Kachelmann bleibt stigmatisiert - auch wenn er unschuldig ist
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Der Fall Türck
Andreas Türck wurde vorgeworfen, eine junge Frau zum Oralsex gezwungen zu haben. Je länger die Untersuchungen dauerten, desto klarer wurde jedoch, dass die Anklägerin keine verlässliche Quelle ist. Später hat man bei ihr gar Wahrnehmungsstörungen festgestellt. Das Verfahren wurde 2005 mangels Beweisen eingestellt.
Der Strahlemann aus dem deutschen Fernsehen erlebt bange Stunden. Jörg Kachelmann wird verdächtigt, seine langjährige Freundin vergewaltigt zu haben. Immer mehr «Details» geraten über die Medien ans Licht. So soll Kachelmann ein Doppelleben geführt und mehrere Frauen gleichzeitig bei der Stange gehalten haben. Bisher besteht jedoch nur ein Verdacht.
Doch dass ein solcher eine TV-Karriere zerstören kann, haben ähnliche Fälle aus der Vergangenheit gezeigt. So wurde der einst beliebte TV-Moderator Andreas Türck 2004 ebenfalls wegen Vergewaltigung angeklagt. Die deutschen Medien – vor allem das Boulevardblatt «Bild» - berichteten ausführlich über den «Skandal». Türck wurde vorgeführt – und vorverurteilt.
Unter Beobachtung - für immer
«Das Kopfkino der meisten Menschen ist darauf programmiert, sich negative Dinge zu merken, auch wenn sie unwahr sind», sagte die Psychologin Christine Baumanns damals zu «Bunte». Und: «Andreas Türck ist selbst nach einem Freispruch auf ewig stigmatisiert. Man wird in Zukunft ganz genau beobachten, wie er sich zu Frauen verhält.»
Tatsächlich wurde der Name Türck nur noch zusammen mit dem Wort Vergewaltigung genannt. Und auch nachdem er 2005 vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde, hat seine Karriere einen gewaltigen Knick erlitten. Sein Auftraggeber Pro 7 trennte sich von ihm, Türck arbeitete fortan nur noch hinter der Kamera.
«Die Vorverurteilung, mit der ich zu kämpfen hatte, war mit meinem Freispruch noch lange nicht erledigt», sagte Türck 2007 der «Süddeutschen Zeitung». «Viele Menschen haben mich behandelt, als wäre ich verurteilt worden.»
«Riesige Wunden hinterlassen»
Auch wenn er es gewollt hätte, wäre ihm die Rückkehr vor die Kamera wohl verwehrt geblieben. Wer einmal in den Medienarchiven und im Internet mit Vergewaltigung in Verbindung gebracht wird, wird diese Bürde so einfach nicht mehr los.
Gegenüber der «Süddeutschen Zeitung» sprach Türck von einem «Albtraum»: «Zunächst war es unglaublich schwierig, ins normale Leben zurückzufinden. Der Prozess hat in meinem Leben riesige Wunden hinterlassen. Dennoch habe ich es geschafft, wieder auf die Beine zu kommen.»
Ein ähnliches Schicksal dürfte auch Jörg Kachelmann ereilen. Denn auch er ist eine Person von öffentlichem Interesse – ob er will oder nicht. Oder wie es Türck gegenüber news.de ausdrückt: «Was heisst, die Öffentlichkeit vermissen? Dass ich eine öffentliche Person bin, kann man so schnell nicht loswerden, sonst würden Sie wohl kaum ein Interview mit mir führen wollen.» (reh)
Kommentar:
Dass Menschen mit erfundenen Beschuldigungen "fertig " gemacht werden können ist hinlänglich bekannt. Anderseits muss die Polizei alle Anzeigen ernst nehmen. Die Medien haben ihrerseits auch die Pflicht, zu informieren. Die ARD, welche über die Verhaftung Ihres Moderators bewusst nichts gebracht hat, wurde vorgeworfen, sie würden etwas vertuschen. Wenngleich Medien einen Promi - wie Kachelmann - nicht vor verurteilen dürfen, gibt es auch eine Informationspflicht. Bei diesem einmaligen Medienevent kam es zu einem Selbstläufer und zu unzähligen Trittbrettartikeln. Die Oeffentlichkeithat selten so einen Mediengau erlebt. Kachelmanns Story - ob erfunden oder nicht - hat alle Voraussetzungen zu einer Boulevardgeschichte: Promi - Sex - Gewalt - Emotionen (Blut, Tränen, Sperma). Eines ist sicher: Die Geschichte geht weiter! Selbst wenn Kachelmann unschuldig ist, wird er nicht ungeschoren aus dem Strudel der Beschuldigungen davonkommen.
Nachtrag Blick:
Das Lächeln ist Kachelmanns Schutzmaske
Fernseh-Stars lächeln immer, auch wenn sie wissen müssten, dass der grosse Spass längst vorbei ist.
Kommentar: Es gibt tatsächlich ein Lächeln als "Antibeisshemmungsverhalten" - als Schutz. Zum Beispiel: Kinder, die in der Schule von einem Lehrer laut gemassregelt werden, schützen sie sich mit einem Lächeln, in der Hoffnung, man werde dann weniger "gebissen". Bei Jörg Kachelmann finde ich nichts von diesem spontanem Schutzverhalten. Für mich ist es ein bewusstes, inszeniertes Lachen vor den Medien.