Bin Ladens Tod: Experten zur Macht der Bilder
Mittwoch, 4. Mai 2011,
Die Fotos des toten Terroristenchefs Osama Bin Laden bleiben unter Verschluss. Das hat US-Präsident Barack Obama entschieden. Diese Entscheidung ist unter Politik- und Kommunikations-Experten umstritten. In einem Punkt sind sich die Experten einig: Die heftige Debatte verdeutlicht die zunehmende Macht der Bilder in Konflikt-Situationen.
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Der Kommunikationsexperte Marcus Knill ist gegen eine
Veröffentlichung der Bilder der Leiche Osama Bin Ladens. Gegenüber
«tagesschau.sf.tv» erklärt er: «Die US-Regierung ist in einem Dilemma.
Einerseits müssen sie beweisen, dass es sich bei der getöteten Person
tatsächlich um Osama Bin Laden handelt. Andererseits könnte ein
veröffentlichtes Bild beim Zuschauer auch negative Reaktionen auslösen.»
Marcus Knill glaubt aber nicht, dass damit mit einer Publikation alle
Zweifel ausgeräumt sind. Aus einem einfachen Grund: «Die
Verschwörungstheoretiker kann man auch nicht mit einem Bildbeweis von
ihren Theorien abbringen.» Dieser Meinung ist auch Tina Höfinghoff,
Direktorin des Amerika-Hauses in Nordrhein-Westfalen. «Bilder lassen
sich zu einfach manipulieren». Sie könne zwar verstehen, dass die
Öffentlichkeit Bilder des toten Bin Laden sehen wolle, aber sinnvoll
finde sie es nicht.
Michael Bauer vom Centrum für angewandte Politikforschung in München
geht sogar noch ein Stück weiter: «Wenn Sie sich Verschwörungstheorien
mal anschauen, dann wird es da geradezu als Beweis für die Theorie
gesehen, wenn ein Staat hingeht und versucht, das zu entkräften.»Was die Vorteile einer Veröffentlichung solcher Bilder wären:
Anderer Meinung ist der Terrorismus-Experte Christian Tuschhoff von der Freien Universität Berlin. Er würde einer Veröffentlichung sorgfältig ausgewählter Bilder zustimmen, vor allem weil er glaubt, dass diese sonst auf anderem Wege ans Licht kämen: «Die lassen sich ja auch versilbern.»
Welche Bedeutung Bilder als Beweise in unserer Gesellschaft haben:
«In militärischen und anti-terroristischen Kämpfen haben sich Bilder als Beweismittel etabliert», sagt Peter Ludes, Medienwissenschaftler in Bremen. Beispiele gibt es zu Genüge, allerdings zeigen sie meist keine führenden Köpfe. Lieber werden Videos präsentiert, die etwa exakte Luftangriffe der Nato auf libysche Panzer oder eben das gestürmte Anwesen Bin Ladens zeigen.
Egal, wie oft Fotos oder Videos im Laufe der Geschichte bereits manipuliert wurden, sie scheinen «das» probate Mittel zu sein, um eine Behauptung auch tatsächlich zu belegen. Auch von Bin Laden tauchten kurz nach seinem Tod vermeintliche Bilder seiner Leiche auf. Bloss wurden sie wenig später als Fälschungen entlarvt. Der Soziologe Ludes betont dennoch, dass Bilder der Glaubwürdigkeit offizieller Stellungnahmen dienen und immer wichtiger werden: «Worte allein verlieren an Bedeutung in Gesellschaften, die kontinuierlich Zugang zu Veröffentlichungen mit Offensichtlichkeiten erwarten.»
Was die US-Regierung mit den Bilder aus dem Situation Room vermitteln will:
US-Präsident Barack Obama und sein Stab werden in dem Situation Room des Weissen Hauses über die Operation gegen Bin Laden informiert. «Wie ein Laser» habe der Präsident die Monitore fixiert, schreibt die «New York Times» über die perfekt inszenierten Aufnahmen des Chef-Fotografen von Obama.
Kommunikationsexperte Knill erklärt: «Die Bilder aus dem Situation Room zeigen eine betroffene Regierung. Der Gesichtsausdruck von Barack Obama deutet auf einen ernsthaften Präsidenten hin. Nirgends lacht der US-Präsident.»
Und er führt fort: «Obama gibt sich auf dem Foto entschlossen. Er will seinen Stimmbürgern zeigen, seht her, ich kann schnell entscheiden. Dieses bewusst ausgewählte Foto wird von der amerikanischen Bevölkerung positiv aufgenommen werden.» Wie sich bereits in den ersten Meinungsumfragen abzeichnet, scheint die Strategie Obamas aufzugehen. Denn seine Popularität steigt an.
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