Der Blocher Film wirkt so, als wäre er schon tot
Ich habe heute den Film L'EXPERIENCE BLOCHER angeschaut.
Das Filmwerk wirkte vor allem durch das hervorragende Bildmaterial, den Schnitt und die Komposition.
Für mich ist der Film eine künstlerische, filmische Psychologisierung eines Politikers. Blocher wird in unseren Medienseminaren seit Jahren immer wieder als Phänomen thematisiert wird. Negativ wie auch positiv.
Christoph Blocher vertraute dem bekannten Regisseur Jean-Stéphane Bron und liess die Kamera so nah an sich heran, wie ich es bei keinem Politiker je gesehen habe. Ich wunderte mich, dass er es zulässt, sich auch schlafend filmen zu lassen oder wenn im Badezimmer Gesichtscrème aufgetragen wird. Bei meinen Beratungen mache ich alle Kunden auf die Gefahr von Homestorys aufmerksam und rate Zurückhaltung im Umgang mit Medien bei Aufnahmen in der Privatsphäre.
Blocher liess jedoch diese Nähe bewusst zu. Er begründet dies im aktuellen TELE-BLOCHER:
Wenn man Modell stehe für ein Kunstwerk, müsse man dazu auch Hand bieten. Sonst sei man unglaubwürdig. Blocher sieht diese Bereitschaft zu intimen Aufnahmen sogar als Zeichen der Transparenz.
Diese Begründung wirkt für mich als Selbstschutzbehauptung. Ich vertrete jedenfalls hinsichtlich Privatsphäre und Medien eine andere Meinung.
Der Blocher- Film darf sich als Filmwerk sehen lassen, obwohl der Zulauf in Schaffhausen bis anhin bescheiden war. Dass der Regisseur den Film so gestaltete, als sei die umstrittene Persönlichkeit tot, ist offensichtlich: Der Film beginnt am Friedhof und endet am Friedhof.
Bron gibt Blocher selten das Wort. Er wollte das Phänomen Blocher vor allem mit cineastischen Mitteln begegnen. Es wird viel geschwiegen. Die Zuschauer müssen das Innenleben Blochers gleichsam erahnen.
Weil der Politiker die Psychoanalyse hasst, hat der Regisseur - nach seiner Aussage- diesen psychoanalytischen Ansatz bewusst gewählt.
Bei den zahlreichen Sequenzen im Auto kommt der bekannte Filmemacher dem einmaligen Schweizer Politikers am nächsten. Die Autofahrten dominieren. Ohne Worte spricht in den vielen Nahaufnahmen das Gesicht Blochers Bände. Die Aufnahmen aus dem Helikopter, die das Auto über Autobahnen und Passstrassen verfolgt, sind eindrücklich. Im Kino lernte ich einen alternden Mann kennen, der für die Unabhängigkeit der Schweiz kämpft. Eine Persönlichkeit, die viele nachdenkliche Seiten hat, die aber auch lachen kann.
Nachtrag NZZ:
Im Kino ist Blocher kein Kassenschlager
Schweiz
Kaum 3000 Eintritte hat der im Vorfeld vieldiskutierte Dokumentarfilm über SVP-Vordenker Christoph Blocher verzeichnet. Die Kinogänger bevorzugen die Hollywoodstars Ben Affleck, Justin Timberlake, Hugh Jackman oder George Clooney.
Natürlich haben Schweizer Dokumentarfilme generell einen schweren Stand gegenüber der übermächtigen Konkurrenz aus dem Ausland. Aber es gibt immer wieder Gegenbeispiele, die in die Phalanx von Hollywood-Produktionen einzudringen vermögen. Bestes Beispiel dafür ist «More than honey» von Markus Imhoof, der inzwischen allein in der Schweiz 250 000 Kinoeintritte verzeichnet.
In dessen Fahrwasser kam im vergangenen Juni «Der Imker» des Berner Filmemachers Mano Khalil alleine in der Deutschschweiz auf beachtliche 21 500 Zuschauer. Dokumentationen des ländlichen Lebens wie «Die Wiesenberger», «Alpsegen» oder «Die Kinder vom Napf» kamen alle auf über 50 000 Eintritte. Dass auch Dokumentarfilme mit einem politischen Inhalt funktionieren können, zeigte vor zehn Jahren Bron selber mit «Mais im Bundeshuus», der inzwischen 105 000 Eintritte aufweist.
Hoffen auf die Westschweiz
Von solchen Zahlen ist der Blocher-Film weit entfernt. Beim Filmverleih Frenetic hofft man jetzt auf die Lancierung in der Westschweiz, die nächste Woche erfolgt. Auch für die Deutschschweiz gibt man sich weiterhin zweckoptimistisch. Der Film, der Blocher während des Wahlkampfs vor zwei Jahren hauptsächlich im Fond seines Autos zeigt, wird sogar noch auf einigen zusätzlichen Leinwänden gezeigt.Trotzdem kann jetzt schon prophezeit werden, dass Blocher, der im Fernsehen und in den Printmedien ein langjähriger Garant für eine hohe Beachtung war, im Kino kein Kassenschlager wird.
LINKS:
26. Juni 2007 ... Es ist unbestritten, dass Christoph Blocher als Vater, als Offizier, Manager und Politiker überall erfolgreich war. Ackeret muss sich gefragt ...
rhetorik.ch/Aktuell/07/06_26/
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6. Juni 2008 ... Dass Christoph Blochers Akzeptanz nachlässt, ist offensichtlich. Es steht im nicht nur seine Persönlichkeitsstruktur im Weg, nach der Abwahl ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/08/06_06/
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3. Febr. 2006 ... "16 Jahre lang hat Christoph Blocher jeweils zu Jahresbeginn im Zürcher Schützenhaus Albisgütli den politischen Gegnern die Leviten ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/06/02_03.html
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