Massenphänomen
Botellón
beschäftigt StadtregierungenInteressant ist festzustellen, dass dieses Phänomen nur schon sprachlich unterschiedlich gewertet wird. Es ist von Massentrinkerei, von Sauforgie, von Saufgelage, von Massenbesäufnis , von Massensauferei, von Massensuff, von Besäufnissen, Massenrausch, Trink-Party oder lediglich von Party die Rede, je nach Wertung des neuen Phänomens - das übrigens kaum mehr gebremst werden kann. Die Behörden scheinen es mit einem Kampf gegen Windmühlen zu tun zu haben. Die aufgebotenen Massen weichen auf andere Plätze aus und solche Massen sind kaum zu kontrollieren. Was tun? Das ist die grosse Frage.
Junge Leute, die sich zum «ungezwungenen Zusammensein» treffen wollen: «Schöne Stunden in einem öffentlichen Park», umschreibt Student Raphaël Lutz (24) «Botellón».
Die Realität sieht anders aus. Denn Botellón heisst vor allem:
Saufen bis zum Umfallen.
aus 20 Min-online:
«Botellón-Krise» auch in Bern
Kommentar: Das Phänomen Massenbesäufnis rüttelt nicht nur alle Stadtregierungen auf. Nachdem diese Bottellons aus Spanien auch in der Schweiz Fuss fassen. Uebers Internet können Tausende auf einen Platz beordert werden. Jeder bringt dein Getränk mit und nun taumelt sich die Menge in einem Massenrausch. Basel setzt auf Prävention. Nachdem diese Besäufnisse so einen grossen Zulauf haben, stellt man sich die Frage, wie man das Zeitproblem lösen kann. In allen grossen Städten sind solche Gelage vorgesehen. Was soll man tun?
Verbieten?
Mit Polizeikräften die Zusammenkünfte auflösen?
Die Botellons bewilligen lassen? Villeicht unter der Bedingung, dass ein Organisator haftbar gemacht werden kann für die Folgen?
Gewähren grosszügig lassen? (Ein Auge zudrücken)
Abfallberge
Kinder und Minderjährige, die zum Alkoholkonsum animiert werden
Gewalttaten, Sachbeschädigungen
Ich bin überzeugt, dass diese Zeiterscheinung (MAssenbesäufnis) ernst genommen werden muss. Nur gemeinsam werden die Kantone mit einer einheitlichen Reglung verhindern können, dass diese Treffen nach kurzer Zeit vom Gewohnheitsrecht profitieren. Denken wir an den Zauberlehrling. Es geht sehr schnell und man hat eine Situation plötzlich nicht mehr unter Kontrolle. Das hatte Zürich schon einmal erlebt mit dem Gewährenlassen des Drogenkonsums am Platzspitz.
punkt.ch:
Tausende von Jugendlichen verabreden sich zu Massenbesäufnissen in Schweizer Städten. Die Behörden reagieren völlig ratlos.
Massenbesäufnis nach spanischem Vorbild (Bild: Keystone)
Weit über 2000 Jugendliche haben sich auf der Internet-Plattform Facebook für den «1. Offiziellen Züri-Botellón » angemeldet – ein Massenbesäufnis nach spanischem Vorbild. Stattfinden soll es am 29. August auf der Zürcher Blatterwiese. Die Behörden wissen indes noch nicht, ob sie die saufenden Jugendlichen gewähren lassen sollen. «Das Phänomen ist neu für uns», sagt René Ruf, Sprecher der Stadtpolizei Zürich. «Wir werden eine rechtliche Analyse und laufend eine Lagebeurteilung vornehmen.»
Gelage in der Romandie
Massenbesäufnisse sind für den kommenden Freitag auch in Genf und am Samstag in Lausanne angesagt. Die erste «Botellón» der Schweiz fand Mitte Juli in Genf statt: Über 1000 Jugendliche betranken sich gemeinsam im Parc des Bastions und hinterliessen einen verwüsteten Park. Als die Behörden von einem zweiten geplanten Gelage Wind bekamen, sperrten sie die Anlage kurzerhand. Verzweifelt bemüht sich die Stadtregierung nun, für einen unvermeidbaren nächsten «Botellón » mit den Initianten wenigstens die Abfallentsorgung zu regeln.Das Phänomen des öffentlichen Massensaufens trat erstmals in den 90er-Jahren in Spanien auf. Der grösste «Botellón» fand 2004 in Sevilla statt: 70 000 Jugendliche betranken sich gemeinsam. Inzwischen hat das andalusische Regionalparlament ein «Anti-Botellón-Gesetz» beschlossen: Alkohol ist nur noch auf bestimmten Plätzen erlaubt, der Verkauf ist stark reglementiert. Beispiel eines Massenbesäufnisses:
K4 - 18.8.2008
Nachtrag Tagi online:
Jan macht blau - der Initiant des Kollektivsaufens meldet sich ab
Den Rückzug hat der KV-Stift gestern Dienstagabend auf seiner Facebook-Seite im Internet veröffentlicht: «Durch die einseitige, ungenaue und zum Teil falsche Berichterstattung der Medien, welche aus einem friedlichen Zusammentreffen ein ‹Massenbesäufnis› herbeigeschrieben haben, bin ich in eine Situation gekommen, in welcher ich den Aufruf zu diesem Botellón nicht mehr verantworten kann», schreibt er. Seine nachdrückliche Forderung nach Ordnung, Aufräumen und kontrolliertem Alkoholkonsum sei in keiner einzigen Zeitung erwähnt worden. Deshalb sehe er sich nicht mehr imstande, den Anlass weiterhin aufrechtzuerhalten, und ziehe sich als Organisator zurück, heisst es in der Mitteilung.
Nachtrag:
Die andere Sicht
Der Professor provoziert damit viele Leser:
«Unfug ist das Privileg der Jugendlichen auf dem Weg zur Anpassung»: Soziologe Kurt Imhof.
Ein Auszug aus Imhofs provokativen Thesen:
Das Erstaunliche ist wirklich, dass sich ausser tausend Leuten in Genf niemand auf diese Art betrunken hat. Aber Politik und Medien schon gross in Form sind. Deshalb meine erste These: Das Problem ist nicht das Massenbesäufnis. Sondern die Empörungsgemeinschaft der Massenbesäufnisskandalisierer.
Mit der öffentlichen Empörung wird das Massenbesäufnis eine selbsterfüllende Prophezeiung: Die Empörung über Massenbesäufnisempörung provoziert Massenbesäufnisse.
Nun, zunächst waren die Botellones in Spanien einfach eine Reaktion auf teurere Getränkepreise. Die Jugendlichen mixten darauf selbst. Also eine hoch pragmatische Lösung. Mehr war nicht. Bis die Medien sich empörten. Darauf trug man Städtemeisterschaften aus, welche Stadt mehr Säufer mobilisieren kann.
Geldmangel und Pragmatismus standen nur am Anfang. Nach der Medienberichterstattung müssen nun alle Jugendlichen hin. Jetzt wirds scharf. Wichtig für sie ist nicht mehr das Besäufnis, sondern der Kick der allgemeinen Empörung.
Massenbesäufnisse sind ein Adoleszenzphänomen.
Denn:
Unfug ist das Privileg der Jugendlichen auf dem Weg zur Anpassung. Früher gab es Halbstarke, später Woodstock. Das war nicht Massenbesäufnis, sondern Massensex. Also Nacktheit in der Öffentlichkeit plus Droge. Und zwar nicht konventionelle Drogen. Sondern unkonventionelle. Da muss man ängstliche Eltern schon fragen: Was ärgert ihr euch über eine Jugend, die zur konventionellsten aller Drogen greift? Kontrollierte Massenbesäufnisse sind die harmloseste Form!
Das ist doch der Witz, dass die allgemeine Moralisierung in der Verbotsgesellschaft nun der biedersten aller Drogen, dem Alkohol, wieder Protestpotenzial gibt.
Verbotsgesellschaft... stimmt das? Heute in der Zeit der Events?
Hinter jeder exzessiven Thematisierung von Jugendgewalt oder -suff steckt historisch gesehen immer dasselbe Motiv: die Angst der Erwachsenen vor ihrer Zukunft.
Eine unsichere Gesellschaft sucht sich Abweichende. Die man korrigieren muss. Um die alte Ordnung wiederherzustellen. Und die klassischen Ziele sind: Jugend, Fremde, Juden. Immer. Mit absoluter Berechenbarkeit.
Die Absicht aller klar denkenden Jugendlichen ist doch: andere Jugendliche zu begrabschen. Um was geht es sonst in dem Alter? Es geht darum, Kontakt zu schaffen, das Netzwerk ausbauen, es geht um Enthemmung. Das war schon immer das Problem der Jugendlichen: Enthemmung! Und dazu gibt es beim Besäufnis nun auch 5000 potenzielle Partner! Polizei! Feinde! Riesige Aufmerksamkeit! Das Besäufnis ist ein garantierter Erfolg.
Jugendliche, macht Massenbesäufnisse! Ihr könntet viel Dümmeres tun. Allerdings auch Klügeres.
Kommentar: Kurt Imhof spielt als Soziologieprofessor den Anwalt für den Massensuff! Viele werden sich ärgern.
Doch trifft es zu, dass sich Jugendliche von den Erwachsenen ablösen müssen und nach Möglichkeiten suchen, dies provokativ zu tun.
Es stimmt auch, dass das Katz und Mausspiel und vor allem die Medienpräsenz die Besäufnisse zusätzlich attraktivieren. Das zeigte sich auch schon bei den Demonstrationen am 1. Mai in Zürich. Die Kravallanten kamen dank der Medien zu einer Gratis Plattform.
Uebrigens: Es hat sich bereits in Spanien und nun auch in der Schweiz gezeigt, dass die Organisatoren das Besäufnis im Internet konret organisieren, sich dann aber vor der Veranstaltung als Verantwortlicher bewusst distanzieren und den Aufruf zurücknehmen. Damit können sie nicht mehr haftbar gemacht werden. Die Party findet jedoch trotzdem statt - nur lokal etwas verschoben.
Tagi-online:
Genf spendet WCs für Massenbesäufnis
Die Genfer Stadtregierung wird das für Freitagabend geplante Massenbesäufnis tolerieren.
Sie will den Spasstrinkern sogar Toiletten zur Verfügung stellen.Nachtrag 21. August 20 Min-online:
Botellón-Debatte
Jungsozialisten rufen zu Teilnahme an Botellón auf
Jungsozialisten outen sich als Botellón- Fans. Die Partei ruft dazu auf, die Verbote zu missachten.
Kommentar: Ob dies beiträgt, das angeschlagenen Image der SP zu verbessern? Ich denke: Das Gegenteil ist der Fall. Denn die breite Oeffentlichkeit wünscht sich bestimmt keine Massenbesäufnisse.
Nachtrag Blick-online (28.8.08):
Audio: Esther Maurer auf «Radio 1»