Obschon der Artikel nach dem Unfall Müllers heute zynisch wirkt, konnte die Beilage aus Kostengründen nicht mehr eingestampft werden.
SI präsentiert Müller als «Naturtalent am Steuer»
In einer Beilage der aktuellen «Schweizer Illustrierten» wird das Fahrkönnen Philipp Müllers gelobt. Das Heft wurde gedruckt, bevor der Unfall des FDP-Chefs publik wurde.
Stattdessen wird ein alter Freund Müllers, ein Garagist, mit dem folgenden Satz zitiert: «Phippu ist ein Naturtalent hinter dem Steuer.» Müller selbst berichtet Anekdoten aus seiner Zeit als Rennfahrer, etwa, dass er im Porsche-Cup 1992 schneller als Ex-Formel-1-Pilot Heinz-Harald Frentzen gewesen sei. Habe ihn ein anderer Rennfahrer auf dem Kurs touchiert, sei er schnell auf 180 gewesen.
Just am Freitag, an dem das Extra-Heft herauskam, wurde bekannt, dass das junge Unfallopfer wegen gravierender Beinverletzungen ein halbes Jahr lang auf den Rollstuhl angewiesen sein wird.
«Zweifellos unpassend und unglücklich»
Bei der Zeitschrift war man sich bewusst, dass der Beitrag für Kopfschütteln sorgen könnte: So beugt Stefan Regez, Co-Chefredaktor der SI, im Editorial allfälliger Kritik am Präsidenten der Freisinnigen vor. Das Heft sei vergangene Woche in Druck gegangen, noch bevor Müllers Unfall publik wurde. Das Treffen habe schon im Juli stattgefunden. Man bedaure die unglückliche Konstellation und wünsche der jungen Frau gute Genesung.
Auf Nachfrage von 20 Minuten sagt Regez, dass die Geschichte mit Philipp Müller vor dem Hintergrund des tragischen Unfalls «zweifellos unpassend und unglücklich»
sei:
«Wir verstehen, dass die Geschichte als zynisch beurteilt wird, wenn man nicht weiss, dass das Heft bereits abgeschlossen und im Druck war, als der Unfall am 11. September publik wurde.»
Kosten von 100'000 Franken
Hätte man die Zeitschrift eingestampft und neu gedruckt, wäre dies das herausgebende Verlagshaus Ringier teuer zu stehen gekommen: Die Kosten hätten sich auf über 100'000 Franken belaufen. Auch hätte das Wahl-Extra laut Regez nicht am 18. September erscheinen können, wie es mit den Kunden und Parteien vereinbart worden sei.
Gross ist das Bedauern auch bei der FDP: «Das ist natürlich extrem unglücklich. Wir wollten den Artikel zurückziehen», sagt Kommunikationschef Georg Därendinger. Dies sei aber - gemäss Ringier - nicht mehr möglich gewesen.
KOMMENTAR:
Einmal mehr sehen wir bei dieser Geschichte, was Medienberichte bewirken können. Das positive vierseitige Portrait des Parteipräsidenten, das nun nach dem tragischen Unfall zynisch wirkt, konnte angeblich aus Kostengründen nicht mehr zurückgezogen werden. Die publizierten vier Seiten in der SI werden somit zu einem zusätzlichen Medienhype für Philipp Müller. Der traurige Vorfall, der jedem Autofahrer geschehen könnte, wird ihm nun nicht nur durch sein laienhaftes Krisenmanagement zum Verhängnis. Der positive Beitrag in der Beilage der SI wird nun gleichsam zum Bumerang. Er kratzt zusätzlich am Image des bekannten Politikers. Die leide Geschichte wird erneut aufgewärmt und ankert bei den Lesern im Langzeitgedächtnis.
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