«Ich habe diese Wahl nicht erschlichen»
Nach der Rücktrittsforderung der SVP hat sich gestern Eveline Widmer-Schlumpf erstmals zu ihrer Wahl, ihrem Befinden und ihrem Verhältnis zur Politik geäussert.
Während die SVP ihren Rachefeldzug gegen Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf führte, gab sich die Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements ihrer Arbeit hin.
Die Doku-Soap am Schweizer Fernsehen, die Fragen zum Wahlpakt mit der SP und der daraus erwachsende Druck auf ihre Person vermochten sie lange nicht dazu bewegen, in diesem Kesseltreiben klärende Worte zu sprechen. Bis gestern Donnerstag nicht. Dann kam irgendwann nach 14 Uhr die Einladung zu einem Point de Presse im ersten Stock des Bundeshauses West – vor dem Arbeitszimmer von Widmer-Schlumpf.
Die Erwartungen bei den Medienschaffenden sind hoch, entsprechend zahlreich ist ihre Präsenz kurz vor 17 Uhr irgendwo in den weitläufigen Gängen des Regierungsgebäudes. Pünktlich taucht die Bundesrätin auf. Die kleine Frau von zarter Statur steht mit dem Rücken zur Wand und wird von vorn dicht bedrängt von den Medienleuten. Zunächst gibt sie eine längere Erklärung ab, ohne Manuskript, mit feiner, aber klarer Stimme.
«Ich habe nach der Erklärung der Parteileitung gestern sehr viele Fragen und auch Bitten erhalten, Stellung zu nehmen. Ich möchte das nun auch gerne machen. Ich habe in den letzten Tagen sehr viel Unterstützung und Zuspruch erhalten aus der ganzen Bevölkerung, von vielen Bürgerinnen und Bürgern, von vielen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern, von meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat und auch von meinen Kolleginnen und Kollegen in den Kantonsregierungen, mit denen ich ja ganz eng zusammengearbeitet habe. Ich möchte an dieser Stelle zuerst allen ganz herzlich dafür danken.
Ich wurde auch verschiedentlich – in den letzten Stunden gar sehr oft – gebeten, mich nicht einschüchtern zu lassen, das durchzustehen. Ich kann ihnen versichern: Ich werde das durchstehen. Ich werde mich nicht einschüchtern lassen. Ich werde nicht aus der SVP austreten, und ich trete nicht aus dem Bundesrat zurück.
Ich bin seit über 30 Jahren Mitglied der SVP und vertrete die Werte der SVP. Ich werde das auch weiter machen in meiner politischen Tätigkeit, auch im Bundesrat. Ich werde das aber so machen, wie ich das bis jetzt gemacht habe – mit Anstand, mit Respekt und auch mit Toleranz.
Die Bundesversammlung hat am 12. Dezember letztes Jahr entschieden, meinen Vorgänger nicht wieder zu wählen. Im Nachgang wurde ich dann in den Bundesrat gewählt. Die Bundesversammlung ist zuständig, es ist ihre Aufgabe, es ist ihr Recht und ihre Pflicht, die Mitglieder des Bundesrats zu wählen.
Ich war überrascht von dieser Wahl, ich habe diese Wahl nicht erschlichen. Sie war auch nicht abgesprochen. Und ich habe nie und zu keiner Zeit jemanden angelogen. Wenn die Parteileitung jetzt etwas anderes behauptet, dann ist das haltlos"Ich zitierte aus Tagesanzeiger-online vom 4.4.08
Kommentar: Eveline Widmer überzeugt rhetorisch:
- Sie spricht frei
- Sie spricht zu den Journalisten und damit zum Publikum
- Sie macht ICH-Aussagen
- Die Gedankensequenzen sind einfach kurz und verständlich!
- Die Emotionen klammert sie nicht aus
Doch unterläuft ihr EIN gravierender Fehler. Ueberlegen Sie ! - Welcher?
Ich beantworte morgen diese Frage.
Nachtrag 5. April:
Gestern hatte ich anlässlich eines Referates bei "eclipse-film" in Schaffhausen dem Publikum diesen Beitrag gezeigt und die Frage gestellt, was Eveline Widmer Schlumpf vor Mikrofon und Kamera falsch gemacht hat. Die Frau eines Theologen fand spontan die richtige Antwort. Die Bundesrätin habe negative Begriffe wiederholt:
"Ich habe die Wahl nicht erschlichen".
"Sie war nicht abgesprochen."
"Ich habe nie jemanden angelogen."
Durch die Wiederholungen der Vorwürfe (auch in negativer Form) werden sie im Gedächtnis gefestigt. Dieses Phänomen nutzen Werbespots, bei dem beispielsweise ein Markenbegriff bewusst wiederholt wird: "Pepsodent- Pepsodent- Pepsodent". Der Werber will Worte durch gezieltes Wiederholen einprägen. Nach wahrnehmungspsychologischen Erkenntnissen darf Negatives nie durch unnötiges Wiederholen gefestigt werden. Einem Kind, das die Türe zuschlägt, sage ich nicht: "Martin schletze bitte nicht die Türe zu!" Ich formuliere es positiv: "Martin, schliesse bitte die Türe leise!"
Falls mir jemand vorwerfen würde: "Kommunikationscoaching ist fragwürdig. Als Coach lernen Sie den Leuten, zu manipulieren." Dann dürfte ich nicht den Fehler machen und das Wort manipulieren wiederholen - auch nicht in negativer Form.z.B. Es geht nicht ums Manipulieren, sondern.... Ich müsste antworten: "Nein! Es geht ums Ueberzeugen!"
Eveline Widmer -Schlumpf wurde vorgeworfen, sie habe mit den Blocher Gegnern vor der Wahl gemeinsame Sache gemacht und die Sache abgesprochen. Ihre Aussagen stimmten mit den Akteuren des Geheimplanes (gemäss Zumbühlfilm) nicht überein. Hämmeli Wyss und Darbellay auch Maurer hätten andere Aussagen gemacht. Somit habe sie gelogen und sei eine Verräterin und habe die Wahl erschlichen.
Durch die negative Wiederholung hatte die kritisierte Bundesrätin die Vorwürfe unnötigerweise gefestigt. Es besteht die Gefahr, dass an ihr das Image Lügnerin, Verräterin kleben bleibt, weil sich die Worte im Langzeitgedächtnis einnisten.