Dienstag, 4. November 2008

KOPF AN KOPF Eine Ausstellung über Politikerporträte, die nicht aktueller sein könnte

Wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen in Amerika eröffnete das Museum für Gestaltung eine beachtenswerte Ausstellung über Politikerköpfe und die Manipulationstechniken, um gewählt zu werden. Ich durfte die Fotoreihe von Angela Merkel analysieren und besprechen. Ich werde später darüber einen Beitrag machen.

Aus Züri tipp:

Wähl mich!

Eine Ausstellung führt vor Augen, mit welchen Bildformeln Politisierende um die Wählergunst kämpfen.

Am eifrigsten war Julija Timoschenko: Die ukrainische Ministerpräsidentin beantwortete die an sämtliche Regierungen der Welt gegangene Anfrage des Museums für Gestaltung um ein Porträt ihres Staatsoberhaupts gleich mit einer ganzen Kiste voller Propagandaplakate. Darin tritt die stilbewusste Blondine mit dem Bauernzopf in immer wechselnden Rollen auf: als kühle Strategin, als Astronautin oder Mutter Teresa. Politik als karnevalesker Personenkult.

Die Episode offenbart, wie sorgfältig Politisierende ihr öffentliches Profil über Bilder aufbauen und pflegen. Ihre Gesichter sind die Markenzeichen, in denen sich die gesamte Wahlkampfrhetorik verdichtet. Spezialisierte Berater stehen ihnen zur Seite. Die mächtigen Einflüsterer greifen dabei auf wiederkehrende Bildformeln zurück. Welche das sind - nach welchen Mustern sich Politisierende im Wahlkampf inszenieren -, zeigt das Museum für Gestaltung in einer überraschenden Schau.

Pathos und Demontage

Gleich zu Beginn begegnen wir dem «Common Man», der sich gerne mit Fussballschal oder im T-Shirt zeigt und zur Classe politique auf Distanz geht - ein Typus, der in der Schweiz besonders gut ankommt. Dagegen badet der «Volksfreund» in der jubelnden Menge, während sich der «Economic Man» vor Industrieanlagen aufbaut und der «Visionär» bedeutungsvoll in die Ferne blickt

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Einem aber gelingt es, all diese Eigenschaften in einer Person zu vereinen: Silvio Berlusconi. In einem 130-seitigen, 21 Millionen Mal aufgelegten Heft präsentiert er sich als Mustersohn, Philosoph, Gärtner, Tifoso und Wirtschaftskapitän. Ein Alleskönner, für alle wählbar. Berlusconi überwindet damit eine grundsätzliche Einschränkung des Mediums Plakat: Es kann nur eine einzige Botschaft transportieren. Das zwingt die Politisierenden dazu, ihre Position auf eine - möglichst mehrheitsfähige - Kernbotschaft zu verdichten. Für die Qualität der Grafik bedeutet dies nichts Gutes: Politikerplakate neigen zur konventionellen, mutlosen Darstellung. Bedeutend bunter wird es dagegen, wenn die Politisierenden sich fern jedes Wahlkalküls inszenieren: Die Porträts der Zürcher Regierungsratspräsidentinnen und -präsidenten aus dem Walcheturm, die nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind, stehen mit ihren persönlichen, bisweilen spleenigen Bildideen in deutlichem Gegensatz zur klassischen Repräsentation.

Anhand so unterschiedlicher Politstars wie Lenin und Schwarzenegger führt die Schau ferner vor Augen, wie sich Images über Bilder gezielt verändern lassen. So verschmilzt Schwarzenegger seine Vergangenheit als Muskel- und Actionheld mit seiner Rolle als Gouverneur geschickt zu einem Kondensat, das den Wählern Durchsetzungskraft und Verlässlichkeit suggeriert.

Pathetische Inszenierungen fordern selbstverständlich zur Demontage heraus. Die klug komponierte Ausstellung spart auch diese bissigen Konterkampagnen nicht aus. Und erstaunt so mit einem Unterhaltungswert, den man ihr aufgrund ihres Sujets nicht zugetraut hätte.

Zürich, Museum für Gestaltung, Ausstellungsstr. 60, «Kopf an Kopf - Politikerporträts» bis 22.2.;

«Kopf an Kopf – Politikerporträts» Tipp

Bis 22. Feb. in der Halle
Web: -
Galerie
kopf an kopf

Obama beschwört zwar politisch den Wandel, reiht sich aber gestalterisch in eine Traditionslinie ein, wie dieses Wahlplakat von John F. Kennedy zeigt.

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kopf an kopf Obama beschwört zwar politisch den Wandel, reiht sich aber gestalterisch in eine Traditionslinie ein, wie dieses Wahlplakat von John F. Kennedy zeigt. Alle in dieser Bildstrecke präsentierten Plakate sind jetzt in der Ausstellung «Kopf an Kopf – Politikerporträts» im Museum für Gestaltung in Zürich zu sehen. Quelle: Plakatsammlung, ZHdK
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Züritipp:

Christian Fichter : «Es ist wie im Theater»

Durch Imagebildung werden Politiker erst wählbar. Dabei erhalten sie Hilfe von Profis - die sich jedoch diskret im Hintergrund halten.

Interview: Sascha Renner

fichter

Christian Fichter untersucht an der Universität Zürich den Einfluss von Image auf politische und wirtschaftliche Entscheidungen.

Herr Fichter, die Schweizer PR-Legende Rudolf Farner hat einmal gesagt: «Gebt mir eine Million, und ich mache aus jedem Kartoffelsack einen Bundesrat. Können Politiker im Medienzeitalter tatsächlich «gemacht» werden?

Nur bis zu einem bestimmten Grad. Denn sonst kommt irgendwann die Stunde der Wahrheit, in der der «gemachte» Politiker an der Realität gemessen wird und auffliegt. Dazu braucht man bloss über den grossen Teich zu blicken. Das prominenteste Beispiel ist sicherlich George W. Bush, der während seiner Amtszeit völlig demaskiert wurde und von dessen peinlicher Entblössung wir Zeugen sind.

Sind Imageberater in der Politik unverzichtbar geworden?

Ja, aus zwei Gründen. Erstens sind die «Produkte», also die politischen Ziele, ähnlicher geworden. Von links nach rechts versprechen heute alle einhellig Sicherheit, Wohlstand, Freiheit. Bloss die Programme, wie dies zu erreichen sei, unterscheiden sich. Deshalb versuchen sich Politiker vermehrt über das Image zu differenzieren. Zweitens werden wir von einer Informationsflut überschwemmt, in welcher die politische Kommunikation unterzugehen droht. Daher bieten Spin Doctors aus Image-Massnahmen bestehende Schwimmhilfen an, welcher sich Politiker bedienen. Dass solche Schwimmringe aus rhetorischem Schaumgummi bestehen, wird von PR-Beratern gekonnt kaschiert.

Welche Rolle spielen die Imageberater in der Schweizer Politik?

Sie werden auch hierzulande immer wichtiger – es gibt bereits spezialisierte Anbieter. Diese bleiben aber eher im Hintergrund. Sie treten diskret als PR-Berater auf und bezeichnen ihre Dienstleistung als «Reputationsmanagement». Das Heimtückische daran ist, dass wir es mit einer besonders subtilen Form der Überzeugung zu tun haben, bei der Manipulationsversuche nicht so offensichtlich zu Tage treten wie bei klassischer Werbung. Den Beruf des «Spin Doctors» gibt es übrigens schon viel länger als die Bezeichnung – schon die alten Römer manipulierten ihr politisches Image.

Riskieren Politiker dadurch nicht, dass sie unglaubwürdig werden?

Es ist wie im Theater: Die Leute wollen eine Inszenierung sehen. Wenn sie aber zu platt ist, werden die Protagonisten ausgebuht. Politische Imageberatung ist daher immer eine heikle Gratwanderung, die ein feines Balancegefühl erfordert.

Hat sich der Polit-Zirkus dem Starsystem des Popbusiness hinsichtlich Management, Inszenierung, Vermarktung und Positionierung angeglichen?

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Sicher. Die Inhalte sind andere, aber es geht bei beidem um Beachtung und Aufmerksamkeit. Man spricht in diesem Zusammenhang von der «Aufmerksamkeits-Ökonomie»: Geld ist nicht mehr so der zentrale Wert, sondern die Beachtung, die jemand erfährt.

Wie gehen die Spin Doctors vor?

Es gibt kein Pauschalrezept für ein gutes Image. Zu unterschiedlich sind die Klienten, die Imageträger. Doch im Grundsatz folgt man am besten diesem Muster: Zunächst muss definiert werden, welches die relevanten Image-Dimensionen sind und wie der Politiker auf diesen abschneidet. Auf dieser Basis können dann seine positiven Merkmale in den Vordergrund gestellt und die negativen nachgebessert werden.

Was kann man als Stimmbürger tun, um den Wahlkampfstrategen nicht auf den Leim zu gehen?

Das ist sehr, sehr schwer. Sicher ist es hilfreich, wenn man seine Informationen aus verschiedenen Quellen bezieht und sich Sach- sowie Medienkompetenz aneignet. Doch irgendwann muss auch noch Geld verdient und die Familie versorgt werden. Zudem zeigt unsere Forschung, dass auch hoch gebildete und engagierte Wähler dem Einfluss von politischem Image unterliegen. Wenn man diese Einsicht den Leuten vermitteln könnte, wäre schon viel gewonnen.

Wie viel wissen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger eigentlich über die Kandidaten, denen sie ihre Stimme geben? Wie gross ist der Image-Anteil an den Entscheidungen, wie gross der Anteil «harter Fakten»?

Studien zeigen, dass der Image-Anteil oft sehr gross ist; in den USA sogar mehr als 50 Prozent. In der Schweiz ist es zum Glück noch nicht so schlimm, vermutlich dank unseres Systems der direkten Demokratie.

Wir haben Medien die Selbstdarstellung von Politikern geprägt und verändert?

Einerseits müssen Politikerinnen heute alle Medien abdecken – auch neue Medien wie das Internet, um möglichst viele Wähler erreichen zu können. Andererseits müssen die Selbstdarstellungen dem heutigen Medienkonsumverhalten angepasst werden: Kürzer, prägnanter, unterhaltsamer.

Welche Grundtypen der politischen Selbstdarstellung gibt es?

Wissenschaftlich fundierte Typisierungen existieren nicht. Doch man könnte Politikerinnen und Politiker aufgrund ihrer Image-Profile durchaus klassieren: Typisch für die Schweiz finde ich Volksvertreter vom Typ Blocher, Sachkundige wie Merz oder Strahm, Landesmütter wie Calmy-Rey, autoritäre Vaterfiguren wie Couchepin oder Intellektuelle wie Leuenberger.