Gisel, Koradi und andere wollen mit ihrem Rücktritt ihre Firma schützen.
Der
Abgang von Raiffeisen-Chef Patrik Gisel ist nur einer von zahlreichen
Rücktritten von prominenten Wirtschaftsführern in diesem Jahr. Zuvor
musste schon Post-Chefin Susanne Ruoff gehen. Auslöser war bei ihr der
Postauto-Skandal, der auch Pascal Koradi sein Amt kostete. Letzterer
trat als Chef der Aargauischen Kantonalbank zurück, zuvor war er
Finanzchef bei der Post. Mit Novartis-Chefjurist Felix Ehrat traf es
zwar keinen Firmenchef, aber doch ein Geschäftsleitungsmitglied eines
Grosskonzerns.
Bei den erwähnten Rücktritten lassen sich teilweise erstaunliche
Parallelen erkennen. Sowohl Gisel, Koradi als auch Ehrat begründen ihren
Schritt damit, den Ruf ihres Arbeitgebers zu bewahren. «Mit meinem
Rücktritt möchte ich die öffentliche Debatte um meine Person und die
Bank beruhigen und die Reputation von Raiffeisen schützen», liess Gisel
verlauten. Zum Teil fast wortgleich klang es auch bei Koradi: «Ich
möchte mit diesem Schritt die Reputation der Aargauischen Kantonalbank
schützen.»
Mangelnde Glaubwürdigkeit
Werden
Rücktritte so begründet, erhalten sie Züge einer selbstlosen Tat im
Interesse des Unternehmens, für das sie Verantwortung tragen. Die Frage
ist, wie glaubwürdig solche Begründungen erscheinen. «Entscheidend ist
letztlich, wie solche Aussagen in der Öffentlichkeit ankommen», sagt
Kommunikationsexperte Marcus Knill. Wenn solche Statements in der
öffentlichen Wahrnehmung nicht als glaubwürdig ankommen, dann seien sie
es eben nicht. Die Bevölkerung nehme es Gisel kaum ab, dass sein
Rücktritt nichts mit der Ära Pierin Vincenz zu tun haben soll. Ohnehin
habe Gisels Glaubwürdigkeit bereits zuvor gelitten. Dies habe sich etwa
bei der Privatbank Notenstein gezeigt, die noch bis vor kurzem
Raiffeisen gehörte. Zunächst sagte Gisel, das Geldhaus werde nicht
verkauft, später ging es dann doch an die Bank Vontobel. Zudem habe er
noch im März gesagt, dass er ganz sicher nicht zurücktreten werde. Ex-Post-Chefin
Ruoff machte es ihm gleich. Im Februar verkündete sie noch, sie werde
nicht zurücktreten. «In einer Ecke der Postauto AG ist etwas Unrechtes
geschehen», sagte sie damals verharmlosend und wollte so eine möglichst
grosse Distanz zwischen sich und dem Skandal bei der Tochter Postauto
schaffen. Auch Koradi stellte sich auf den Standpunkt, nicht von
den illegalen Umbuchungen gewusst zu haben. «Ich halte fest, dass ich zu
keiner Zeit Kenntnis von möglicherweise illegalen Machenschaften hatte,
und ich stehe zu allen meinen getroffenen Entscheidungen in meiner
damaligen Funktion.» Er hält bis heute an dieser Sicht fest. Er sei
«massiv enttäuscht», weil er keine Stellung zum Untersuchungsbericht
nehmen konnte. Er hätte «vieles ins richtige Licht rücken können».
Nur allzu menschlich
Es
sei menschlich, dass solche Vorfälle zunächst heruntergespielt würden,
sagt Knill. Die verantwortlichen Manager stellten sich auf den
Standpunkt, dass die Vorkommnisse nicht so gravierend seien, als dass
ein Rücktritt zwingend sei. Schritt für Schritt brächten die Medien dann
weitere Details ans Licht, der Druck auf die Verantwortlichen steige.
Es wäre besser, wenn ein Unternehmen klar kommunizieren würde, bis wann
mit weiteren Details gerechnet werden könne, sagt Knill. So könne der
Druck auf das Unternehmen gemildert werden.