Der Dauergrinser
aus 20 Min:
In
der TV-Debatte zwischen den Vizepräsidentschaftskandidaten fiel vor
allem eines ins Auge: Joe Bidens Zähne. Einer Kukident-Werbung wäre
dessen Mimik sicher besser angestanden.
Kommentar:
Radio 1 wollte von mir gestern wissen, wie ich dieses aufgesetzte Lachen von Biden beurteile.
Ich machte in meinem Interview die Vor- und Nachteile des aufgesetzten Lachens bewusst.
„Good old Joe“ hat seinen Chef Obama
rausgehauen. Beim TV-Duell zeigte Vize-Präsident Joe Biden Zähne. Sein
lässiger Auftritt löst einen Twitter- und Facebooksturm aus
In meinen Analysen in rhetorik.ch habe ich immer wieder über das falsche Lachen von Politikern geschrieben. Bei Bundesrätin Calmy-Rey schrieb ich beispielsweise: Die Bundespräsidentin zeigt immer noch ihr künstliche Lachen von früher, mit dem
Zähnezeigen. (Man sagte bislang, mit ihrem permanenten Lachen habe
sie auf freundliche Art den Kollegen und Medienschaffenden die Zähne
gezeigt). Tatsächlich hatte die Frau auch Biss.
Ich zitiere aus einem meiner Beiträge über Jörg Kachelmann im PERSOENLICH:
Zum permanenten Lachen Kachelmanns vor der Presse - als Kachelmann erstmals in der Untersuchungshaft den Fotografen vor geführt wurde -, strahlte er ständig wie ein
Glückspilz. Für mich wirkte dieses Lachen aufgesetzt: ein Schutzverhalten? Es gibt tatsächlich das Lächeln als «Beisshemmungsverhalten» – als Schutz. Zum Beispiel von Kindern, die in der Schule vom Lehrer laut kritisiert werden. Sie schützen sich in dieser Situation gleichsam mit einem Lächeln, in der Hoffnung, sie würden dann weniger «gebissen».
Die Psychologie spricht in solchen Fällen auch vom sozialen Lächeln. Es ist ein Beziehungsangebot und signalisiert Botschaften wie: «Tu mir nichts, dann tu ich dir auch nichts.» Normalerweise gibt es aber in unangenehmen Situationen, wie sie Kachelmann erlebte, nichts zu lachen. Innerlich musste er sicherlich verunsichert gewesen sein. Als prominenter Sympathieträger und erfolgreicher Unternehmer wurde er plötzlich öffentlich mit gravierenden Vorwürfen konfrontiert. Seine Verunsicherung wollte er
möglicherweise mit dem ständigen Lächeln überspielen.
Bei Jörg Kachelmann sehe ich aber das permanente Lachen vielmehr als Strategie: Als ein inszeniertes Lachen vor den Medien. In der Regel kommt nur situatives, echtes Lachen im Alltag gut an. Obschon künstliche Signale - selbst von Laien - intuitiv durchschaut werden und das künstliche Lachen Kachelmanns von den Zuschauern sofort als aufgesetztes Verhalten erkannt worden war, ging bei Kachelmann die Rechnung auf. Ich rechne jedenfalls damit, dass der lachende Gesichtsausdruck in der Öffentlichkeit eine positive Wirkung hatte. Verkäufer kennen die Kraft des Lächelns. Ein Geschäftsmann sagte mir vor Jahren: Ohne Lachen kannst du nichts verkaufen! Lieber ein aufgesetztes Lächeln als eine echte saure Miene. Ich kann mir gut vorstellen, dass dem «Medienopfer» geraten wurde, ein permanentes Lächeln aufzusetzen.
Kachelmann musste nämlich ein heftiges Blitzlichtgewitter überstehen. Dank des permanenten aufgesetzten Lächelns gab es nachher in den Medien kein einziges Bild, ohne dieses Lächeln. Damit hatte sich diesem Fall sein künstliche strategische Lachen im Gesicht gelohnt.
Dennoch gilt für mich - nach wie vor - das Grundprinzip bei der Kommunikation: Die Körpersprache sollte
immer mit der situativen Befindlichkeit übereinstimmen. Stimmen nämlich die
Emotionen mit den Körpersignalen nicht überein, sprechen wir von
paradoxen Kommunikationssprozessen. Die Aussage ist dann nicht mehr
glaubwürdig. Sie überzeugt weniger. Wer keine synchrone Botschaften
übermittelt, irritiert die Adressaten.
Ende Zitat.
So gesehen wird das Lachen Bidens seine Glaubwürdigkeit beeinträchtigst haben.
Weil die Medien das Dauergrinsen thematisierten, wird der Dauergrinser zusätzliche Punkte verlieren.
Dennoch gilt es zu berücksichtigen, dass ein Gesicht, das lacht, bei den Adressaten trotz der Künstlichkeit eine positivere Wirkung hat, als ein missmutiger Ausdruck. Für mich halten sich deshalb bei Dauergrinser Biden Schaden und Nutzen die Waage.