Mittwoch, 18. Juli 2018

Knall bei Raiffeisen

Patrik Gisel tritt als Konzernchef der Raiffeisen per Ende Jahr zurück.

Er wollte damit die öffentliche Debatte um seine Person beenden und die Reputation der Bank schützen.
Seit 2015 führte er die bekannte Bank.

Vorbemerkung:
Sein Vorgänger, der in der Untersuchungshaft weilte, ist nicht verurteilt.
Es gilt die Unschuldsvermutung.

Doch:
Die Bank und damit auch der Vorsitzende der Geschäftsleitung standen unter enormem Druck.
Der Medienwirbel sorgte dafür, dass die Bank nicht zur Ruhe gekommen ist.

Obschon Gisel versichert hatte, er trete nicht zurück, musste er etwas tun.
Es blieb ihm keine andere Wahl, als zu handeln.
Er hätte zum Problem für die Bank werden können.

Jüngst ging es um die Frage, ob die Nr 2 der Raiffeisen tatsächlich nichts gewusst hatte von den Deals von Vinzenz. Gisel arbeitete jahrelang mit Vincenz zusammen und damit zu lange mit ihm verbandelt. Er behauptete stets, er habe davon nichts gewusst.
Dem Verwaltungsrat wurde bewusst, dass diese Sicht  nach aussen nicht mehr haltbar war. Es ging nun um die Reputation der Bank.

Gisel hatte drei Optionen:

1. Im Amt bleiben   2. Sofort kündigen    oder 3. Später zurücktreten.

Zu Punkt 1: Im Amt konnte er nicht bleiben. Der Druck war zu gross.
Zu Punkt 2: Wenn er sofort gekündigt hätte, wäre dies einen Schuleingeständnis gleichgekommen. Aber für die Reputation  wäre es gut gewesen
Zu Punkt 3: Gisel hat  die Kündigung auf Ende Jahr gewählt. Ich gehe davon aus, dass dieser Entscheid sich  entlastend auswirken wird. mit diesem Entscheid ist auch noch ein Neubeginn möglich.

Obschon  Patrik Gisel bei früheren Auftritten vor Mikrofon und Kamera erfreulich gut abgeschnitten hatte, litt seine Glaubwüdigkeit mit den verbalen Spitzkehren:

Früher: "Ich werde nicht zurücktreten."   Dann: "Ich trete auf Ende Jahr zurück."
Früher: "Die Notensteinbank werden wir nicht verkaufen". Dann wurde sie doch verkauft,
Die Bevölkerung nimmt dem Konzernchef auch nicht ab, dass sein Rücktritt nichts mit der Aera Vincenz zu tun hat.
Auch Merkel büsste die Glaubwürdigkeit ein mit Aussagen, wie:
"Während meiner Amtszeit wird es sicher keine Maut geben". Dann war sie doch dafür.
Oder bei Trump: Beim Treffen mit Putin sagte er, Russland habe sich nicht in die Wahlkampagne eingemischt. Zurück im weissen Haus sagte er plötzlich das Gegenteil.

Patrik Gisel habe ich bei veschiedenen Interviews beobachtet:

Er ist sehr mediengewandt, spricht unkompliziert.
Wenn er frei spricht, fühle ich mich angesprochen.
Sehr guter Augenkontakt.
Normalerweise ist seine Gestik, Mimik  authentisch.
Er hat hingegen ein Problem mit seiner Kommunikationscrew.
In einem Blickinterview versuchte ein Kommunikationsverantwortlicher der Raiffeisenbank, das Interview zu stoppen. Gisel wurde nicht von den Medien, sondern von einem Mediensprecher irritiert. Gisel  glaubte wohl, die Kamera sei abgestellt worden. Doch lief sie weiter und nahm den Konzernchef auf, wie er irritert zum Sprecher schaute und nervös an die Nase sowie in die Nase griff und als Uebersprunghandlung verlegen am Kopf rieb. Diese gesendete Sequenz ist nicht  das Verschulden der Medien, sondern der eigenen Kommunikationsleute. Heikle Situationen müssen vorgängig besprochen werden. Für mich war offensichtlich: Ohne diese unnötige Intervention hätte Gisel die Sache gut gemacht. Fazit: Kommunikationsberater können auch ein Eigencoal schiessen. Die Vorbereitung ist immer die halbe Miete. Man muss sich stets bewusst sein: Wenn eine Kamera im Raum steht, kann man aufgenommen werden.
Diese Erfahrung führte wohl dazu, dass Gisel für das Statement bei TeleTopauf jegliche Dialogik verzichtet wurde. Fragen wurden nicht mehr zugelassen. Das Votum wirkte entsprechend eingeübt und auswendig gelernt, das heisst: Es überzeugte viel weniger, als bei allen anderen freien Interviews, bei denen Gisel als Person die Sache recht gut gemacht hat.   
LINK:
https://www.blick.ch/news/wirtschaft/affaere-vincenz-fordert-bei-raiffeisen-das-naechste-opfer-darum-tritt-gisel-jetzt-zurueck-id8629721.html