Dienstag, 15. Mai 2018

Frech, fordernd und undankbar


„Medizin-Touristen“ 

Arzt erklärt, warum er

Asylbewerber nicht mehr behandelt

„Da kommen jetzt Leute, die wollen Viagra“



Szene aus dem Sommer 2015: Flüchtlinge stehen vor dem Transitzentrum in Deggendorf Schlange, einer trägt einen Verband am Bein. Die Asylbewerber werden hier auch medizinisch betreut
Szene aus dem Sommer 2015: Flüchtlinge stehen vor dem 
Transitzentrum in Deggendorf Schlange, einer trägt einen 
Verband am Bein. 
Die Asylbewerber werden hier auch medizinisch betreut
Deggendorf (Bayern) – Er hat genug! Die vergangenen drei Jahre haben ihn zermürbt. Ein Arzt aus Deggendorf (Bayern) will keine Flüchtlinge mehr behandeln.

In der renommierten Wochenzeitung „Die Zeit“ schildert der Mediziner seinen Alltag in einer Asylbewerber-Unterkunft. Es ist eine bittere Abrechnung. „Frech und fordernd“ seien die Menschen, die ihm in seinem Behandlungszimmer im Transitzentrum in Deggendorf begegnen. Der Arzt, der anonym blieben will, bezeichnet mindestens die Hälfte als „Medizintouristen“.

Ernsthafte gesundheitliche Probleme sollen sie nicht haben. Stattdessen würden Massagen für Muskelkater vom Tischtennisspielen und teure Zahn-OPs gefordert. Oder Schmerztabletten zum Dealen.

Von 41 Patienten sage nur einer „Danke“. Der Arzt nimmt viele der Flüchtlinge als unverschämt wahr. Er berichtet: „Da kommen jetzt Leute, die wollen Viagra.“ Sein Verdacht: Viele Flüchtlinge, vor allem aus Sierra Leone und Aserbaidschan (unter 50 Prozent Bleibechance), kommen ganz bewusst nach Deutschland, um für lau behandelt zu werden.

Schließlich dauere es lange, bis sie wieder abgeschoben werden würden. „Die Leute wissen, wie schleppend die Verfahren hier laufen. Und sie glauben, sich in der Zwischenzeit von deutschen Spezialisten behandeln lassen zu können“, erzählt der Mediziner in der „Zeit“.

Ein Drittel dieser Patienten soll einen „Ungültig“-Stempel in seinen Papieren haben. Der Arzt hat vor den Verhältnissen kapituliert.

Er sieht jetzt die Politik in der Pflicht. Sie müsse noch strenger, noch schneller sein. Nur so würde man genug Zeit für die wirklich Bedürftigen haben. BILD konfrontierte Landrat Christian Bernreiter (54, CSU) mit der Geschichte des Arztes.
Er sagt: „Ich habe natürlich von den Vorfällen gehört. Und wenn das stimmt, was ich nicht im Einzelfall prüfen kann, ist die Kritik des Arztes natürlich gerechtfertigt. Unser Staat kann nicht alles zahlen!“

Was ist ein Transit-Zentrum?

In Transit-Zentren werden Flüchtlinge mit geringer Bleibe-Chance untergebracht.

Bei den meisten Einwohnern ist ein Asylverfahren bereits gescheitert. Bis zur freiwilligen Ausreise oder der Abschiebung leben sie in den Transitzentren. Sie bekommen dreimal pro Tag Essen, schlafen in Mehrbettzimmern.

Die Bewohner dürfen das Gelände, aber nicht die jeweilige Stadt verlassen.

Anrecht auf einen Sprachkurs haben sie allerdings dort nicht. Auch arbeiten dürfen die Flüchtlinge nicht. In Deggendorf kommen die meisten Flüchtlinge aus Sierra Leone und Aserbaidschan. Viele Transitzentren wurden zuvor als Erstaufnahmeeinrichtungen genutzt.

Schon während der Flüchtlingswelle 2015 betreute der Arzt Asylbewerber, ging in die Erstaufnahme-Einrichtungen vor Ort. Damit war er Teil der Willkommenskultur. Er behandelte die Kriegsopfer aus Syrien oder dem Irak. Die kamen mit „bis aufs Fleisch wund gelaufenen Füßen“ und „Beinen voller Granatsplitter“.

In dieser harten Zeit habe er oft nur eine oder zwei Stunden geschlafen, ein Jahr lang keinen Urlaub gemacht. Die Menschen seien dankbar für die Hilfe gewesen, berichtet der Arzt. Er glaubt: weil sie damals wirklich hilfsbedürftig waren.
Das alles sei vorbei. Erst kürzlich soll ein Aserbaidschaner einen Arzt in Deggendorf mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben.
Wenige Tage später kam er sogar mit einem Messer in den Behandlungsraum. Den Vorfall bestätigte Bewohner Amadu S. (26) aus Sierra Leone gegenüber BILD. Wie aggressiv und aufgeladen die Stimmung ist, zeigt sein Nachsatz: „Der Arzt hat es verdient! Er verabreicht die falschen Medikamente oder behandelt gar nicht.“
„Es reicht!“, sagt der Doktor, der sich die Arbeit noch bis Ende Mai mit einem Kollegen teilt. Dann laufen die Verträge aus. Beide wollen nicht verlängern.