BR Leuenberger: Wie weit darf die Werbung gehen?
Aus nzz-online:
Der zweckentfremdete Bundesrat
Prominente ungefragt in der Werbung
Prominente werden von der Werbeindustrie gerne als Fotomodelle eingesetzt. Sie dienen dann etwa als Botschafter für ein Produkt oder illustrieren einen Sachverhalt. Doch nicht immer wissen sie vor der Veröffentlichung etwas davon.
Das Haar flott nach hinten gekämmt, der Hemdkragen offen und eine rosa Blume im Knopfloch: Viel attraktiver, so suggeriert ein Inserat, sehe neuerdings Bundesrat Moritz Leuenberger aus. Genauso erneuert wie die Wirtschaftszeitschrift «Bilanz», für deren Relaunch in der Anzeige geworben wird. Ist der Medienminister mit seinen Amtsgeschäften und seinem Blog zu wenig ausgelastet und ist daher noch Fotomodell geworden? Mitnichten.
Weder Leuenberger noch sein Departement wurde angefragt. Wo sind nun die Grenzen bei der Manipulation von persönlichen Fotos?
Kommentar: Es steht fest, dass BR Leuenberger nicht angefragt wurde, ob man sein Bild für Werbezwecke gebrauchen könne. Wie soll er sich nun verhalten?
Der Backenbart ist aufgemalt, die schwarzumrandete Brille in das Bild hineinmontiert. Die Haarpracht dürfte im realen Leben einen anderen Kopf krönen, sie ist dichter und die dazu gehörende Stirn ist eckiger als die des Bundesrates. Leuenberger ist nicht der einzige, auch Josef Ackermann, zurzeit Chef der Deutschen Bank, bekam ein neues Styling. Das Motiv der Anzeigen sei ja nicht herabsetzend, sagt «Bilanz»-Chefredaktor Dirk Schütz. Das Umstylen der Herren sei augenzwinkernd zu verstehen.
Nach nzz-online verlief eine Kampagne des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes anders. Vor Jahresfrist fanden sich die Bundesräte Couchepin, Blocher und Merz sowie weitere Politiker als Sujet wieder. Ihre Köpfe waren in einer Bildmontage auf die Körper von Behinderten gesetzt worden. Damit warb der Gewerkschaftsbund für ein Nein bei der Abstimmung zur 5. IV-Revision. Brisant war dabei, dass die Kampagne nicht die Meinung der Abgebildeten wiedergab. Weder die betroffenen Behinderten, noch die Politiker hatten zur Verwendung ihrer Bilder ihre Einwilligung gegeben.
Unsere Landesväter sind in guter Gesellschaft. Gegenwärtig wirbt auch der amerikanische Präsident, ohne davon zu wissen, für die neue evangelisch-reformierte Zeitung «reformiert». «Muss man seine Feinde wirklich lieben?», scheint er leicht gequält zu fragen. Die Sängerinnen Madonna und Kylie Minogue werben in Inseraten als Taxifahrgäste für das Zürcher Radio Energie.
Gibt es ein Recht am eigenen Bild bei Prominenten?
Personen der Zeitgeschichte, so der Fachjargon für Prominente, stehen im öffentlichen Interesse. Dazu gehören Politikern, Wirtschaftsführer, Sportler und weitere Berühmtheiten. Sie können ungefragt im Rahmen ihrer Tätigkeiten abgebildet werden – sofern es sich um eine publizistische Berichterstattung handelt. Auch Abbildungen aus dem Privatleben müssen sie sich gefallen lassen, etwa wenn, wie in den USA geschehen, ein Politiker gegen Homosexuelle zu Felde zieht und später aber in einem einschlägigen Etablissement gesehen wird. Das Recht am eigenen Bild ist also für Prominente relativ. Doch auch sie haben ein Recht auf eine Privatsphäre. Die Bilder sollten stets Informationszwecken oder als Illustration eines Sachverhalts dienen.
Im Bereich kommerzielle Kommunikation gelten nach übereinstimmenden Angaben von Experten andere Regeln als bei einer Medienberichterstattung.
Es gebe in der Werbung keine Rechtfertigung, eine Person des öffentlichen Interesses ohne ihre Zustimmung abzubilden. Das wissen die Agenturen natürlich schon und sie sind auch verpflichtet, ihre Auftraggeber darauf hinzuweisen. In den meisten Fällen, so der Rechtskonsulent der Schweizer Werbung, Marc Schwenninger, passiere nichts. Viele Prominente möchten sich nicht mit Klagen exponieren oder als humorlos gelten. In etwa acht Prozent der Fälle lasse sich die Angelegenheit einfach regeln. In die Allgemeinsprache übersetzt bedeutet dies meistens, dass eine bestimmte Summe aus der Portokasse im Namen der abgebildeten Person an eine wohltätige Institution gespendet wird.
Manchmal gibt es auch originelle Entschädigungen: Bekannt wurde die Kampagne der Autoverleihfirma Sixt, die mit Angela Merkels zerzauster Sturmfrisur für den Verleih von Cabriolets warb. Merkel reagierte mit Humor und liess in einem Interview durchblicken, dass sie sehr gerne einmal dieses Auto fahren würde. Die Firma reagierte, indem sie Merkel den Wagen für einen Monat zur Verfügung stellte.
Nicht alle Persönlichkeiten reagieren so gelassen wie die deutsche Bundeskanzlerin.
In der Schweiz seien es allerdings weniger als zwei Prozent der Fälle, in denen die Juristen bemüht werden, sagt Schwenninger. Und meistens finden solche Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, die Kampagnen werden darauf diskret zurückgezogen. Nicht so in Deutschland, wo Oskar Lafontaine von einem Hamburger Gericht 100'000 Euro zugesprochen erhielt. Der damalige SPD-Politiker hatte wegen der Verwendung seines Bildes für Werbezwecke geklagt. Allerdings hob der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Urteil später wieder auf. Er stellte Werbung, die politische Geschehnisse aufgreift, über den kommerziellen Aspekt des Persönlichkeitsrechts.
Boris Becker hingegen holte mit einer Klage 1,2 Millionen Euro heraus. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ hatte anlässlich der Lancierung der Sonntagsausgabe eine Nullnummer gedruckt. Auf der Titelseite war ein Bild Beckers unter der Schlagzeile «Der strauchelnde Liebling» zu sehen.
Ein solcher Artikel war jedoch nie publiziert worden. Die Richter gaben Becker recht: Die FAZ habe den Tennisstar ungefragt zum Blickfang seiner Werbekampagne gemacht.
In der Schweiz reagieren die Abgebildeten meistens gelassen und pochen weniger auf das Recht am eigenen Bild. Zwar reagiere in der Regel die Bundeskanzlei, wenn Politiker betroffen seien, sagt Rechtsanwalt Schwenninger.
Im Fall von Moritz Leuenberger hätte das Uvek aktiv werden können. Bisher sei jedoch keine Reaktion eingetroffen, sagte Dirk Schütz. Der Bundesrat selbst will weder das Bild noch die Kampagne kommentieren.
Ende Zitat nzz- online
Kommentar: Ich würde Moritz Leuenberger raten, mit den Werbern zu reden. Es ist denkbar, dass er auch einen Betrag für eine Spende heraushandeln kann. Mit einer Beschwerde und einem Medienwirbel würde sein Image als origineller, kreativer Magistrat Einbusse erleiden. Wir erinnern an sein Verhalten, als ihn ein Junge am Strand mit der Badehose aufgenommen hatte. Darüber berichteten wir ausführlich in www.rhetorik AKTUELL vom 29. April 06 . Leuenberger verzichtete damals auf eine offizielle Beschwerde.