Dienstag, 3. Januar 2012

Wulffs Krisenspirale - unprofessionelles Krisenmanagement als Stolperstein


Quelle n-TV



Das Eigenheim wird für Bundespräsident Christian Wulff womöglich zum Stolperstein. Der Ex-Ministerpräsident Niedersachsens taumelt zumindest gewaltig angesichts der Vorwürfe.
Das Eigenheim wird für Bundespräsident Christian Wulff womöglich zum Stolperstein. Der Ex-Ministerpräsident Niedersachsens taumelt zumindest gewaltig angesichts der Vorwürfe.
(Foto: picture alliance / dpa)
Dienstag, 03. Januar 2012

"Gradlinige" Krisenstrategie?Wulff gibt nur Bekanntes zu

Seit Wochen liefert Bundespräsident Wulff Futter für Geschichten über zweifelhafte Deals, wütende Telefonate und eigentümliche Verquickungen von Privat- und Staatsgeschäften. Der Präsident selbst schweigt fast durchweg zu den Vorwürfen um seinen Hauskredit. Dabei hatte der CDU-Mann doch vor Weihnachten noch mehr Transparenz versprochen.
Die Affäre um den Privatkredit für den heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff nimmt im Februar 2010 ihren Anfang. Im niedersächsischen Landtag wird der damalige CDU-Ministerpräsident zu geschäftlichen Beziehungen zu dem Osnabrücker Unternehmer Egon Geerkens befragt. Wulff verneint die Anfrage damals – eine Aussage, die ihn im Dezember 2011 einholt.
Am 13. Dezember berichtet "Bild" erstmals über den Verdacht, dass Wulff damals den Landtag getäuscht haben könnte. Das Blatt hatte recherchiert, Christian und Bettina Wulff hätten sich mit einem privaten Kreditvertrag über 500.000 Euro von Geerkens ein Eigenheim finanziert. Der Bundespräsident erklärt lapidar über seinen Sprecher Olaf Glaeseker, die Anfrage im Februar 2010 sei damals "korrekt beantwortet" worden. Sie habe sich ausdrücklich auf geschäftliche Beziehungen bezogen, der Kredit basiere jedoch auf einer privaten Vereinbarung mit Geerkens Ehefrau Edith.

Geerkens reiste mit Wulff durch die Welt

Der nüchternen Reaktion sind - wie später herauskommt - offenbar hitzige Telefonate vorausgegangen. Im Vorfeld der "Bild"-Veröffentlichung hatte Christian Wulff wohl versucht, Einfluss auf die Berichterstattung des Blattes zu nehmen. Von einer Dienstreise aus versuchte Wullf den Chefredakteur der "Bild", Kai Diekmann, zu erreichen. Auf dessen Mailbox hinterließ er eine  längere Nachricht, die er kurz darauf offenbar bereute. Laut "Bild" habe er sich dafür zwei Tage nach dem Bericht in einem Telefonat "für Ton und Inhalt" entschuldigt. Laut "Süddeutscher Zeitung" soll Wulff in seiner ersten Nachricht einen  "endgültigen Bruch" mit dem Springer-Verlag angedroht haben. Der "Rubikon sei überschritten". Angeblich soll Wulff auch bei Verlagschef Mathias Döpfner und Mehrheitseignerin Friede Springer angerufen haben.
Doch alles vergebens, die Geschichte ist in der Welt. Und weitere Details kommen ans Licht. Am 14. Dezember wird bekannt, dass Wulff Geerkens Hilfe auch bei der Ablösung des Privatkredits durch ein Darlehen bei der BW-Bank in Anspruch genommen haben soll. Zudem soll Egon Geerkens 2008 und 2009  insgesamt dreimal einer Wirtschaftsdelegation Wulffs angehört haben.

Unternehmer heizt Affäre an

Wulff erklärt am Tag darauf schriftlich, er bedauere, dass "hier ein falscher Eindruck entstehen konnte". Und weiter: "Es wäre besser gewesen, wenn ich auf die Anfrage der niedersächsischen Abgeordneten im Landtag über die konkreten Fragen hinaus auch diesen privaten Vertrag mit Frau Geerkens erwähnt hätte, denn in der Sache hatte und habe ich nichts zu verbergen." Wulff gibt zugleich an, ein erstes Darlehen bei der BW-Bank, mit dem der Geerkens-Kredit abgelöst wurde, in ein langfristiges  Bankdarlehen "festgeschrieben" zu haben. Zwischen Weihnachten und Neujahr 2011 wird die Vokabel "festgeschrieben" noch einmal eine Rolle spielen.
Am 16. Dezember überrascht Geerkens damit, dass er seinem Freund in den Rücken fällt. Er trifft sich ein paar Mal mit dem "Spiegel" und plaudert über das Darlehen an Wulff. Dabei sagt er offen, dass er es war, der "mit Wulff verhandelt" hatte. Ihm sei wichtig gewesen, dass sein Name und der von Wulff nicht öffentlich auftauchten.

Urlaub mit Maschmeyer auf Mallorca

Für dieses Haus nahm Wulff den Kredit bei den Geerkens auf.
Für dieses Haus nahm Wulff den Kredit bei den Geerkens auf.
(Foto: REUTERS)
Noch am selben Tag bekräftigte Wulffs Anwalt, der Vertrag über das Darlehen in Höhe von 500.000 Euro sei mit Edith Geerkens geschlossen worden. Kurioserweise veröffentlichen Geerkens Anwälte ebenfalls eine Erklärung, in der es heißt, "entgegen anderslautender Meldungen wurde das Privatdarlehen an die Eheleute Wulff durch Frau Edith Geerkens gewährt".
Als Reaktion auf eine Anfrage der niedersächsischen SPD-Fraktion veröffentlichen Wulffs Anwälte am 18. Dezember eine Liste mit Urlauben von Wulff. Danach hatte der CDU-Politiker seit seiner Wahl zum niedersächsischen Ministerpräsidenten 2003 sechs Mal seinen Urlaub bei befreundeten Unternehmern verbracht. Nicht auf der Liste, weil schon bekannt, ist ein Urlaub nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten in der Villa des AWD-Gründers Carsten Maschmeyer auf Mallorca.

Egon Geerkens nur bei Aushandlung dabei

Am Abend des 19. Dezember enthüllt wiederum die "Bild"-Zeitung, dass Maschmeyer die Werbung für ein Interviewbuch bezahlt hat, das 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf erschien. Wulff lässt seinen Anwalt erklären, ihm sei von den Zahlungen nichts bekannt gewesen.
Zwei Tage später sagt Wulffs Anwalt der "Welt", der 500.000-Euro-Kredit sei zwischen Wulff und den Eheleuten Geerkens ausgehandelt worden: "Die Modalitäten wurden gemeinsam besprochen, das Darlehen von Frau Edith Geerkens gewährt".
Am 22. Dezember folgt dann der große vermeintliche Befreiungsschlag. Christian Wulff setzt seinen langjährigen Sprecher Olaf Glaeseker vor die Tür, wohl um zu symbolisieren, für die bisherige Salami-Taktik sei der Kommunikationsfachmann verantwortlich gewesen. Dass jetzt alles offener und direkter wird, soll eine persönlich vorgetragene Erklärung beweisen. Darin räumt Wulff Fehler ein und bittet das Volk um Vergebung – ein für Politiker schwerer Schritt. Dazu zählt er sein Krisenmanagement sowie das  Verschweigen des Privatkredits nach der Parlamentsanfrage. Zugleich  betont der Bundespräsident, sein Amt auch in Zukunft "gewissenhaft  ausüben" zu wollen. Etwa zeitgleich wird bekannt, dass  auch der Kredit bei der BW-Bank, mit dem der Geerkens-Kredit  abgelöst wurde, besonders günstige Konditionen beinhaltete – ein Umstand, den Wulff in seiner Erklärung verschweigt.

Porsche-VW-Deal half BW-Bank aus der Patsche

Nach den Weihnachtsfeiertagen werden die Kreditkonditionen der BW-Bank erneut Gegenstand der Medienberichterstattung. Aus dem Aufsichtsrat der Stuttgarter BW-Bank  kommen Forderungen nach einer Überprüfung des Darlehens für Wulff. Das Geldhaus zögert zunächst. Ein Tag vor Silvester teilt die Bank dann mit, der Vertrag, mit dem ein erster Kredit in ein zinsgünstigeres  Darlehen umgewandelt wurde, sei am 12. Dezember 2011 an Wulff von der BW-Bank unterschrieben versandt worden – ein Tag vor Bekanntwerden der Kreditaffäre Wulffs. Erst ein Tag vor seiner öffentlichen Erklärung zu der Affäre habe Wulff den Vertrag unterzeichnet und zurückgeschickt.
Das Verhältnis zwischen Christian Wulff und der BW-Bank ist delikat: Laut einem "Spiegel"-Bericht vom 31. Dezember soll Wulff als Ministerpräsident im Jahr 2009 maßgeblich am Zustandekommen einer Grundlagenvereinbarung zwischen Porsche und Volkswagen beteiligt gewesen sein. Porsche entlastete das damals von massiven finanziellen Problemen – und damit auch die BW-Bank, die einer der großen Geldgeber des Sportwagenherstellers gewesen sei. Vier Monate später wandte sich Wulff dann wegen der Umwandlung des Privatkredits von Geerkens an die BW-Bank. Wulff, der damals als  Ministerpräsident im VW-Aufsichtsrat saß, bestreitet eine "Interessenkollision".
Im neuen Jahr werden dann die Versuche Wulffs bekannt, Einfluss auf die Berichterstattung der "Bild" zu nehmen. Das Boulevardblatt enthält sich dabei zunächst, bestätigt dann aber doch, dass die Darstellung anderer Medien über die Telefonate korrekt sei. Offen bleibt jedoch zunächst die Frage, wie die Aussagen des Präsidenten von der Mailbox Kai Diekmanns in die Presse gelangt sein können.


NACHTRAG (Tagi):


Jetzt kümmert sich die Justiz um Wulffs Telefonate



Mit seinen Anrufen beim Springer-Verlag hat sich Christian Wulff richtigen Ärger eingehandelt: Der Staatsanwalt prüft einen Verdacht auf Nötigung – führende Politiker fordern eine Erklärung. Mehr...
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20 Min:



Drohungen und Beeinflussungsversuche: Der deutsche Bundespräsident Wulff erzürnt die Presselandschaft. Die Medien finden dafür deutliche Worte. 







Quelle 20 min



Wulff hat eine weitere Chance verpasst:



Christian Wulff bleibt auch nach dem Interview im deutschen Fernsehen in der Kritik. Die «Bild»-Zeitung wehrt sich gegen seine Erklärung, er habe mit dem Telefonat lediglich um Aufschub gebeten.
Eine verpasste Chance: Christian Wulff währen des ARD-Interviews. (4. Januar 2012)
Eine verpasste Chance: Christian Wulff währen des ARD-Interviews. (4. Januar 2012)
Bild: Keystone

Elf Millionen verfolgen das Interview

Das erste TV-Interview von Bundespräsident Christian Wulff zur Kreditaffäre und seinen umstrittenen Anrufen beim Verlag Axel Springer hat bei den Zuschauern grosses Interesse hervorgerufen.

Im Schnitt 11,49 Millionen Menschen verfolgten nach Senderangaben am Mittwochabend ab 20.15 Uhr das zeitgleich ausgestrahlte Interview von ARD und ZDF. Mehr als ein Drittel der Fernsehzuschauer entschieden sich damit für das rund 20-minütige Gespräch mit dem Staatsoberhaupt. (dapd)

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Die Affäre Wulff
Die Affäre Wulff
Der deutsche Bundespräsident gerät immer mehr in Bedrängnis. Die Protagonisten in der Kredit- und Presse-Affäre Wulff.
Bundespräsident Christian Wulff bleibt auch nach seiner öffentlichen Entschuldigung für sein Verhalten in der Hauskredit-Affäre unter Druck. Vertreter von SPD, Grünen und Linke bezeichneten seine Erklärungen als nicht ausreichend. Die «Bild»-Zeitung widersprach Wulffs Darstellung, er habe eine Berichterstattung zu der Affäre durch einen Anruf bei Chefredakteur Kai Diekmann nicht unterbinden wollen.
Den Anruf Wulffs bei Diekmann habe die Redaktion deutlich anders wahrgenommen als von Wulff dargestellt, sagte der Leiter des «Bild»-Hauptstadtbüros, Nikolaus Blome, im Deutschlandfunk. Es sei ganz klar Ziel des Bundespräsidenten gewesen, die Berichterstattung über die Hausfinanzierung zu unterbinden.

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