Zur 2. TV Debatte zwischen Obama/Romney in Hempstead (Bundesstaat New York):
Obama hat nicht nur Boden gut gemacht. Er ist eindeutiger Sieger.
Obama und Romney waren in den Staaten während Wochen auf allen Kanälen zu sehen. Täglich gab es Werbefilme, insgesamt 400000 Werbespots. Dies ist gleichsam ein medialer Overkill. Hinter dieser Werbewalze steckten unzählige Spender. 6 Milliarden Dollar kostet der Wahlkampf allein auf nationaler Ebene.
Nach dem schlechten Abscheiden Obamas im 1. Duell und dem erfreulichen Konter von Biden stieg nun die Spannung vor der zweiten Auseinandersetzung, denn keiner der Kandidaten führte eindeutig.
Obama konnte sich beim zweiten Duell keinen Flop mehr leisten.
Die 2. Debatte wird somit richtungsweisend sein. Vor allem weil die ThemenWirtschaft und Energie debattiert werden, steht nun für Obama viel auf dem Spiel. Er muss auch auf aussenpolitische Fragen gerüstet sein.
Vor dem zweiten Duell suchte ich Antworten auf folgende Fragen:
- Geht Obama im in der zweiten Runde in die Offensive, wie es alle erwarten?
- Deckt er in diesem Duell die Falschaussagen Romneys auf?
- Fragt er ihn, wie er die versprochene Steuererleichterung bezahlen will?
- Ist der Ausgang eindeutig? Falls es nämlich vor den Wahlen zu einer Patt-Situation käme, könnte es - wie im Jahre 2000 - zu einem Chaos kommen. Damals hatte George W. Bush bei den Wählern die Gunst verloren. Der knappe Ausgang führte damals zu einem Hickhack und Beschwerden. Obama darf deshalb auf keinen Fall nur mit einem hauchdünnen Vorsprung über die Ziellinie kriechen. Der Druck für ihn ist enorm.
- Kann Obama das Gelernte aus den drei Tagen Debattentraining umsetzen (Er wurde in Wiliansburg/im Bundesstaat Virginia gecoacht)?
- Wie frei spricht er beim zweiten Duell, mit einem neuen Setting und dem Mikrofon in einer Hand - wiederum ohne Teleprompter?
(Die Wahlkampfleiterin Obamas, Jen Psaki liess vor dem Duell verlauten, der Präsident sei voll Energie und er werde seine Sache leidenschaftlich vertreten).
Obama müsste eigentlich bei der heutigen Debatte die Schwachstellen Romneys offen legen, seine unbedachten 47% Aussage, seine Vergangenheit bei der Firma Bain Capital, die Heimlichtuerei bei seinen Steuerdaten.
- Was mich vor allem beim zweiten Duell interessieren wird: Wie wirken die Akteuren bei der zweiten Debatte hinsichtlich Glaubwürdigkeit, der rhetorische Auftrittskompetenz und Ueberzeugungskraft?
Uebrigens soll sich Mitt Romney in seinem Haus in Belmont (einem Vorort von Boston) ebenfalls sehr gut vorbereitet haben.
Ich frage mich bei ihm, ob er auf die Drohnenangriffe - bei denen zahlreichen Zivilisten getötet wurden - auch zu sprechen kommt?
Oder: Wird Romney beim heutigen Duell alle Versprechen konkret auflisten, die Obama nicht einhalten konnte?
______________________
Aus meiner Sicht wäre beim zweiten Schlagabtausch für Obama Folgendes wichtig:
- Er muss EINDEUTIG besser abschneiden als sein Gegner
- Er ist gezwungen, das Heil in der Offensive zu suchen.
- Er darf sich nicht mehr so passiv verhalten, wie im ersten Streitgespräch. Die Strategie, auf Attacken zu verzichten, sich versöhnlich und nett zu verhalten zahlte sich nicht taus. Das offensive Verhalten könnte anderseits auch gefährlich werden, falls er übertreibt.
- Als amtierender Präsident ist Obama in einem Dilemma. Er muss angriffig sein und dennoch staatsmännisch wirken.
- Er müsste vor allem seine dialogische Stärke nutzen bei der Beantwortung der Fragen aus dem Publikum.
- Obwohl Obama den Favoritenstatus nicht mehr zurückerobern kann (beide Kandidaten haben bislang bei der Bevölkerung viel an Vertrauen eingebüsst, würde Obama zusätzlich punkten, wenn er überzeugend darlegen könnte, dass die Wähler Romney mehr misstrauen müssten, als ihm selbst.
______________
Zur Auftrittskompetenz der beiden - während des Duells:
Bei Kurzanalysen lohnt es sich einen Auftritt nach der AAA Formel zu überprüfen.
Das erste A = Anfang (Start, Auftakt). Das zweite A = Aussage (Kernbotschaft) und das dritte A = Abschluss.
Zum Anfang (Start):
Der Anfang wirkte wie antrainiert, zu stark eingeübt. Das Lachen, die Begrüssungszeremonie, das sich gegenseitig Berühren, das Winken. Alles synchron.
Im Unterschied zum Start beim ersten Duell - als Romney mit einem schlagfertigen Konter sofort gepunktet hatte - greift nun im zweiten Duell Obama Romney sofort an:
Er habe keinen 5 Punkte Plan. Er haber nur einen 1 Punkte Plan: Die Reichen zahlen weniger Steuern.
Zur Aussage (Kernbotschaft) der Kontrahenten:
Romneys Botschaft lautet immer wieder: Ich werde den Mittelstand stärken!
Obamas Botschaft: Ich will Schlupflöcher schliessen und werde die Arbeitsplätze in den Staaten schaffen, nicht im Ausland. Wir müssen unbedingt alternativen Energien nutzen!
Beim Abschluss versucht sich Romney - der eher kühl wirkt - bewusst als Christ, Prediger und Familienfreund darzustellen. Er unterstreicht sehr gezielt seine menschliche Seite.
Im Schlussstatement gelingt es Obama erstaunlich gut, glaubwürdig die Bevölkerunganzusprechen. Er kann im Schlussspurt ihre Herzen für sich zu gewinnen.
Generell wirkt Obama natürlicher und sicherer als Romney. Er versteht es, mit natürlicher Gestik und Mimik vor allem mit seinem Blick eine kommunikative Brücke auf zu bauen. Er muss es gespürt haben, dass er besser ankommt. Dies beflügelt ihn. Romneys Haltung wirkt für mich steifer als beim ersten Auftritt. Das zeigt sich auch beim Drehen des Kopfes und bei der Gestik.
Das zweite Duell ist lebendiger und hat trotz aller Vorschriften einige überraschende Passagen.
Ich zitiere die Sequenz um 0415 Uhr :
«An den Tagen nach dem Anschlag waren Sie bei Wahlveranstaltungen.» Ein Tiefschlag von Romney – und ein Fehler: «Am Tag nach dem Anschlag stand ich im Garten vor dem Weissen Haus und nannte das einen Terroranschlag.»
Romney beharrt: «Sie brauchten 14 Tage, um das einen Terroranschlag zu nennen.» Und jetzt geschieht etwas fast Unerhörtes: Moderatorin Crowley korrigiert den Kandidaten! «Der Präsident sprach tatsächlich von einem Terroranschlag.» Es gibt Applaus. Und Obama sagt fast erleichtert: «Können Sie das etwas lauter wiederholen, Candy?»
Ende Zitat
Beide Akteure müssen Stresssituation meistern. Vor allem, wenn die führungsstarke Moderatorin die Kandidaten in die Schranken weist.
Es gibt übrigens auch an diesem Duell auf beiden Seiten Halbwahrheiten und Lügen.
Zur Kleidersprache:
Im ersten Duell waren beide bereits staatsmännisch gekleidet. Perfekter Massanzug, weisses Hemd. Obama mit blauer und Romney mit roter Kravatte. Beim Fussball wurde festgestellt, dass die Mannschaften in rot eher gewinnen. Es ginge zu weit zu sagen, Obama habe sich bei der letzten Auseinandersetzung vom ROT Romeys einschüchtern lassen.
Jedenfalls ist es interessant, dass bei diesem Duell Obama nun die ROTE (dunkelrote) Kravatte trägt und Romney BLAU wählte, wiederum mit Streifen. Der Duellant mit der roten Kravatte siegt erstaunlicherweise in diesem Duell.
Im Time Magazin war vor dem Duell zu lesen, dass es eine geheime Vereinbarung zwischen den Kontrahenten gegeben haben soll. Nicht nur, wie man sich zu verhalten habe. Es soll darin sogar die Bewegungen geregelt worden sein. Wenn eine Frage gestellt wird, dürfen die Fragesteller nicht mehr nachgehaken. Bei der Kameraführung ist es nicht gestattet den Kandidaten, der zuhört in den Fokus zu nehmen.
Dadurch wird Unvorhergesehenes seltener, steriler.
Als ich das gelesen hatte, rechnete ich damit, dass die zweite Debatte langweilig werde. Erstaunlicherweise ist dies nun nicht der Fall. Im Duell kommt es zu zahlreichen spannenden Szenen. Zeitweise herrscht eine bissige Stimmung. Die Akteure unterbrechen sich sogar. Es kommt unerwarteter Weise - trotz zahlreicher Auflagen - zum Schlagabtausch.
Romney und Obama zeigen in dieser Debatte Debatte ab und zu Stressignale.
Scharfer Kontrast in der Wirtschaftspolitik
Präsident Obama und Mitt Romney haben konträre Auffassungen darüber, welche Rolle der Staat in der Wirtschaft spielen soll. Obama will, dass Washington mehr tut, um die Wirtschaft anzuschieben, während Romney möglichst viel Geld in den Taschen der Bürger lassen will. Mehr...Aus NZZ
Allgemeine Beobachtungen:
Romney hat wieder ein Problem mit seinen Sprüchen, wie beispielsweise bei jener Sequenz, bei der er sagt:
Der Präsident habe dafür die Umweltorganisationen übernehmen lassen. «In North Dakota kriminalisierten sie die dortigen Erdölfirmen. Aus welchem Grund? Weil 25 Vögel starben.»
Romney muss aufpassen mit solchen Sprüchen. 25 Vögel sind womöglich ihm egal. Aber im Volk verstärkt so eine Aussage die Kälte, die er immer wieder ausstrahlt.
.
TV-Duell Twitter-Sturm gegen Romney
Zur hölzernen Rhetorik Romneys:
Der Herausforderer ist für seine unbedachten Spontanäusserungen bekannt. Die Geschichte mit der Mappe voller Frauen setzt sich Romney einmal mehr in die Nesseln. Im Grunde wollte er zeigen, dass er sich für Frauen stark macht.
Aber er äusserte sich ungeschickt.
Genereller Eindruck Obamas:
Obama ist entspannter
präsenter gewesen
Offensiv und dennoch staatsmännisch,
souverän,
schlagfertig,
überlegen.
Harte Kritik prallt an ihm ab.
Obama greift insgesamt sieben Mal Romney frontal an, zum Teil auch auch mit Zwischenrufen:
"Was Gouverneur Romney sagt, ist einfach nicht wahr!!
Romney ist zwar auch recht angriffig. Er holt dadurch Punkte.
Man merkt, dass er den Spagat schaffen muss zwischen den Konservativen in seiner Partei und der Mittelschicht, die er ansprechen muss. Dies scheint ihn zu bremsen.
Romnys Problem ist und bleibt seine Glaubwürdigkeit.
Nach dem Bengasi Patzer sah er mitgenommen aus (Schweiss, geschwollene Adern)
Fazit: Obama hat das zweite Duell geprägt und aus meiner Sicht eindeutig gewonnen.Man könnte vielleicht von einem technischen K.O. sprechen. Es wird möglicherweise auch Experten geben, die das Duell als Patt situation sehen. Der Wahlausgang bleibt so oder so spannend und offen. Der dritte Schlagabtausch muss die Situation klären. Und nachher entscheidet am Schluss erst die endgültige Wahl. Das Rennen ist noch nicht gelaufen.
*********************
65,6 Millionen Zuschauer
Rund 65,6 Millionen Menschen haben in den USA das zweite Fernsehduell zwischen Präsident Barack Obama und seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney im Fernsehen verfolgt. Das ergibt sich aus einer am Mittwoch veröffentlichten Auswertung der Firma Nielsen. Nach Angaben des Unternehmens, das auf die Erfassung der Reichweite von Fernsehsendungen spezialisiert ist, wurde das Duell auf zehn Kanälen live und auf zwei weiteren als Aufzeichnung verbreitet.
Das erste TV-Duell zwischen Obama und Romney am 3. Oktober wurde von 67 Millionen US-Bürgern verfolgt. Eine Rekordzuschauerzahl hatte mit 80,6 Millionen Menschen das Duell zwischen dem damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter und dem Republikaner Ronald Reagan im Oktober 1980 erzielt. (sda)
Nachtrag:
Aus die ZEIT:
Moderatorin heimliche Siegerin des Obama-Romney-Duells
Kommentar: Candy Crowley war super. Sie weiss was MODERIEREN heisst: Führen mit langer und kurzer Leine! BRAVO! Falls die Moderatorin jedoch verantwortlich gemacht werden könnte für die Fragen, die dilletantisch vorgetragen resp. abgelesen worden sind, müsste ich mein Lob relativieren.
Aus Bild:
2. TV-Duell in den USA Obama bläst zum Angriff
Mitt Romney patzt in Libyen-Frage +++ Debatten-Experte zu BILD.de: „Das war eine wirklich gute Nacht für den Präsidenten“
Beim zweiten (und vorletzten) TV-Duell stellten sich der US-Präsident und sein Herausforderer den Fragen unentschlossener Wähler und denen von CNN-Moderatorin Candy Crowley (63).
Im Vergleich zum ersten TV-Duell am 3. Oktober zeigte sich in der Universität von Hempstead (US-Staat New York) ein deutlich aggressiverer US-Präsident. Immer wieder fiel er seinem Herausforderer ins Wort. „Stimmt nicht, Gouverneur Romney”, mahnte Obama beim Thema Energiepolitik. Romney habe die Autoindustrie in den Bankrott treiben wollen, er aber habe sie gerettet, so Obama. Einen 5-Punkte-Plan? Nein, den habe Romney auch nicht, behauptet der Demokrat. „Er hat einen Ein-Punkte-Plan: Die Reichen bezahlen weniger Steuern.“
Beim Thema Libyen leistet sich Romney dann auch noch einen Patzer und Obama macht staatsmännisch klar: „Ich bin der Präsident.“
Das Fazit: „Das war eine wirklich gute Nacht für den Präsidenten, sagt David Steinberg von der University of Miami. „Obama wirkte sehr optimistisch, sehr kompetent und zeigte sich als starke Führungspersönlichkeit. Auf viele Fragen hatte er einfach die detaillierteren Antworten.“
20 min:
Aus Spiegel:
WER LIEFERTE DEN SCHLIMMSTEN FAUXPAS?
Romneys Bengasi-Flop. Zweiter Platz: Beim Versuch, mit weiblichen Wählern zu punkten, erzählte Romney eine Anekdote aus seiner Zeit als Gouverneur von Massachusetts. Als er Bewerbungen für sein Kabinett gesichtet habe, seien das "alles Männer" gewesen. Darauf habe er gesagt: "Können wir nicht ein paar Frauen finden, die auch qualifiziert sind?" Seine Helfer hätten ihm daraufhin "Ordner voller Frauen gebracht". Der Ausdruck "binders full of women" verbreitete sich sofort ebenso rasend wie spöttisch durchs Internet und ließ Twitter geradezu explodieren. Obama nutzte die Frage nach den Frauen seinerseits geschickt, um die restriktive Frauen- und Abtreibungspolitik der Republikaner herauszustellen - ein Thema, das in der letzten Debatte zu kurz gekommen war.
WAS WAR DER BESTE MOMENT?
Da fällt die Wahl schwer. Es ging schon rasant los, als Crowley den Präsidenten fragte, ob es wirklich in der Macht der Regierung liege, die Spritpreise zu senken. Obama nutzte die Steilvorlage, um seine Energiepolitik zu preisen, das klang erst langweilig, doch dann wurde es auf einmal munter. Romney unterbrach Obama trotzig, es entspann sich ein heftiges Hin und Her, beide beharkten sich, standen von ihren Hockern auf, gingen geradezu drohend aufeinander zu. Romney bellte: "Beantworten Sie die Frage!" Und: "Ich bin noch nicht fertig." Es war der erste dramatische Moment dieses Abends und setzte somit den restlichen Ton.
Weitere Top-Momente: Obamas Zwischenruf, als Romney später schon wieder dazwischen redete ("Candy, ich bin dran gewöhnt, unterbrochen zu werden"). Und, an den mutmaßlichen Outsourcer und China-Profiteur Romney: "Gouverneur, Sie sind die letzte Person, die hart gegen China durchgreifen würde." Romney versuchte sich zu revanchieren, indem er Obama vorhielt, seine Rente sei doch ebenfalls teilweise im Ausland investiert. Darauf Obama: "Gouverneur, ich gucke nicht so oft in meine Rente. Sie ist nicht so groß wie Ihre."