Schade: Finanzminister Merz wird zum Zauderer
Hans -Rudolf Merz hatte nach der Herzoperation eine sehr gute Reputation und war als Bundesrat in der Oeffentlichkeit beliebt. Jetzt wird er nun hart kritisiert. Die Medien werfen ihm im Zusammenhang mit den UBS-Pannen vor, er zaudere, laviere und warte zu lange, bis er konkret handle. Sein Ausraster nach dem Vorwurf, er habe in der UBS Krise zu spät gehandelt, machte die Oeffentlichkeit stutzig. Seine billige Rechtfertigung mit dem vorgegebenen Sitzungsrhythmus war mehr als peinlich. In Krisen kann man nicht abwarten, bis zu einem nächsten Sitzungstermin.
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Es kann und darf nicht sein, dass unsere Regierung in Krisensituationen (es handelt sich um eine veritable Wirtschaft- und Finanzkrise, die sich nun auch zu einer Führungskrise entwickelt) - keinen Krisenstab bestimmt hat.
Botschafter Borer brachte diese Manko in der gestrigen ARENA auf den Punkt: Er verglich das Verhalten mit dem Einsatz der Feuerwehr in einem Brandfall. Er sagte, es wäre lächerlich, wenn ein Feuerwehrkommandant mit seinen Offizieren zuerst eine Sitzung einberufen würde, um tagelang zu diskutieren und zu überlegen, wie man den Brand am besten bekämpfen solle. Uebertragen auf die Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten weiss der Bundesrat schon lange, dass es brennt.
Was machte jedoch Bundesrat Merz? Er bestimmte einen Ausschuss, der überlegt, wie das Feuer gelöscht werden soll. Es ist unverständlich, wenn der Bundespräsident in der aktuellen alarmierenden Situation die Hände in den Schoss legt, nachdem er vorschnell und unbedacht bei der heikelsten Frage die Daten von UBS Kunden rechtswidrig dem US -Justizministerium zukommen liess. Der Bundesrat trägt eine Mitschuld, wenn das Bundesverfassungsgericht desavouiert und das Bankgeheimnis rechtwidrig ausgehebelt werden konnte.
Zu Recht lesen wir heute in der Tagespresse, der Bundesrat verkenne die politische Dimension und wundere sich, wenn das Problem immer grösser werde.
Es zeigt sich, dass der Bundesrat zu einer führungslosen Gruppe von Einzelkämpfern mutiert, die keine Ahnung hat von Krisen- und Kommuniktionsmanagement.
Früher wurde Bundesrat Blocher vorgeworfen, er halte sich nicht ans Kollegialprinzip. Der neue Bundesrat ist es nun, der laufend Auseinandersetzung öffentlich austrägt und jeder gegen jeden kämpft. Das jüngste Beispiel:
Der Zoff zwischen Merz und Calmy-Rey steht im Tagi online:
Merz wolle Botschafter Alexander Karrer als Leiter der Task Force Bankgeheimnis einsetzen. Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sei jedoch mit dieser Besetzung nicht einverstanden, schreibe die Westschweizer Zeitung «Le Temps».
Nachtrag Blick 2. März:
Wir warten gespannt, wie es morgen tönt.
Nachtrag von Politologin Regula Stämpfli
Und was sagen Politik-Experten? Blick.ch fragte die Politologin Regula Stämpfli, die derzeit in Brüssel arbeitet, und Georg Lutz in Lausanne.
Blick.ch: Reicht die Task Force aus den Bundesräten Merz, Calmy-Rey und Widmer-Schlumpf?
Regula Stämpfli: Es ist ja nicht mal eine richtige Task Force, sondern eine sogenannte Arbeitsgruppe. Aber immerhin: Es ist besser als nichts. Doch zur Krisenbewältigung braucht es mehr.
Georg Lutz: Wichtig ist nicht die Form, sondern dass jemand die Verantwortung übernimmt. Das Problem ist aber eher, dass man nicht weiss, was der Bundesrat überhaupt will.
Braucht es einen stärkeren Bundespräsidenten? Mit mehr Kompetenzen und längerer Amtszeit?
Georg Lutz: Es scheint, dass man sich im Bundesrat hintereinander versteckt. Ein stärkeres Bundespräsidentamt wäre eine Möglichkeit, sichtbare Verantwortlichkeiten zu schaffen. Man muss dann das Amt aber auch mit Kompetenzen ausstatten, sonst bringt es nichts.
Regula Stämpfli: Nein. Aber es wäre klug, Finanzminister Merz von seinem Präsidentenamt zu entlasten und dieses ad interim Bundesrat Couchepin zu übergeben und Widmer-Schlumpf als Co-Leitung ins Finanzdepartement zu holen. Hans-Rudolf Merz, so haben die letzten Wochen gezeigt, ist als Alleinverantwortlicher für die jetzige Krise völlig ungeeignet.
Hätte der Bundesrat aus dem Swissair-Grounding Lehren ziehen müssen, die jetzt brauchbar wären? Warum wurden solche Lehren nicht gezogen?
Regula Stämpfli: Die Mächtigen in der Schweiz haben viel zu lange auf Selbstzufriedenheit und Sturheit geschaltet. Früher war die Schweiz mal klein und fein. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich die Schweizer Regierung nur noch mit sich selbst beschäftigt. Deshalb ist die Schweiz zumindest in der Politik heute nicht mehr fein, sondern nur noch verdammt klein.
Georg Lutz: Wenn man einem Bundespräsidenten mehr Macht geben will, dann muss man die Macht der sechs anderen beschneiden. Das ist sowohl im Bundesrat als auch im Parlament schwierig durchzusetzen.