Journalisten werden angehalten während der Pandemiekrise nicht kritisch über den Bundesrat zu schreiben
Darum gehts:
(Quelle 20 Min)
Ringier-CEO Marc Walder hat seine Redaktionen dazu aufgefordert, die Regierungen während der Corona-Pandemie zu stützen.
Das sagt er in einem internen Video von Februar 2021.
Der Nebelspalter wirft Ringier und Blick nun fehlende Objektivität und unkritische Berichterstattung vor.
«Medien dürfen nicht das Sprachrohr der Politik sein», sagt Andreas Fahr, Professor für Mediennutzung und Medienwirkung an der Universität Freiburg.
«Die Aussage kann – aus dem Zusammenhang gerissen – falsch interpretiert werden», sagt Ringier-Sprecherin Johanna Walser.
Das Video vom 3. Februar 2021 lässt aufhorchen. Darin sagt Marc Walder, CEO und Managing Partner von Ringier, dass er seine Redaktionen in allen Ländern angewiesen habe, die Regierung während der Pandemie zu stützen: «Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.›» Die Aussage machte Walder im Rahmen der Gesprächsreihe «Inspirational Talk» der Schweizerischen Management Gesellschaft, als er gefragt wurde, worin er die Aufgabe der Medien in der Pandemie sehe.
Wie Walder sagt, könnte etwa die Blick-Gruppe «deutlich härter» mit der Regierung umgehen. Das nütze jedoch niemandem etwas. «Wir müssen versuchen, dass die Politik – ob sie jetzt genug schnell, genug hart, zu wenig hart agiert – das Volk nicht verliert. Und hier dürfen die Medien keinen Keil zwischen die Gesellschaft und die Regierung treiben.» Je stärker Medien die Regierung kritisierten, desto eher komme es etwa zu gewalttätigen Ausschreitungen an Demonstrationen. Die Medien hätten in der Corona-Krise «eine zusätzliche Dimension an Verantwortung», so Walder.
«Medien dürfen nicht das Sprachrohr der Politik sein»
Andreas Fahr, Professor für Mediennutzung und Medienwirkung an der Universität Freiburg, macht auf die besondere Bedeutung der Medien, auch und gerade in Krisen aufmerksam: «Medien, als vierte Gewalt, sind ein wichtiger Teil jeder Demokratie. Sie haben die zentrale Aufgabe, Missstände in der Politik aufzudecken.» Werde die Distanz zwischen Medien und Politik nicht gewahrt, könne das fatale Konsequenzen haben: «Werden Journalistinnen und Journalisten zum Sprachrohr von politischen Akteuren gemacht, können sie ihre Kritik- und Kontrollfunktion nicht mehr wahrnehmen.» Medien dürften nicht ein unkritisches Sprachrohr von Politik oder anderen Akteuren sein. «Staatsgläubig dürfen und sollen sie keinesfalls sein», sagt Fahr.
Journalistinnen und Journalisten hätten im Rahmen der Informationsfunktion zwar auch die Aufgabe, die Bevölkerung über die Tätigkeiten der Politik zu informieren. «Aber das heisst freilich nicht, ein ungefiltertes Copy-Paste der Informationen, die sie von ihren Quellen erhalten.» Fahr warnt: Solche Fälle könnten die ohnehin schon in gewissen Kreisen vorhandenen Glaubwürdigkeitskrise der Medien verschärfen. Manche Teile der Gesellschaft könnten sich so weiter von den Medien entfernen.
«Video reicht nicht aus»
Dass Redaktionen frei und unabhängig berichten können und sollen, sei in einer Demokratie extrem wichtig, sagt auch Linards Udris, stellvertretender Forschungsleiter am Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich. «Würde sich herausstellen, dass der CEO eines Medienunternehmens tatsächlich eine kritische Berichterstattung verunmöglicht hat, wäre das problematisch.»
Das Video alleine reiche als Beweis für einen solchen Eingriff jedoch nicht aus. Dafür müsste man etwa abklären, ob die angebliche Weisung Walders Einfluss auf die Chefredaktion und den redaktionellen Alltag gehabt habe, so Udris. «Unser Bericht zur Qualität der Medienberichterstattung in der Corona-Pandemie hat aber gezeigt, dass die Berichterstattung in den meisten Medien durch eine Behördendistanz geprägt war und eine kritische Haltung gegenüber der nationalen Regierung und Verwaltung überwog.» Journalistinnen und Journalisten sei bewusst, dass sie sich nicht instrumentalisieren lassen dürften – weder vom eigenen Management, noch von PR-Interessen, sagt Udris.
Kommentar: Wo bleibt da die kritische Distanz zu den Behörden?
Auch in einer Krise muss Journalismus kritische Distanz bewahren, um glaubwürdig zu bleiben.
Wyss kritisiert auch, dass der Ringier-CEO seinen Redaktionen eine Devise vorgab. Die Redaktionen müssten zwingend vom Verlag unabhängig sein, findet der Medienwissenschaftler. «Ein CEO sollte jedes noch so unbegründete Geschmäckle vermeiden, dass die Redaktion ihre Unabhängigkeit nicht bewahren könne.»
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