Lesenswerter Kommentar des Medienkenners Patrick Senn.
Er schreibt in seinem BLOG:
Die Eva-Falle
Dass Deutschland einen anderen Umgang mit allem hat, was die Zeit des Nationalsozialismus betrifft, ist wohl klar. Und die Frage, wie mit Wörtern umgegangen werden soll, die durch die Nazischergen positioniert worden sind, ist und bleibt eine heikle. Darf man «Führer» noch sagen? Darf man noch sagen: «Es ist gute Führerschaft gefragt»? Oder muss man auf das englische Leader und Leadership ausweichen?
Nach der Sendung vom 9. Oktober im ZDF müsste man sagen:: Nur nicht! Eva Herman wurde unter anderem zum Vorwurf gemacht, dass sie das Wort «gleichgeschaltet» verwendet hatte, als sie darüber erzählte, wie sie die einhellige Ablehnung ihrer Thesen in der Presse empfindet. «Gleichgeschaltet», so lehrte dann Professor Wolfgang Wippermann in der Sendung, sei von den Nazis eindeutig belegt. Das Wort «gleichschalten» darf damit also nicht mehr verwendet werden.
Nebenbei...
Das wird insbesondere auch für Ringier-Chefpublizist Frank A. Meyer eine wichtige Erkenntnis sein. Im Zusammenhang mit der Kritik von Ex-Kanzler Schröder hatte er selbst angemerkt, deutsche Zeitungen und Zeitschriften hätten sich «freiwillig gleichgeschaltet». Dannzumal blieb aber der Aufschrei des Entsetzens aus.
Evas Widerspruch
Nun mag man einwenden, dass Eva Herman tatsächlich einige Äusserungen tat, die nicht glücklich waren in ihrer Formulierung und prompt auch die real existierenden braunen Parteien in Deutschland bedient haben. Und sie widersprüchlich argumentierte: Zum einen führt Herman aus, sie habe sagen wollen, dass VOR der Nazi-Zeit die Mutter einen ganz anderen (Stellen-)wert genoss in der Gesellschaft, dass diese Werte von den Nationalsozialisten pervertiert wurden und in der Folge und mit der Abwendung von allem nationalsozialistischen auch die gesellschaftliche Achtung vor der Mutterrolle verloren ging. Damit distanziert sich Herman doch einigermassen explizit von der Interpretation in der Presse, Herman habe Sympathien zur Familienpolitik der Nationalsozialisten und das Familienbild der Nazis gelobt.
Dann zieht sie aber auch den Vergleich mit den Autobahnen her, sinngemäss: Die Autobahnen wurden von den Nationalsozialisten gebaut, wir fahren heute darauf und haben sie nicht abgerissen. Damit meint sie indirekt: Nicht alles unter dem Nazi-Regime war falsch und schlecht. Eine solche Aussage scheint in Deutschland nach wir vor schlicht undiskutabel zu sein (was ein eigenes Thema ist). Und Sie ist fragwürdig, weil ja die Familienpolitik der Nationalsozialisten und Tat und Wahrheit eine sehr perverse war. Der Punkt ist aber ein anderer: Sie widerspricht damit ihrer Aussage von vornhin. Der Vergleich insinuiert, die Familienpolitik und Achtung vor der Mutter während dem Naziregime seien gar nicht so schlecht gewesen. Was gilt jetzt? Haben die Nazis die Mutterrolle pervertiert? Oder war sie gar nicht so schlecht?
Und Kerner hat's nicht bemerkt
Wie geht nun der Journalist mit dem Widerspruch um? Leider gar nicht. Er und die anderen Gäste genügten sich damit, Hermans Autobahnvergleich als «Das geht einfach nicht» abzutun. Schade, denn das ist argumentativ ähnlich schwach wie der Widerspruch von Herman. Und spielt ihr natürlich zu, den die Neonazis feiern sie bereits als neue Märtyrin. Zumindest in diesem Punkt hat Herman recht, wenn sie sagt: «Was Ihr hier tut, ist ganz gefährlich.»