CLUB: Die neue Moderatorin und ihre Gäste
«Club»-Chefin Karin Frei. (SRF/Oscar Alessio)
Zur Moderatorin Karin Frei:
Ich zitiere Blick:
Zuerst: Die ehemalige Radio-Frau Karin Frei hat eine angenehme Art,
moderiert ruhig und zurückhaltend. Sie lässt reden, hört zu. Und doch
hat sich die neue «Club»-Chefin in ihrer ersten Sendung verzettelt.
Ich zitiere Tagi:
Souveräner Blick, kein Verhaspler
Die
42-Jährige legte souverän und ohne den kleinsten Verhaspler los. Reden
unter Druck, das kann sie; immerhin hat sie 19 Jahre Radioerfahrung:
Zuerst als Redaktorin und Moderatorin bei DRS 3, danach bis 2003 als
Abend- und Nachtmoderatorin bei DRS 1 (tagsüber studierte sie an der Uni
Zürich), 2004 wechselte sie zur Hintergrundsendung «Doppelpunkt» und
führte zuletzt durch die Talksendung «Persönlich» auf DRS 1. Nicht
einmal durch ein frühes Missgeschick liess sich Frei irritieren: Sie
hatte ihren Talkgast Marion Deck fälschlicherweise beim Namen ihrer
Schwester genannt, die sich vor elf Jahren das Leben genommen hatte,
nachdem sie missbraucht worden war. Die meisten anderen Moderatoren
wären wohl beschämt errötet, sie aber blieb völlig locker und griff den
Versprecher später nochmals lässig auf.
Auch im Scheinwerferlicht
von SF machte die Luzernerin eine gute Figur (und erinnerte in der
scheinbar obligaten «Club»-Uniform, dem Hosenanzug, an Christine Maier):
Ihr Blick war selbstbewusst und ohne einen Hauch von Unsicherheit
mitten auf die Kamera gerichtet und später auf ihre Gäste. Bloss im
Laufe der Sendung schaute sie hie und da ein wenig so drein, als würde
sie die Studiodecke nach Überwachungskameras absuchen.
Lange Reden ohne Unterbruch
Karin
Frei tritt zusammen mit Mona Vetsch die Nachfolge von Christine Maier
an. Ob sie einen eigenen Stil pflegen wolle, wollte
Tagesanzeiger.ch/Newsnet im Vorfeld unter anderem von ihr wissen (siehe
Artikel zum Thema). «Ich finde es unangenehm, wenn man den Leuten
permanent übers Maul fährt», antwortete Karin Frei im Interview und
hielt sich gestern entsprechend zurück.
Mein
Kommentar: Die Moderatorin hat eine angenehme, ruhige Art. Karin Frei
hat eine sympathische Stimme. Ich bin sicher, die Moderatorin kommt gut
an. Es ist erfreulich, dass die Redner ausreden konnten und nicht
ständig unterbrochen wurden. Doch war es des Guten zu viel. Langredner
müssen unterbrochen werden Es war eine Zumutung am Anfang einen
Teilnehmer fast 10 Minuten reden zu lassen.
Zum roten Faden der Sendung:
Ich zitiere Blick:
Schade,
das Thema hätte spannenden Gesprächsstoff geliefert. Eine Sendung zu
einem der düstersten Kapitel der Schweizer Geschichte. Dazu läuft im
Moment im Kino einer der besten Schweizer Filme seit «Reise der
Hoffnung» –
eigentlich eine Steilvorlage für den «Club».
Markus
Imbodens grandioses Kinoepos wirft so viele sozial-historische Fragen
auf, dass man Stunden darüber diskutieren könnte. Man hätte Nähe zum
Thema zeigen können, indem man den Regisseur einlädt, einen der
überzeugenden jungen Darsteller und einen Verdingub, der die schlimme
Zeit am eigenen Leib erfahren musste.
Der Lokalsender TeleZüri hat es dem Schweizer Fernsehen gestern vorgemacht. Mit
den richtigen Gästen hätte man gestern im «Club» so viel aufarbeiten
können: Von der tristen Situation der Bauern in den Kriegsjahren über
das verkehrte Weltbild der Behörden, für die das Wohl der Kinder
zweitrangig war; Lehrer, die oft zwischen den Fronten waren. Oder die
Schmarotzer, die sich am Elend der Kinder bereicherten.
Der erste
«Club» von Karin Frei war aber über weite Strecken abgehobenes Gerede
über die aktuelle Situation von Pflegekindern. Die Frage, die der
Sonntagsblick aufwarf, ob man Verdingkinder nicht entschädigen müsste,
wurde nur kurz gestreift.
Man hatte als Zuschauer das Gefühl, sich in
einen Fortbildungsabend für Vormundschaftsbehörden und Sozialdienste
verirrt zu haben. Es wurde viel über Bewilligungspflicht,
Pflegekinderverordnung und Aufsicht geredet. Da wurde der Fall einer
jungen Winterthurerin in allen Details plattgewalzt, der zwar traurig
und interessant war – mit dem Thema «Verdingkinder» aber nichts zu tun
hatte.
Den Bogen von gestern bis heute wollte Karin Frei bei
ihrer Premiere spannen. Er wurde überspannt. Heute gibt es moderne
Formate wie «Hart aber Fair» in der
ARD.
Sie bringen Themen auf den Punkt, sind klar strukturiert, die Gäste
haben klare Positionen. Man bleibt dran, weil es spannend ist.
Im «Club» hingegen wird immer einfach drauflos geredet.
Karin Frei hat noch viel Arbeit vor sich.
Ich zitiere Tagi:
Ihre Gäste beim Thema «Vom
Verdingkind zum Pflegekind – ist heute alles besser?» durften so lange
reden, wie sie wollten, was die Diskussion manchmal ins Stocken brachte
und für ein paar Momente der Stille sorgte. Der erste Gast in der Runde,
Monika Minder, die früher als Verdingkind heftig verprügelt worden war,
hatte die ersten zehn Minuten quasi für sich alleine. Erst um 22.42 Uhr
kam der zweite Gast zu Wort. Minders Erzählungen waren zwar meist
interessant, als sie sich jedoch zu verzetteln begann, hätte ein kurzes
Eingreifen nicht geschadet.
Auf der anderen Seite hakte Frei
immer sofort nach, wenn ihre Gäste zu schwammig blieben. Die Radiofrau
wollte anschauliche Beispiele haben und bekam sie meistens auch. Und
wehe, wenn nicht – was Nicolas Galladé, Stadtrat Departement Soziales in
Winterthur, zu spüren bekam. Weil er Einsicht in die Akte der
Deck-Schwestern hatte, wollte Frei von ihm wissen, was drin stand. Als
er sagte, es hätten sich keine eindeutigen Hinweise auf Misshandlungen
oder Missbrauch in der Pflegefamilie gefunden, fuhr sie dazwischen: «Das
ist ein Politiker, der so redet!», worauf Galladé konterte: «Das ist
einer, der sich an den Datenschutz hält.» Dann war die Sache vom Tisch.
Vorgängig geübt?
Man
spürte: Karin Frei war perfekt und bis ins letzte Detail auf die
«Club»-Sendung vorbereitet. Zwischendurch las sie seelenruhig eine ganze
Mitteilung von Simonetta Sommaruga vor. Es schien fast so, als hätte
sie die Sendung mit ihren Gästen am Nachmittag schon einmal
durchgespielt. Fiel ein bestimmtes Stichwort, griff Frei dieses auf,
reicherte es mit vorbereiteten Infos an, und spielte den Ball dann
weiter an den passenden Gast in der Runde. Würde man die gestrige
Diskussion niederschreiben, sie würde wohl beinahe als kompletter
Hintergrundartikel durchgehen, so abgerundet war das Ganze. Da erstaunte
es nicht, dass Karin Frei am Ende der Sendung erwähnte, welche anderen
Thema sie noch auf Lager gehabt hätte, was fast ein wenig streberhaft
daherkam.
Die Kontrolle verlor Karin Frei während der gesamten
Sendung nie, was mitunter auch an den braven Talkgästen lag, die sich
selten aufdrängten und sich an das ungeschriebene Drehbuch hielten. Man
darf gespannt sein, wie Frei sich in einer Diskussion schlägt, in der
die Emotionen hochgehen und die Redner aufmüpfiger sind. Zuerst ist aber
noch Co-Moderatorin Mona Vetsch an der Reihe, die vom Typ her so anders
wirkt als Karin Frei. Bald wird sich zeigen, ob die Thurgauerin ihre
Lockerheit auch auf dem «Club»-Sofa beibehalten kann.
Ende Zitat.
Kommentar:
Vielleicht
hatte die Moderatorin nicht die beste Hand gehabt hinsichtlich Auswahl
der Teilnehmer. Es dominierte die Sicht des Sozialdienstes und der
Behörden. Ich hätte gerne erfahren, wie sich ehemalige Verdingkinder
später im Leben zurecht gefunden haben. Künftig müssten angekündigte Diskussionen
besser als Diskussion geführt werden. Viele Teilansichten müssten während de Sendung zu einem
Ganzen werden. Ein Thema diskutieren heisst: Das Thema von möglichst
vielen Seiten zerlegen lassen. Es gab an dieser Sendung zu viele
Einzelvorträge. Das hat die Dynamik stark beeinträchtigt.
"Die Diskussion
ist eine Sonderform des Gesprächs. Sie umspannt ein weites Feld vom
alltäglichen Zwiegespräch bis hin zur grossen Auseinandersetzungen, ...
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Bei der Diskussion
kommen verschiedene Standpunkte zu einem Thema zum Tragen.
Diskutieren heisst, ein Thema zerlegen. Verschiedene Sichten werden ...
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Wenn sie als Moderatorin oder als Moderator ein Gespräch, eine Sitzung, eine Diskussion oder eine Veranstaltung leiten müssen, so nehmen Sie ebenfalls ...
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