Sonntag, 20. Januar 2013

Eiszeit auf den Strassen

Alle, die gestern noch vor dem BLITZEIS nach Hause gekommen sind, können sich glücklich schätzen.



Kommentar: K+K befähigt Sie, damit Sie auf dem 
"rhetorischen Glatteis"
Ihr Gesicht wahren können, ohne auszurutschen.
Ich spreche von heiklen Gesprächssituationen.

Dschungel-TV: Und sie schauen, schauen und schauen


Weshalb interessiert es Millionen, was diese Wochen im Dschungelcamp "Ich bin ein Star holt mich hier raus" (RTL) ausgestrahlt wurde. Dies ist ein Phänomen. Ich wollte er ergründen.


- Gucken Sie auch Dschungel?  Falls Sie Millionen Publikum zählen: Würden Sie es auch damit begründen, dass  Sie  nur zufälligerweise zugeguckt haben, um im Freundeskreis mitreden zu können?


Die Gründe des Zuschauererfolges einer derart abstrusen Sendung beschäftigen seit Jahren Psychologen, Medienspezialisten und Experten.
- Ist es Fremdschämen, Voyeurismus, Neugierde, Schadenfreude oder sind es die gruppendynamischen Prozesse?
- Weil in der Boulevardpresse die Vorkommnisse kommentiert werden, könnte möglicherweise auch der Medienverbund dazu führen, dass man an den "B-promis" im australischen Dschungel nicht vorbeischauen kann? Denn "alle" reden und schreiben darüber. " Die Sendung wurde zwar vor Jahren als "Unterschichtenfernsehen mit Meta Ebene" bezeichnet.
Das greift etwas zu kurz, denn die Dialoge und Teamprozesse, das Entblössende, die Ekelszenen verhindern ein Wegzappen auch bei den Mittel- und Oberschichten. Das Interesse an der sonderbar inszenierten Sendung lebt mitunter vom Buschfieber. Die Kulisse ist wie eine Traum- oder Märchenwelt. Die Moderatoren spielen  eine absurde Rolle. Wer eingeschaltet hat, bleibt  und schaut einfach weiter zu, so, als ob man das Geschehen im Garten des Nachbarhauses betrachtet. Dazu kommt, dass Zuschauer mitbestimmen dürfen, wer ausscheiden muss. Das Voting ist  nicht gratis und für RTL ein lukratives Nebengeschäft. Ferner locken für die Konsumenten  Preise, um sie zusätzlich einzubinden.





Das Phänomen Dschungelcamp kann wohl kaum auf nur EINEN Faktor reduziert werden. Das Gemisch von Unterhaltung, Nervenkitzel, zwischenmenschlichen Schwächen, Emotionen, Sex und auch seelischer Entblössung bannt die Zuschauer an dieses pseudo Dschungelgeschehen. Obschon viel inszeniert wird, kommt es immer wieder zu echten  gruppendynamischen Ueberraschungen. Es bilden sich beispielsweise unvorhergesehene "Solidaritätsnester"  zwischen einzelnen Campteilnehmern und der Gruppendruck. Die Lästerbox wird dann im Medienverbund zusätzlich im Internet  verbreitet.   

Wenn abgehalfterte B-Promis  in Kakerlaken baden müssen, Maden verspeisen und sich gegenseitig anzicken, bezeichnet dies der bekannte  Medienpsychologe Groebel als „gedämpften Sadismus.“




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    Dschungelcamp 2013: Joey Heindle ging die Puste aus!

Die täglichen Einschaltquoten des RTL-Dschungelcamps schlagen jegliche Konkurrenz.

Psychologe Jo Groebel versuchte immer wieder, das Phänomen Dschungelcamp zu ergründen.

Er glaubt, dass die Dschungelfans die Macht über das Geschehen geniessen: „Der Zuschauer ist Bestrafender, Regisseur und Sadist gleichzeitig.“

In den zwei Wochen Camp werden alle Charaktereigenschaften bis ins Extreme verstärkt: „Aggressive Menschen werden zum Beispiel noch aggressiver, behütende Leute werden noch behütender“, meint Groebel. 



Die Portionen werden immer grösser: Penis-Exzess im Dschungel! 

 Die Portionen werden immer grösser Penis-Exzess im Dschungel! Auf die Länge kommt es doch an. Zumindest, wenn man wie die Dschungelcamp-Teilnehmer die männlichen Genitalien essen muss.

Besonders eklig-faszinierend ist es, wenn  angekündigt wird, was die Kandidaten  essen und trinken müssen. Fies werden die Szenen erst recht durch den Kommentar der Moderatoren, wenn Maden, Hoden oder Raupen serviert werden und sie betonen, dass sich die Ameisen festbeissen werden. Der eigentliche Geschmack ist möglicherweise gar nicht so schlimm. „Der Film im Kopf macht die ganze Sache eklig“, betont Groebel.



Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! Bitte nicht!

Der Faktor Ekel spielt in der Show eine zentrale Rolle.


In einer Internetstudie  hatten Mediziner von der "London School of Hygiene & Tropical Medicin" 40'000 Freiwillige mit Fotos konfrontiert die einerseits relativ neutrale Situationen, Gegenstände oder Tiere darstellten, zum anderen aber vergleichbare Objekte mit einem möglichen Infektionsrisiko zeigten. Die meisten Probanden empfanden Ekel, wenn auf den Bildern Situationen abgebildet waren, die eine mögliche Gesundheitsgefahr zeigten. Die britischen Wissenschaftler halten deshalb das Ekelgefühl für eine List der Evolution, die vor Infektionen warnt. Ekel hat sich im Lauf der Evolution entwickelt, damit Menschen potenzielle Krankheitsherde meiden.
Fäkalien, Erbrochenes, Schweiss, Speichel, Eiter, Wunden, Leichen, abgeschnittene Zehennägel, verwesendes Fleisch, Maden, Schleim, Läuse, das Spektrum der Dinge, vor denen sich Menschen ekeln, ist sehr breit.  Doch nahezu überall auf der Erde wird Aehnliches als ekelhaft empfunden, und auch die körperliche Reaktion ist in praktisch allen Kulturen gleich: Der Blutdruck fällt ab, es entsteht Brechreiz und die Menschen zucken instinktiv zurück.

Auch das Spiel mit der Angst macht sich bezahlt.

Seit der Kindheit lernt der Mensch, zuerst in Märchen, beim Kasperlitheater, später im Gruselkabinett oder im Kino (Kriminalfälle) - den Kitzel mit der Angst zu geniessen. Persönlich geniesst man so den Angstzustand, ohne selbst betroffen zu sein.

Nachdem vor Jahren ein Kandidat in einen Sarg mit Ungeziefer gelegt  und dann eine Zeit lang in den feuchten Urwaldboden versenkt werden sollte, befürchteten die Macher ein Versinken des Sarges im Schlamm. In jener Sendereihe wurde auf diese Mutprobe  verzichtet. Später folgte ein leichterer Test mit einem Glassarg unter Wasser.
Als  mit der Zeit bekannt wurde, wie die Zuschauer an der Nase herum geführt wurden, schrieb jemand von "Schummel Dschungel".


 Einige "Lügen" wurden bereits 2004 aufgedeckt:

* Regen: Das prasselnde Regenrauschen wird akustisch eingeblendet.  Das Areal ist gegen Regen geschützt. TV Mitarbeiter Keith hat verraten, dass in den Baumwipfeln alles mit Planen abgedeckt wurde.
* Material: Das Brennholz wird  500 m weit vom Camp entfernt im Trockenen fein gestapelt.
* Tiere: Die Reptilien fühlen sich immer so kühl an, weil sie vorher in den Kühlschrank gesteckt wurden.  Die Huntsmanspinne ist zwar sehr gross und sieht einer Tarntel ähnlich. Sie ist aber absolut harmlos.
* Kontakt: Kein Reporter darf ins Camp, damit  die Schummelei mit der Isolation icht entlarvt werden kann. Die Promis erhalten Post.  Die Teilnehmenden sind auch nicht einsam, sie haben jederzeit Gelegenheit, mit einem Psychologen zu reden.  Sie wurden rund um die Uhr betreut, sollte es gewünscht werden.
* Essen: Die Fernsehzuschauer glauben zur Strafe gebe nur noch Reis und Bohnen. Dabei bekommt jeder, wenn er klagt, Säfte und Trockenpflaumen.





Es stellt sich  die Frage,  wo bei diesen Sendungen eigentlich  die Grenze des Zulässigen gezogen werden muss, ähnlich wie bei  Satiresendungen, bei Karikaturen oder bei Grusel- und Brutalo - TV Sendungen. 2004 haben sich nach den  Medienwächtern und  Menschenrechtlern auch noch die Tierschützer zu Wort gemeldet. Weil bei vielen Prüfungen  nicht nur die Menschen psychischem Druck ausgesetzt, sondern auch die beteiligten Tiere gestresst werden, protestierte vor 9 Jahren der Bund gegen den Missbrauch von Tieren. Er brandmarkte die Show als ethisch unwürdig. Auch wenn in  RTL  nach wie  vor  Tiere  als Spielzeug behandelt und unnötigem Stress aussetzt werden, schwächten die Macher imerhin gewisse Prüfungen mit Tieren ab.  Fragwürdig wird es  aus meiner Sicht, wenn Einschaltquoten mit fragwürdigen Gags erkauft und die Gesundheit der Teilnehmer gefährdet werden. Man kann sich aber auf den Standpunkt stellen: Wer da mitmacht, ist selber schuld.
Renate Künast sagte schon 2004:

 "Was hier gesendet wird, hat mit Unterhaltung nichts zu tun. Fernsehen wird offensichtlich immer überdrehter".


Eine  Grenze wurde einmal vom Rapper Tomekk im Dschungelcamp eindeutig überschritten. In einem Video wurde er gesehen, wie er als Witz den Hitlergruss machte. Die "BILD" schrieb damals: 

"Ganz Deutschland gab sich geschockt, und DJ Tomekk mimte den Betroffenen:


Mein dummes Witz-Gelaber tut mir unheimlich leid für alle, die sich davon betroffen fühlen.

Bereits alten Sendungen "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" appellierten  an  niedere Instinkte. Es kommt zu spannenden echten Konstellationen, bei denen Eifersucht, Neid und Konkurrenzdenken die Akteure ungefiltert agieren und die Kontrolle verlieren lassen. Dies muss vielen Konsumenten gefallen. Es erinnert an das echte Leben. 

Ob solche Sendungen die Kulturlosigkeit einer Gesellschaft verstärken? Darüber streiten sich die Gelehrten. Wenn sich Millionen an solchen Formaten aufgeilen, ist es denkbar, dass dies  zu einem Niveauverlust führen könnte. Wenn die Menschenwürde verletzt wird, müssten  Grenzen gesetzt werden, obwohl die "Opfer" dieser Show genau wissen, worauf sie sich einlassen.
Die Einschaltquote sollte beim Fernsehen nicht  oberster Massstab sein.

 FAZIT:

Ob solche Sendungen die Kulturlosigkeit einer Gesellschaft beeinflussen? Darüber streiten sich die Gelehrten. Wenn sich Millionen an solchen Formaten begeilen, ist es denkbar, dass dies in der Bevölkerung zu einem Niveauverlust führen könnte. Wenn die Menschenwürde verletzt wird, müssten eigentlich Grenzen gesetzt werden, obwohl die «Opfer» dieser Show genau wissen, worauf sie sich einlassen. Die Einschaltquote dürfte aber beim Fernsehen nie  oberstes Ziel sein.
Fazit: Obschon die erfolgreiche Sendung DschungelCamp niedere Instinkte weckt, fallen viele Konsumenten darauf rein und schauen, schauen und schauen... 


LINK:

24. Jan. 2008 ... Immer wieder haben wir uns die Frage gestellt, wo die Grenze des Zulässigen sind bei der Satire, bei Karikaturen oder bei Grusel TV ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/08/01_24/index.html