GOTTHARD: Teuerste TV - Prduktion aller Zeiten
Kleinreport stellt kritische Fragen:
Mit «Gotthard» leistet sich SRF nach eigenen Angaben die teuerste TV-Produktion aller Zeiten und das in Zeiten, wo auch bei der SRG kräftig gespart werden muss. Wie passt das zusammen?
Nur dank der Unterstützunginternationaler Koproduzenten und verschiedenen Filmförderungen
war es möglich, ein Projekt dieser Dimension umzusetzen.»
«Gotthard» hat 11 Millionen Franken gekostet, ZDF und ORF haben
als Koproduzenten fünf Millionen beigesteuert. Bleiben sechs
Millionen Franken für SRF. Eine stattliche Summe für einen
Zweiteiler.
Warum wurde in Prag gedreht?
Gibt es in der Schweiz keine stillgelegten Steinbrüche?
Fitze: «Einen Steinbruch in der benötigten Grösse gibt es in der
Schweiz tatsächlich nicht. Die Möglichkeit, den Film in der Nähe
von Prag auf diesem Gelände drehen zu können, war ein Glücksfall
für uns und hat geholfen, die Produktionskosten deutlich zu
reduzieren.»
Für den Nachbau des Stollens ist man nach Deutschland
ausgewichen. Hätte man diese Filmaufnahmen nicht ins Ausland verlegt, wären wenigsten ein Teil der immensen Produktionskosten in der Schweiz ausgegeben worden. Doch nun haben Deutschland und die Tschechei profitiert. Die SRG ernährt sich bekanntlich unter anderem vor allem von einem grossen Gebührentopf. Muss sie da nicht jede Ausgabe seriöser überdenken?
Urs Fitze: «Bei dieser Produktion handelt es sich nicht nur um
eine nationale, sondern auch um eine internationale Koproduktion,
was bedeutet, dass mehrere Länder Geld in dieses Projekt
investiert haben. Es liegt also in der Natur der Sache, dass die
verschiedenen Drehorte nicht nur in der Schweiz angesiedelt sind.
Die gesamten Produktionskosten im Ausland wurden ausschliesslich mit ausländischen Geldern finanziert. Die von der SRG investierten rund 5,7 Millionen Franken wurden vollumfänglich in der Schweiz investiert. In Tschechien werden regelmässig historische Filme gedreht, dort existieren die entsprechenden Requisiten wie zum Beispiel Pferdekutschen. Solche Requisiten gibt es in der Schweiz und in Deutschland nicht. Der Transport war aus versicherungstechnischen Gründen nicht möglich.»
TAGI kommentiert:
Zu Beginn muss allerdings wüst herumkonstruiert werden,
damit die 180-Minuten-Geschichte Fahrt aufnimmt. Das Gerüst des Dramas
ist nämlich ein Dreieck: Im Zentrum steht eine Urner Fuhrmannstochter
aus Göschenen (gespielt von Miriam Stein, der Tochter von TV-Mann
Dieter/Max Moor). Umschwärmt wird sie von einem deutschen Ingenieur, der
gescheit ist, aber wenig Durchsetzungskraft hat (Maxim Mehmet, der Herr
Sesemann aus dem neuen «Heidi»-Film). Und von einem italienischen
Arbeiter, der sich mit seiner heissblütig-anarchistischen Ader überall
Feinde macht (Pasquale Aleardi, der Zürcher Schauspieler und Musiker).
Es ist alles drin im Gotthard, eine Portion Bauernschwank, eine Portion Gesellschaftskritik. Mainstream-Fernsehen für Jung und Alt. Die Augen schliessen muss man nur, wenn der Doktor eine Säge zückt, um ein Bein zu amputieren. Aber auch da wird rechtzeitig weggeschnitten.
Hoher Berg, tiefe Gefühle: Anna (Miriam Stein) und Max (Maxim Mehmet) nehmen am historischen Schauplatz einige Umwege, um zueinander zu finden. Szene aus dem SRF-Zweiteiler «Gotthard».
Zudem seien die meisten Mineure nicht gestorben, weil sie erstickt sind. Es stimme zwar, dass sie an zu wenig Luft gelitten haben, der Film vermittle jedoch stellenweise ein falsches Bild. Die meisten Arbeiter «sind von herabfallenden Steinen erschlagen, von Wagen überfahren oder bei Explosionen getötet worden», sagt der Experte. Dann sei es auch nicht Bundesrat Emil Welti gewesen, der die Eröffnungsrede gehalten haben, sondern Simeon Bavier – der erste Bündner, der dem Bundesrat angehörte. «Und noch ein Detail: Die Schiesserei während des Streiks fand im Film vor dem Tunnelportal statt, dabei war diese im Dorf. Es hat wohl einfach besser ausgesehen so.»
KOMMENTAR:
Der Zweiteiler kostete insgesamt 11 Mio Franken. Eine stattliche Summe. Starregisseur Urs Egger liebt jedoch Detailtreue und dies kostet enorm. Allein schon die Kleider mussten alle auf ALT getrimmt werden. Der Film war in jeder Hinsicht aufwändig. Die Kunstbauten, das nachgebaute Tunnel in einer Halle. Der Film vermag uns sehr gut in jene Zeit versetzen - mit all den unzumutbaren Zuständen im Tunneldorf. Wir erleben die Sorgen und Nöte der Taglöhner. Drehort des Tunnels war in Köln und die Baustelle in einem Steinbruch in Prag. Das Zeitdokument ist ambitiös und spektakulär. Der Aufwand hat sich fürtotz Vorberhalten gelohnt.
Die Geschichte wird von unten erzählt, d.h. mit wenig Personen - wir befinden uns sofort mitten im Geschehen.
Zuschauer, welche keine Geschichtskenntisse haben, schlecht eingeordnet werden. Die Auswahl der Schauspieler war treffend hervorragend. Die Rollen waren ihnen auf den Leib geschnitten.
Die Liebesgeschichte im Teil 1 dominierte im 2.Teil zu stark.
Möglicherweise wurden die Beziehungsgeschichten bewusst ins Zentrum des Geschehens gerückt. Liebesgeschichten versprechen mehr Quoten als ein faktentreues Zeitbild.
Bei den Beziehungsgeschichten mit verschiedenen Männern wurde es des Guten zu viel. Der zweiter Teil grenzte für viele Zuschauer ans Kitschige. Schade.
Diese Filmprojekt verdeutlichte, wie schwierig es ist, historische Fakten und filmisches Erzählen unter einen Hut zu bringen. Bei diesem Projekt muss die Frage nach Exaktheit gestellt werden. Die Liebesgeschichte war omzweiten Teil zu dominant. Unglaubwürdig wird es, wenn der Deutsche beim Schiessbefehl gegen die streikenden Arbeiter eine wichtige Rolle spielt.
Fazit: Ein unterhlaltsamer, emotionaler Film - zwar zeitkritisch, aber ohne historischen Zusammenhang.
Erfolgsquote: Sehr gut. Ueber eine Million Zuschauer!
Zudem seien die meisten Mineure nicht gestorben, weil sie erstickt sind. Es stimme zwar, dass sie an zu wenig Luft gelitten haben, der Film vermittle jedoch stellenweise ein falsches Bild. Die meisten Arbeiter «sind von herabfallenden Steinen erschlagen, von Wagen überfahren oder bei Explosionen getötet worden», sagt der Experte. Dann sei es auch nicht Bundesrat Emil Welti gewesen, der die Eröffnungsrede gehalten haben, sondern Simeon Bavier – der erste Bündner, der dem Bundesrat angehörte. «Und noch ein Detail: Die Schiesserei während des Streiks fand im Film vor dem Tunnelportal statt, dabei war diese im Dorf. Es hat wohl einfach besser ausgesehen so.»
Trotz Unstimmigkeiten eine positive Bilanz
So zieht der Historiker Kilian T. Elsasser trotz der vielen Unstimmigkeiten in «Gotthard» eine positive Bilanz. «Den Film muss man einfach gesehen haben», sagt er. Denn es sei «ein neuer spannender Ansatz, um eine alte Geschichte zu erzählen, von der alle meinen, sie kennen sie schon.»
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