Dienstag, 4. April 2023

Analyse Ermotti

 
Kommunikationscheck des neuen UBS Kapitäns Sergio Ermotti


von Marcus Knill

Als oberster Chef der neuen Megabank kam nur ein erfahrener Banker mit internationalem Ansehen in Frage,  vor allem ein Schweizer, der Vertrauen ausstrahlt. So wurde ein ausgewiesener Kenner der Bank an die Konzernspitze geholt. Unter ihm erfolgte bereits die erfolgreiche Transformation der UBS nach der Finanzkrise. Die Herausforderung  der neuen Situation fordert Vertrauen in die Führungspersönlichkeit. Bankenexperte Dittli unterstreicht: „Die Kommunikation nach innen und aussen wird zentral sein.“ Hier nun ein kurzer Check der  kommunikativen Kompetenz des neuen CEOs:

Ex-UBS-Chef Ermotti: "Schweiz braucht nicht zwei Grossbanken"


- Erster Eindruck

Ermotti ist  stets von Scheitel bis zur Sohle  gepflegt. Er kleidet sich situationsgerecht, wirkt sympathisch, nicht abgehoben, hat Charisma und sieht aus wie George Clooney.

- Der Ruf (Image) des Vollblutbankers

Laut Bankexperte Thomas Matter hat Ermotti „eine hervorragende Reputation.“
Sein Führungsstil gilt  als hart. Er hat keine Mühe, auf Fehler hinzuweisen. Ehemalige Mitarbeiter finden, er sei auch einfühlsam und spontan. Er könne aber auch aufbrausend sein.
(Quelle NZZ)
Seine Photos als  Jogger geben den Leuten das Gefühl: „Ich bin einer von Euch.“
Ermotti gilt als ehrgeizig, eitel aber nicht abgehoben.
 

- Medienrhetorische Aspekte

2020 analysierte ich Ermotti beim TV Gefäss „Gredig - direkt“.
Schon da fiel seine dialogische Stärke auf. Der Banker  hatte eine freundliche Grundhaltung. Er überzeugte  als guter Zuhörer (Augenkontakt *Brücke zum DU“). Die Fernsehkonsumenten fühlten sich angesprochen. Leider fixierte er bei diesem Auftritt meist die Hände, als habe ihm ein Coach beigebracht, die Gestik  zu unterbinden. Es ist ein Irrglaube, wenn jemand denkt, wer seine Hände  fasst, wirke gefasst.  Wer die Finger verzahnt, blockiert die Gestik und wirkt weniger offen.
Beachtenswert fand ich Ermottis Antworttechnik. Er brachte seine Aussagen auf den Punkt. Gedanke - Pause -  neuer Gedanke.

In der letzten Medienkonferenz war bei Ermotti seine Spannung wiederum nur an den Händen zu erkennen. Die Finger waren verschränkt, fixiert. Doch ein Daumen baute den Stress ab. Während des Sprechens streichelte Ermotti mit einem Daumen den anderen. Der Kameramann hätte dieses Stresssignal mit dem Zoom vergrössern können. Es wurde  aber vom Fernsehen weder, vergrössert  noch ausgeklammert. Dieses Detail zeigt uns, dass  den Profi die bevorstehende  schwierige Situation herausfordert. Was können wir tun in solchen Stesssituationen? Bevor wir sprechen, immer prüfen: Bin ich locker? Fixiere ich die Gestik? Angela Merkel zelebrierte den Start mit ihrer legendären Raute. Die Finger berührten sich nur, waren nicht verzahnt. Dadurch folgte  beim Sprechen eine natürliche Gestik.  Der Körper kann so  die Spannung vor allem mit synchronen  Bewegungen abbauen. Wer die Gestik unterbindet, macht  unpassende Bewegungen, ohne die Aussage zu unterstreichen. Während des Sprechens dürfen wir nie an die Gestik denken. Sie kommt automatisch.
Wer 100%ig präsent ist, fokussiert sich  beim Sprechen nur aufs  Denken und Zuhören und klammert alle Nebengedanken aus.

- Ueberzeugungskraft

Drei  Ebenen beeinflussen die Ueberzeugungskraft: Die der Person, die der Stimme, und die der verständlichen Botschaft. Bei Sergio P.  Ermotti sind es vor allem die Persönlichkeit und die sonore angenehme Stimme. (Radiostimme).

- Verständlichkeit

Bei Ermotti erkennt man bei Auftritten, dass er  Tessiner Wurzeln hat. Vor Mikrofon und Kamera kann er  italienisch, deutsch, englisch und französisch frei sprechen.
Er formuliert einfach und klar mit vorbildlicher Pausentechnik.
Wenn er bei Referaten vom Manuskript abliest, versteht er es, den Text gleichsam neu zu „gebären“. Dank der deutlichen Pausen gelingt  ihm der Augenkontakt mit dem Publikum. Seine Gedanken sind dadurch nachvollziehbarer.
   
- Ermotti hat aus Fehlern gelernt

Ich erinnere an den unbedachten, emotionalen Brief Ermottis vom Oktober 2012, der  nicht gut angekommen ist.
Hinter den Bankmauern der UBS rumorte es zu jener Zeit. Die Medien berichteten über einen möglichen Abbau von bis 10 000  Jobs.  UBS-Chef Sergio Ermotti wendete sich laut Sonntagspresse umgehend schriftlich an die weltweit 63’500 Mitarbeitenden. Der emotional aufgeladene Brief hatte es in sich: Er sei „persönlich enttäuscht“ über Leute in der Bank, die zu solchen Spekulationen beitragen, schrieb Ermotti. Diese Mitarbeitenden würden „unverantwortlich oder lediglich in ihrem eigenen Interesse handeln.“  20 Min kommentierte damals:   „Er geisselt die ganze Belegschaft, anstatt erst nach dem Ursprung des Informationslecks zu suchen.“  Das UBS Personal werde zu Recht „stocksauer“sein.



 
Nach dieser Ueberreaktion habe ich bei  Ermotti keine weiteren  Patzer bei Kommunikationsprozessen entdecken können. Das bestätigt: Wo gearbeitet wird, kann es Fehler geben, aus denen zu lernen ist. Die Fähigkeit, sich laufend zu verbessern, ist eine Stärke. (Verbesserungsmanagement)
Sergio P. Ermotti überzeugt auch,  dank seiner Selbskritikfähigkeit und dem Mut, neue schwierige Aufgaben anzupacken.

Entwurf für SN Artikel