsein am höchsten, sind Abstürze am schmerzlichsten.
Die Geschichte, mit der Schwarzer sich, sorgfältig tendenziös formulierend, ihren Feinden entgegenwirft, ist atemberaubend: In den achtziger Jahren – das war, als in Hessen die erste rot-grüne Koalition regierte – sah sie sich gezwungen, in der Schweiz, also dem Land der Freiheit, der Moral und der höchsten Bordelldichte Europas, ein Sümmchen auf ein Konto "einzuzahlen", weil sie erwartete, demnächst vor einer "Hatz" gegen sie "ins Ausland" fliehen zu müssen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ist dies eine zynische Instrumentalisierung des Schicksals und der Angst echter politischer Flüchtlinge. Oder es ist eine lächerliche Lüge. Selbst wenn Schwarzer vor dreißig Jahren Verfolgungsideen dieser Art gehabt hätte: Die Straftaten, deretwegen sie sich jetzt angezeigt hat, beging sie in den vergangenen zehn Jahren. In dieser Zeit saß sie in Spielshows herum, äußerte ihre Meinung über andere in Bild und in Talkshows. Sie war nicht Verfolgte, sondern Verfolgerin.

Uli Hoeneß, der sich an jedes Tor erinnert, hatte ein Sümmchen vergessen

Nun, nachdem sich durch ausgiebiges Betrachten der Fälle Klaus Zumwinkel und Uli Hoeneß ihr Unrechtsbewusstsein immer weiter geschärft hat, hat sie ein Drittel der hinterzogenen Steuern nachgezahlt und "das Konto aufgelöst". Wo sie das Kapital und die Zinsen aus den verjährten Taten nun "eingezahlt" hat, verschweigt sie bescheiden. Bei konservativer Zinsschätzung darf man das schweizerische Sparstrümpfchen auf eine Million veranschlagen. Als Alice Schwarzer dieses Fluchtkapital im Handtäschchen nach Zürich trug und "einzahlte", verdiente die deutsche Putzfrau 40 Mark am Tag und die Redaktionssekretärin 60. Nun kniet die Verfolgte auf den Stufen des Finanzamts und ringt die Hände: "Von ganzem Herzen" bedauert sie ihren Fehler. Zum Dank für ihr geschärftes Rechtsgefühl muss sie eine "Kampagne" von Menschen ertragen, die um einer Schlagzeile willen "auf Recht und Gesetz pfeifen". Sie beging 30 Jahre lang Straftaten, weil sie ein Opfer war. Nun, da dies offenbar wird, ist sie es schon wieder. Wunderbar!
Prof. Thomas Fischer
Der 60-Jährige ist Vorsitzender des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe.
In Deutschland gibt es Gerechte, Verbrecher und Sünder, Letztere in den Formen des Verkehrssünders und des Steuersünders. Was dem Verkehrssünder der Raser, ist dem Steuersünder der skrupellose Finanzhai: Gesindel. Dagegen sind Sünder wir alle. Wer wollte behaupten, er sei nie im Leben bei Rot über die Ampel gefahren oder habe nie einen Roman als "Fachbuch" abgesetzt?
In jeder Sünde liegt die Gewissheit der Vergebung, wo echte Reue waltet. Deshalb hält der intelligente Sünder eine Zeit lang den Mund, gibt den Führerschein ab und macht sich klein (Bischöfin Margot Käßmann). Er legt den Titel Editor-at-Large ab (Theo Sommer), er tritt zurück (Staatssekretär André Schmitz); er gibt sein Großes Bundesverdienstkreuz zurück (Klaus Zumwinkel); er wohnt im Kloster, fährt aber in der Dunkelheit zum Baden in seinen Amtspalast (Tebartz-van Elst); er reibt sich mit den Fäustchen die Tränen der Verzweiflung aus den Augen und kann doch nichts dafür, dass alle ihn lieben und immer eine Kamera läuft (Uli Hoeneß).
Natürlich gibt es auch Unverbesserliche. Zum Beispiel dieser Ribéry! Ein ganz unverschämter Sünder: Kaum wird er rechtskräftig vom Vorwurf des Kontakts zu einer minderjährigen Prostituierten freigesprochen, da wagt er es, "am nächsten Wochenende auf dem Platz zu stehen, als sei nichts gewesen"! Emma, Zentralorgan für Gerechtigkeit, kann es nicht fassen. Oder dieser Kachelmann! Wird rechtskräftig freigesprochen und behauptet trotzdem frech, er habe nichts verbrochen! Damit solche Leute keinen Fuß mehr auf den Boden kriegen, gibt es die Gerechten. Sie schreiben Kolumnen und speisen mit den Großen der Welt.
Lesen Sie im Dossier der aktuellen Ausgabe der ZEIT über den Alltag deutscher Steuerfahnder.
Lesen Sie im Dossier der aktuellen Ausgabe der ZEIT über den Alltag deutscher Steuerfahnder.
Schwarzer hat, wie sie uns mitteilt, "nie einen Cent abgehoben". Was möchte sie uns damit sagen? Dass sie sparsam ist oder dass sie ihr Konto jedes Jahr aufs Neue vergessen hat? Überhaupt, das Gedächtnis! Diese Schusseligkeit gerade bei Menschen, die uns stets durch ihre geistige Perfektion und unermessliche Leistungsgrenzen beeindruckt haben!
Wie konnte Uli Hoeneß, der alles weiß und jedes Tor aus 50 Jahren Bundesliga nacherzählen kann, vergessen, dass es da noch ein Sümmchen an Spielgeld gab? Wie kommt es, dass Theo Sommer, der Chefredakteur und Herausgeber der ZEIT war, Jahr für Jahr vergessen konnte, die paar kleineren Nebeneinkünfte in Höhe von insgesamt über einer Million Euro zu versteuern? Wie verdrängt ein Staatssekretär, dass er eine Erbschaft gemacht hat, die sich wundersam in "eine Lebensversicherung" verwandelte und in der Schweiz "eingezahlt" wurde?
Die Erklärungsversuche sind immer gleich albern. Sie werden nicht geglaubt und ruinieren das Bild derjenigen, die sie für sich entwerfen, oft mehr als die Sache selbst. Denn sie sagen in der Regel nichts über die Wahrheit, aber viel über die Personen, die sie sich ausdenken. Woher sie kommen, ist schwer zu sagen. Es handelt sich nicht um Panik-Reflexe: Die Stellungnahme von Schwarzer etwa ist professionell, im suggestiv verdrehten Bild-Jargon verfasst. Am ehesten ist es wohl der Versuch, der Scham und der öffentlichen Häme zu entrinnen durch infantile Betroffenheits- und Unterwerfungsgesten. Bei manchen funktioniert selbst das nicht. Sie inszenieren das eigene Unrecht als Opfergang.
Täter, die sich für Opfer halten


Gern klagen die, die es angeht, über die Verletzung des Steuergeheimnisses

Steuerhinterziehung ist der einzige Straftatbestand im deutschen Recht, bei dem die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige besteht. Die Anforderungen an eine solche Selbstanzeige sind nicht ganz einfach zu erfüllen; im Fall Schwarzer hat es, anders als im Fall Hoeneß, offenbar geklappt. Man kann daran zweifeln, dass eine Regel, wonach ein Straftäter nachträglich die Strafbarkeit seiner Tat beseitigen kann, mit unserem Strafrechtssystem wirklich zu vereinbaren ist. Der Gerechtigkeitsgehalt einer solchen Regel ist jedenfalls denkbar klein.
Ihr rechtspolitischer Grund ist von derselben zweifelhaften Art wie die Kapitalertragsteuer, soweit sie als sogenannte Abgeltungsteuer ausgestaltet ist: Der Staat besteuert private Kapitaleinkünfte mit nur 25 Prozent, selbst wenn der individuelle Steuersatz des Steuerpflichtigen viel höher liegt. Der Grund ist, wie wir wissen, die große Empfindsamkeit und stets fluchtbereite Gespanntheit des Geldes: Es fliegt in die weite Welt, kaum dass das Wort "Steuer" ausgesprochen wurde; anders als die schwerblütige, an Büro, Betrieb und Menschenleiber gebundene Arbeit. Daher gilt: lieber wenig Steuern einnehmen als gar keine; lieber frohe Depot-Inhaber in Deutschland als im Ausland.
Natürlich ist dies ein erbärmliches Argument, das durch den Hinweis auf die praktischen Schwierigkeiten, den Strom des Geldes zu verfolgen, nicht viel besser wird. Steuer-CDs, Sanktionen gegen Steueroasen und Erhöhung des Verfolgungsdrucks zeigen: Man muss nur wollen. Steuerehrlichkeit wird nicht durch das Angebot von Geschenken erreicht für ein Verhalten, das von der Mehrheit der Bürger als selbstverständlich erwartet wird. Die einzig erfolgreiche Methode ist eine massive Erhöhung des Risikos. Nicht Nachsinnen über das Unrecht treibt die Menschen an, ihre geheimen Konten von ganzem Herzen zu bedauern, sondern die pure Furcht vor dem Erwischtwerden. So funktioniert Strafrecht.

Es ist kein Menschenrecht, dass Steuerstraftaten geheim bleiben

Tatsache ist bislang: Wer in Deutschland von unselbstständigem Arbeitseinkommen lebt, führt seine Einkommensteuer als Lohnsteuer beim Arbeitgeber ab, ohne Geheimnis, ohne Beschränkung und ohne Sonderbonus für Gesetzestreue. Wer von Zinseinkünften lebt, dem wird fast die Hälfte der darauf entfallenden Einkommensteuer einfach geschenkt, wenn er so großherzig ist, überhaupt Steuern zu zahlen. Die Kavallerie, mit der im Fernsehen gedroht wird, galoppiert seit fünfzig Jahren auf weiträumiger Suche in der Wüste umher, kann dort aber leider nur sehr selten etwas finden. Derweil wird zu Hause gegen den Sozialbetrug gekämpft: Wenn 10.000 Hartz-IV-Bezieher monatlich 500 Euro zu Unrecht erlangen, sind das im Jahr 60 Millionen Euro. Wenn 100 Kapitalanleger in demselben Jahr je 20.000 Euro Kapitalertragsteuer hinterziehen, haben sie 80 Millionen Euro Zinsen verdient. Weil das jeder weiß, der davon profitiert, und es bloß diejenigen nicht wissen, die 80 Prozent der Last tragen, funktioniert das System. Man könnte es anders machen, tut das aber nicht. Das ist eine Entscheidung des Gesetzgebers und seiner Wähler, die schwer zu verstehen ist. Man könnte sie jederzeit ändern. Dann würde das schöne Motto "Wer betrügt, fliegt" plötzlich eine ganz andere Dimension bekommen.
Gern klagen die, die es angeht, über die Verletzung des Steuergeheimnisses – als sei es ein Menschenrecht, dass Straftaten geheim bleiben. Als werde von den geifernden Medien das Innerste unschuldiger Kleinsparer nach außen gekehrt, die doch nichts getan haben, außer einen "Fehler" zu machen, einen Staatskonzern zu leiten, einen Sportverein, eine Wochen- oder eine Frauenzeitung.
Man sollte das etwas differenziert sehen: Es gibt das Steuergeheimnis, und das wird immer wieder einmal gebrochen, gelegentlich auch in der Finanzverwaltung, am ehesten bei sogenannten Prominenten aller Kategorien. Das ist bedauerlich und sollte nach Kräften unterbunden werden. Gleichwohl sollte man den Skandal dort lassen, wo er ist: bei den Straftaten der Hinterzieher. Das Steuergeheimnis schützt – vielleicht – auch den schuldigen Hinterzieher. Es ist aber nicht um seinetwillen und nicht zur Verschleierung seiner Taten da. Es schützt alle Steuerpflichtigen davor, dass auf dem Umweg über ihre finanziellen Verhältnisse alle Einzelheiten ihres Lebens oder ihrer geschäftlichen Betätigung offenbar und zugänglich werden. Bei jedem Arbeitnehmer, der seinem Arbeitgeber Lohnsteuer-Freibeträge angibt, ist die Gefahr, dass dieses Geheimnis substanziell verletzt wird, größer als bei einem Steuerhinterzieher, dessen Schwarzgeldkonto auf einem Datenträger auftaucht.
Selbst wenn man die Versuche, vom eigenen Skandal abzulenken, auf ihr wahres Maß reduziert, bleibt für die Betroffenen ein harter Brocken: eine gnadenlose öffentliche Gerichtsbarkeit durch Medien und Internet. Die ist gelegentlich auch ungerecht.
"Rufmord", wie Schwarzer schreibt, begeht sie nicht. Rufmord ist es, einen rechtskräftig Freigesprochenen weiter als Täter darzustellen; nicht aber, einen Schuldigen als das zu bezeichnen, was er ist. Steuerhinterziehung ist keine kleine "Sünde". Aber sie ist auch keine Tat, die den Kern einer Persönlichkeit entblößt und infrage stellt. Deshalb eignen sich Enthüllungen über Steuerhinterziehungen maximal zu ein bisschen verdienter Schadenfreude und Empörung über "die da oben", die ihren erhobenen Zeigefinger als Richtungsweiser ausgaben und dabei verschwiegen, dass er zuvor an unangenehm riechenden Stellen steckte.
Weniger geeignet sind sie als Vorlage für Pharisäer jeder Art. Steuerhinterziehung ist, wie Schwarzer zutreffend schreibt, nicht unverzeihlich; nur hat über Zeit, Ort und Maß des Verzeihens nicht der Täter selbst zu entscheiden. Schwarzer kann sich trösten: Das wird wieder. Nur wenn Rufmord auf immerdar unverzeihlich wäre, hätte sie ein dauerhaftes Problem.


KOMMENTAR: Eine Feministin empörte sich, weil mit den Schwarzkonten Schwarzers nun auch der Feminismus darunter leiden könnte und Schwarzer nun von Machos schadenfreudig angeschwärzt werde (Siehe Kachelmann).
Nach meinem Dafürhalten darf niemand geschont werden. Ob reich oder arm, ob politisch links oder rechts. Alle sind vor dem Gesetze gleich. Wenn Hoeness verurteilt wird, will dies nicht heissen, der  Fussball werde damit auch angeklagt.
Was erstaunlich ist: Bei der Aufdeckung eines Steuervergehens bemühen sich nun prominente Persönlichkeit plötzlich um  den Schutz der Persönlichkeit und des Bankgeheimnisses.


Alice Schwarzer

Moralische Glaubwürdigkeit ist Alice Schwarzers höchstes Gut. Die Steueraffäre könnte ihr schaden. Die Prostitutionsdebatte zeigt, dass sie Gegner gerne diffamiert.