Donnerstag, 12. September 2013

Ausrutscher

Auch wenn man genervt wird, sollte man die Nerven nicht verlieren


Quelle 20 Min:


Es hätte eine nette Reportage über Ueli Maurer an seinem wichtigsten Sessionstag werden sollen. «10vor10» begleitete den Bundespräsidenten während der gestrigen Gripen-Abstimmung und verfolgte ihn auf Schritt und Tritt. Doch das war Maurer offensichtlich zu viel. Vor laufender Kamera betitelte der sichtlich genervte SVP-Mann den Kameramann als «Aff».

Gegenüber dem SRF nahm Maurers Verteidigungsdepartement VBS Stellung: Man habe «die Integrität und den Wunsch auf eine gewisse Distanz vor einer wichtigen Parlamentssitzung nicht respektiert».

«Ein Magistrat müsste gelernt haben, die Contenance zu wahren»

Doch darf einem Bundesrat eine solche verbale Entgleisung überhaupt passieren? Nein, findet Kommunikationsexperte Marcus Knill und spricht von einem Fauxpas: «Ein Magistrat müsste gelernt haben, die Contenance zu wahren, wenn er in eine unangenehme Situation kommt oder sich provoziert fühlt.» Statt jemanden zu beleidigen, müsste er die Person sachlich auf das Problem aufmerksam machen. Ein Training könnte ihm dabei helfen. Für Knill ist klar: «Für ein solch ungebührliches Verhalten müsste sich Maurer beim Kameramann entschuldigen.»
Es ist nicht das erste Mal, dass Ueli Maurer mit verbalen Entgleisungen auffällt. Am 1. August wurde er von einem Reporter von Tele Ostschweiz gefragt, was er sich für die Schweiz wünsche. «Dass wir uns nicht von allen auf die Kappe scheissen lassen», lautete seine Antwort. Noch vor seiner Zeit als Bundesrat schreckte Maurer nicht davor zurück, das Wort «Neger» in den Mund zu nehmen. Maurer spreche die strassengängige Stammtisch-Sprache, sagt Knill. «Er spricht für das Volk verständlich, was eigentlich sympathisch ist. Er sollte jedoch vorsichtig mit der Sprache umgehen, wenn seine Nerven blank liegen.»

Zusätzlicher KOMMENTAR:
Ich habe es bei Polizisten  in Zürich gesehen, die  an einer 1. Mai Demonstration angespuckt wurden, verbunden  mit der Beleidigung: "Du verdammtes Bullenschwein". Die Tätlichkeit, die Provokation perlten gleichsam an ihnen ab. Das ist nicht einfach. Wie bei der Belästigung des Bundespräsidenten durch einen aufsässigen Journalisten hat man Verständnis, wenn jemand belästigt wird. Doch staunte ich bei den Polizisten: In Trainings lernten sie, sich trotz harter Provokation, sich zu beherrschen. Das kann tatsächlich geübt werden. So wie Piloten im Simulator lernen. Bundespräsident Maurer hätte durchaus energisch  sagen können: "Stop - das geht jetzt zu weit. Bitte respektieren Sie die Distanz!!" Man darf den Unmut deutlich kundtun und das Fehlverhalten beschreiben - aber Ausrutscher sind ein Zeichen der Schwäche.
Schade - zumal es Ueli Maurer von den Bundesräten am besten versteht, einfach, verständlich, bildhaft d.h. mediengerecht zu reden.
Auch BLICK bringt die Geschichte:

Nach Mörgeli jetzt Maurer: Die SVP hats  mit  den Affen 

  Nach Mörgeli jetzt Maurer Die SVP hats mit den Aff 

Nachdem schon Christoph Mörgli in der Rundschau dem Journalisten gefragt hatte: "Sind Sie eigentlich vom Aff bisse?"
müsste die SVP den "Zottel"eigentlich mit einem Gorilla austauschen. 

Ich bin sicher, dass sogar viele Kommentatoren im Netz das Verhalten des Bundesrates gutheissen werden.  
Ueli Maurer wird auch keinen Reputationsschaden erleiden.
Dieser Ausrutscher darf auf keinen Fall überbewertet werden. 

NACHTRAG:
Nachdem ich erst am Freitag erfahren habe, dass Ueli Maurer schon vor dem Vorfall, eine TV Begleitung unmissverständlich abgelehnt hatte, habe ich mehr Verständnis für den Ausrutscher. So wie man einen Kameramann nicht mit "Aff" beschimpfen darf, so sehr haben sich auch Medien an die üblichen Spielregeln zu halten. Unter diesen Umständen würde ich mich als Bundespräsident - trotz eindeutigem Fauxpas - auch nicht entschuldigen.

Jedem seine psychische Störung

Immer neue Diagnosen machen ehemals normales Verhalten zur psychischen Störung, warnt der renommierte US-Psychiater und Buchautor Allen Frances.
Wutausbrüche bei Kindern können völlig normal sein, sagt Allen Frances.
Wutausbrüche bei Kindern können völlig normal sein, sagt Allen Frances.
Bild: Meyer/Tendence Floue)

Artikel zum Thema


Allen Frances
Normal.
Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen.
Dumont: ca. 36 Fr. (Bild: thehealthcareblog.com)

Es begann mit nächtlichen Kühlschrankplünderungen in den frühen Teenagerjahren. Später, als Student und Ringer, gelang es ihm wegen seiner Fressattacken nur mühsam, das Wettkampfgewicht von 80 Kilogramm einzuhalten. Nach den samstäglichen Einsätzen auf der Ringermatte folgte jeweils eine zweitägige Völlerei, die ihn 7 Kilogramm zulegen liessen. Den Rest der Woche galt es dann, sich wieder auf 80 Kilogramm herunterzuhungern. Bis heute, im Alter von 70 Jahren, vergeht keine Woche, ohne dass ihn Fressanfälle heimsuchen: «Ich bin bekannt als die Geissel aller Buffets und All-you-can-eat-Restaurants.»
Der Mann, der sich zu seinen «katastrophalen Essgewohnheiten» bekennt, heisst Allen Frances. Der emeritierte Professor an der Duke University ist einer der profiliertesten Psychiater weltweit. In den letzten Jahren machte er sich allerdings vor allem als engagierter Kritiker seines eigenen Fachs einen Namen. Mit viel Getöse kämpft er gegen die Tendenz in der Psychiatrie, laufend neue Diagnosen zu finden und bestehende so auszuweiten, dass ehemals normale Verhaltensweisen zu Krankheiten werden. «Inflation psychiatrischer Diagnosen» nennt dies Frances in seinem soeben erschienenen Buch «Normal».
Seine Einwände sind fundiert. Denn Frances ist ein Insider und ein ehemals einflussreicher Akteur, der die Mechanismen in der Psychiatrie aus langjähriger Erfahrung kennt. Und selbst wenn die ihm bekannten amerikanischen Verhältnisse teilweise extremer sind als in Europa, lassen sich viele der kritisierten Entwicklungen auch hier beobachten.
Ein psychisch kranker Vielfrass
Die eigenen Essgewohnheiten dienen Frances als Beispiel für eine verbreitete Verhaltensweise, die neu zu einer psychischen Störung definiert wird. Er selbst hält sich eigentlich bloss für einen durchschnittlichen Vielfrass. Schon bald wird aber sein Essverhalten den Namen Binge-Eating-Störung (BES) tragen. Schuld daran trägt die fünfte Ausgabe des Psychiatriehandbuchs DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), welche im Mai in Kraft treten soll und künftig weltweit die Arbeit von Psychiatern beeinflussen wird. BES hat, wer während dreier Monate einmal pro Woche eine Fressattacke hat. Schätzungen gehen davon aus, dass 3 bis 5 Prozent von BES betroffen sind. «Warten wir ab, was passiert, wenn die Öffentlichkeit und die Ärzte ihre pharmafinanzierte ‹Aufklärung› erhalten haben», warnt Frances. Er prognostiziert, dass die Verbreitung dann auf 10 Prozent hochschnellen könnte.
Die Binge-Eating-Störung ist nur eine von vielen problematischen Änderungen im DSM-5. Führende Fachleute haben sie mit besten Absichten eingefügt, jedoch ohne die Folgen ihrer neuen und erweiterten Kriterien zu bedenken. Das Zeug zu einer Modediagnose hat etwa die Disruptive Mood Dysregulation Disorder (DMDD) für Kinder, die zu Wutausbrüchen neigen, daneben aber tieftraurig sein können. Damit werde Tür und Tor geöffnet «für Fehldiagnosen bei normalen Kindern, die eine Phase durchlaufen oder einfach temperamentvoll sind», glaubt Frances. Auch den Alten droht Ungemach: Mit der neuen Diagnose Mild Neurocognitive Disorder (MNCD) werde normale Altersvergesslichkeit zur Krankheit, so Frances. Eigentlich sollten damit Personen erfasst werden, die wegen Vergesslichkeitssymptomen ein Risiko für eine spätere Demenz haben. Doch der Voraussagewert sei so gering, dass die Mehrheit der Diagnostizierten nie ein Problem mit Demenz haben werde.
Frances ist mitschuldig
Sorge bereitet Frances auch, dass es nun möglich sein wird, bereits wenige Wochen nach dem Tod eines nahestehenden Menschen eine «schwere Depression» zu diagnostizieren. Für Frances ist klar: «Dass nach einem Todesfall für eine bestimmte Zeitspanne exakt die gleichen Symptome auftreten wie bei einer klinischen Depression, gehört zum normalen Trauerprozess.» Epidemien durch neue oder aufgeweichte Diagnosekriterien erwartet der Psychiater auch für das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ADHS bei Erwachsenen und bei den neu eingeführten Verhaltenssüchten. Dazu würde zwar erst die Glücksspielsucht gezählt, «aber Sie können jetzt schon Ausschau nach falschen Suchtepidemien halten», schreibt Frances und zählt auf: Internetsucht, Kaufsucht, Arbeitssucht, Sexsucht und so weiter. Problematisch ist auch die neu eingeführte Complex Somatic Symptom Disorder (CSSD), die so grosszügig definiert ist, dass sie in Tests bei fast jedem zehnten Gesunden gepasst hat.
Die erwarteten Modediagnosen sind für Frances die Fortführung von Fehlentwicklungen, die bereits bei der letzten DSM-Version von 1994 eingesetzt haben. Er selbst war damals Vorsitzender des Gremiums, das den Inhalt festlegte. Frances macht sich denn auch selbst Vorwürfe. Er hatte damals nicht vorhergesehen, dass die vorgenommenen Änderungen zu «unechten Epidemien» bei Kindern führen würden. So vervielfachten sich in den letzten beiden Jahrzehnten nicht nur in den USA die Diagnosen von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen, autistischen Störungen und bipolaren Störungen.
Frances geht es nicht um Fundamentalkritik an seinem Fach: «Psychiatrie ist ein vornehmer Berufsstand, im Kern gesund und, wenn sie richtig ausgeübt wird, ausserordentlich effizient.» Es geht ihm um falsche Entwicklungen, die dazu führten, dass Gesunde zu oft und zu ihrem Schaden therapiert werden, während die wirklich Kranken häufig keine Behandlung erhalten. Neben der Stigmatisierung Normaler hat dies einen vor allem in den USA verbreiteten massiven Überkonsum von Psychopharmaka zur Folge. Im Jahr 2011 schluckten dort 11 Prozent Antidepressiva, fast drei Viertel ohne eines der geltenden Symptome einer Depression. «Viele treue Kunden sind harmlose Placebo-Responder, die spontan wieder genesen sind», so Frances.
Hart kritisierte Pharmabranche
Schuld daran trägt nicht alleine das DSM-5. Gemäss Frances entwickelt das Psychiatriehandbuch seine ungute Wirkung vor allem dadurch, dass die Pharmaindustrie weit gefasste Diagnosekriterien brutal ausnützt, um den Umsatz ihrer Medikamente zu steigern. Der Psychiater geht in seinem Buch hart ins Gericht mit den Herstellern von Psychopharmaka. Er wirft ihnen vor, dass sie viel mehr Geld in Werbung und Marketing steckten statt in die Entwicklung besserer Psychopharmaka. Und wenn geforscht werde, dann erfolge dies mit falschen Methoden und aus falschen Beweggründen. Daten blieben unter Verschluss, negative Ergebnisse würden regelmässig in der Versenkung verschwinden und bedeutungslose Resultate aufgebauscht.
Zudem würden die Firmen laufend versuchen, für ihre alten Medikamente neue Märkte zu erschliessen, durch Patenterweiterungen für Kinder oder für neue Krankheiten. Dies häufig auf dürftiger Datenlage. «Der beste Weg, Psychopharmaka zu verkaufen, führt nun einmal über den Verkauf psychiatrischer Leiden», schreibt Frances. Und so verbreite die Industrie seit Jahren die falsche Behauptung, dass «viele der unausweichlichen Probleme im Leben in Wahrheit psychische Störungen seien, verursacht durch ein ‹chemisches Ungleichgewicht›, das sich durch das Schlucken diverser Pillen wieder in Ordnung bringen lasse.»
Ein offenes Geheimnis ist, dass sich die Firmen dabei oft jenseits der Grenze der Legalität bewegen. «Nahezu alle Pharmaunternehmen haben gewaltige Bussgelder und selbst strafrechtliche Sanktionen für ihre illegalen Verkaufspraktiken kassiert», sagt Frances. Hier ist auch der wahrscheinlich erfolgsversprechendste Ansatzpunkt, mit dem er der Inflation begegnen will: durch Verbote von Pharmawerbung, finanzieller Einflussnahme auf Ärzte, Behörden, Patienten, Wissenschaftler sowie durch höhere Strafen für gesetzeswidrige Handlungen, nicht nur gegen Unternehmen, sondern auch gegen deren Manager. «Hoffen wir, dass die Vernunft am Ende siegt», schreibt Frances. (Der Bund)

Aus Forum romanum

von Marcus Knill


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von Rehlein1

Nur wer wesentlich schweigen kann, kann wesentlich reden" (Sören Kierkegaard, 1813-1855)

Schweigen ist aktives Zuhören

Sie wundern sich vielleicht, dass das Schweigen ein wichtiges Element der Rhetorik ist.

Ich kannte eine Person, die verstand es, gekonnt zu schweigen:

Viele schätzten die Person als gute Zuhörerin, weil sie zugleich Signale der Zuhörens vermittlen konnte
Andere sahen in diesem "Verhalten des Schweigens" ein Zeichen der Überlegenheit
Die Wirkung war jedenfalls meist positiv.
Es schien, als hätte die beschriebene Person die Erkenntnis
verinnerlicht. Jedenfalls war sie kaum angreifbar und wirkte für viele immer sehr weise.
Bis zu jenem Zeitpunkt, als sie doch einmal länger redete.
Alle merkten nun, wie dumm und einfältig die Person im Grunde genommen war. Wir sagten nachher: Schade, dass sie geredet hatte!

Wenn die Leute wüssten, dass 70% von dem, das sie sagen, wieder gegen sie verwendet werden kann; so würden sie viel weniger reden."