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Rhetorik.ch Blog
Persönliche Gedanken
von Marcus Knill
zu Aktuellem.
Nur wer Leerformeln erkennt, kann lernen, klarer und eindeutiger zu sprechen.
Notiert von marcus knill um 10:02
Notiert von marcus knill um 22:33
(Aus 20 Min)
Notiert von marcus knill um 09:51
Martin Luthers Umgang mit der deutschen Sprache wird in den Wirren des grassierenden Genderismus aktueller denn je. Vor 500 Jahren begann Luther mit der Übersetzung der Bibel und übte damit einen großen Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Sprache aus, die man am ehesten vergleichen kann mit der Wirkung von Dantes „Divina Commedia“ auf das Italienische. Der Reformator hatte weder als erster, noch als einziger eine Bibel in deutscher Sprache geschaffen, nur war seine Übertragung die folgenreichste, weil er die Heilige Schrift in ein klingendes und lebendiges Deutsch übersetzte, während die anderen lediglich versucht hatten, mechanisch wortwörtliche Entsprechungen im Deutschen für die lateinischen Wörter zu finden.
In Zusammenarbeit mit dem Philologen Philipp Melanchthon und dem Hebraisten Matthäus Aurogallus bemühte sich Luther, „den Text in reinem und klarem Deutsch wiederzugeben“. Diesem Ziel verschrieben, berichtet er über die Arbeit, dass es ihnen oft begegnet sei, „dass wir vierzehn Tage, ja drei oder vier Wochen lang ein einziges Wort gesucht und erfragt und dennoch zuweilen nicht gefunden haben“. Mit der Bibel-Übersetzung schuf er die deutsche Normsprache, die nun von den Genderisten unter behördlicher Unterstützung zerstört werden soll.
Aus Anlass des Jubiläums der Bibelübersetzung lädt die Internationale Martin Luther Stiftung in der zweiten Jahreshälfte drei Schriftsteller auf die Wartburg ein, damit sie sich mit Luthers sprachschöpferischer Leistung auseinandersetzen. Der Einladung haben der Büchnerpreisträger Martin Mosebach, die Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin Thea Dorn sowie der Schriftsteller srilankischer Herkunft Senthuran Varatharajah zugesagt. Die Eingeladenen werden je einen Monat zwischen August und Oktober neben der Studierstuder Bibel Luthers und dessen Sprache führen. be Luthers ihre Arbeit aufnehmen und „einen inneren Dialog, eine Zwiesprache mit Luthers Bibel“ führen, wie Stiftungsvorstand Thomas Seidel erklärte.
„Man muss die Mutter im Haus, die Kinder auf der Gasse,
den einfachen Mann auf dem Marktplatz danach fragen
und denselben aufs Maul sehen, wie sie reden“
Auf die thüringische Burg hatte sich der Geächtete, über den die Reichsacht verhängt war, nach seinem epochalen Auftritt in Worms 1521 geflüchtet und mit der Übersetzung der Bibel begonnen.
Wie immer man Luther historisch oder theologisch beurteilen mag, die Verdienste, die er sich um die deutsche Sprache erwarb, dürften unbestritten sein. Die wichtigste Feststellung, die Luther traf, lautete, dass die Sprache nicht den Philologen, den Theologen, nicht dem Papst oder den Mächtigen gehört, sondern all jenen, die sie sprechen. „Denn man soll nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man deutsch reden soll, wie es die Esel tun, sondern man muss die Mutter im Haus, die Kinder auf der Gasse, den einfachen Mann auf dem Marktplatz danach fragen und denselben aufs Maul sehen, wie sie reden, und danach dolmetschen, so verstehen sie es dann und merken, dass man deutsch mit ihnen redet.“
Wie abscheulich ist es also, wenn Ideologen und politische Aktivisten die „Mutter im Haus, die Kinder auf der Gasse, den einfachen Mann auf dem Marktplatz“ zwingen wollen, so zu sprechen, wie es ihrem Weltbild entspricht und dadurch, wie sie meinen, die „Mutter im Haus, die Kinder auf der Gasse, den einfachen Mann auf dem Marktplatz“ zu nötigen, mit der gegenderten Sprache auch den Glauben an den Genderismus anzunehmen, als gehörte es nicht zu den unveräußerlichen Freiheitsrechten, so zu reden, so zu denken, so zu leben, wie man will. Aber die Freiheit wird in diesen Kreisen ohnehin für eine „Verschwörung“ gehalten.
Man muss auch nicht die Gender-Ideologen fragen, die in der Sprache lediglich eine Widerspiegelung von Herrschaftsmechanismen sehen. In welch trister Welt leben Leute, die nicht die Schönheit der Sprache entdecken, die nur reglementieren wollen, die in der Sprache wie die freudlose Judith Butler lediglich eine „Handlungsmacht“ sehen, „nämlich die, zu verletzen“. Es wundert nicht, das die Theoretikerin des Genderismus diese Vorstellung zur Grundlage eines Buch mit dem Titel „Hass spricht“ macht. Der Titel stimmt, denn Butlers Antrieb zur Theoriebildung ist nichts anderes als Hass. Der Hass auf den Feind. Der Feind ist der Unterdrücker, es ist in ihrem Weltbild der heterosexuelle Mann. Aber nicht nur der Mann, auch die heterosexuelle Frau, die Familie. Die vielen Geschlechter dienen nur einem Zweck, eine „Geschlechter-Verwirrung“ anzurichten, um dadurch die Heterosexualität aufzulösen. Zu diesem Zweck wird ein Orwellsches „Neusprech“ eingeführt.
In der seltsamen Welt der Genderisten ist das Geschlecht nicht länger eine biologische Tatsache, sondern eine gesellschaftliche Konstruktion, und auf der Ebene der Kommunikation ebenfalls kein Bestandteil der Grammatik, sondern nur eine Widerspiegelung von Herrschaftsverhältnisse, wie die ganze Sprache überhaupt. In den Augen des Genderismus, der diese Idee vom Poststrukturalismus und Dekonstruktivismus übernommen hat, besitzt die Sprache keine Realität, sondern ist nur eine Konstruktion der Herrschenden.
Nicht auf die Wirklichkeit kommt es an, sondern auf die politischen Vorstellungen, die eigentlich schon Utopien sind, und im Moment ihrer Verwirklichung zu Dystopien werden. Verglichen mit der administrativen Unbarmherzigkeit, mit der die Vergenderung der deutschen Sprache und des öffentlichen Raums vorantrieben wird, kann der zaghafte Versuch der DDR, aus Engeln geflügelte Jahresendzeitfiguren, aus Boulevards Fußgängererlebnisbereiche zu machen und die „Reise nach Jerusalem“ in Stuhltanz umzubenennen, weil die Bürger ohnehin nicht in den Westen reisen durften, beinah liberal genannt werden.
Eines jedoch ist sicher. Sie mögen über beträchtliche administrative Mittel verfügen, mit denen sie die Sprache in ihre dürftige Zelle des Genderismus zu zwingen versuchen, doch die Sprache entfleucht durch jede Ritze ihres Verlieses der Freudlosigkeit, denn die Sprache gehört allen, die sie sich sprechen.
Kehren wir zu Luthers Bibelübersetzung zurück, um zu sehen, was die verfolgte Sprache alles vermag. Wörtlich lautet die Übersetzung der ersten Verse von Psalm 23: „Der Herr lenkt mich, und nichts wird mir fehlen. Auf einer Weide dort hat er mich angesiedelt. Über einer Quelle der Erquickung hat er mich aufgerichtet.“ Doch das gefiel Martin Luther nicht, auch meinte er, dass der Text an Klang verlor und die wörtliche Besetzung ihn auch verfälschte. Deshalb übertrug er die Verse 1524 so: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er lässt mich weiden, da viel Gras steht, und führet mich zum Wasser, das mich erkühlet.“
Auch das stellte ihn noch nicht zufrieden. Darum ging er 1531 noch einmal an den Vers und verdichtete ihn nun zu hoher Eindringlichkeit: „Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.“
In der Sprache der Genderisten existieren keine grünen Auen und kein frisches Wasser. Luther wollte hingegen mit seinen „lieben Deutschen“ nicht lateinisch oder griechisch reden, auch nicht nach der Maßgaben von Sprachzensoren, sondern deutsch.
Bestehen wir also auch 500 Jahre nach Luther auf die grünen Auen und auf das frische Wasser, auf das generische Maskulinum und auf Frau und Mann.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. (Quelle Tagespost)
Notiert von marcus knill um 17:40
Werden Sie hellhörig, wenn die Sprache blass und leer ist, wenn sie den Plural liebt und masslos übertreibt.
Ich vergesse ein Seminar nie mehr, in dem die Leiterin bat, Zweiergruppen zu bilden. Die Paare mussten sich stehend drei Minuten lang in die Augen schauen, ohne etwas zu sagen. Dann wurde gefragt, was sie bei diesem intensiven Augenkontakt empfunden hatten.
Ich staunte, was da alles zu hören war. Jemand sagte: «Das war schlimm. Das hat mich wahnsinnig betroffen gemacht.» Eine Teilnehmerin fragte, wenn schon dieser Augenkontakt wahnsinnig betroffen gemacht habe, was man dann sagen würde, wenn ein Angehöriger gestorben sei. Sie ergänzte kritisch: «Ist diese Formulierung nicht übertrieben?» Die Seminarleiterin ging auf diesen Hinweis gar nicht ein.
Ich habe festgestellt, dass in der Psychoszene blasse und vage Formulierungen («Damit kann ich irgendwie etwas anfangen») mit Übertreibungen wettgemacht werden («Mir kamen ungeheure Aggressionen hoch»). Zudem liebt die Psychosprache den Plural. Man hat kein Gefühl, sondern Gefühle. Von Unsicherheiten, Behinderungen, Problemen, Krisen, Sehnsüchten ist die Rede. Die Mehrzahl wirkt wohl eindrucksvoller. Eine Depression genügt nicht, es müssen Depressionen sein. Hinter der Psychosprache kann man sich gut verschanzen.
Kommt dazu, dass die Wörter nicht neutral sind. Sie enthalten heimliche Bewertungen. Sich einbringen und öffnen ist gut. Panzerungen, Verkrustungen müssen aufgebrochen werden. Schweigen ist schlecht. Wir müssen spontan sein. Doch sollten wir wissen, dass erzwungene Spontanität gar keine sein kann. Watzlawick lässt grüssen.
Es gibt doch Situationen, in denen ich mich lieber gar nicht einbringen möchte – oder es gibt Gefühle, denen ich nicht nachgeben will. Müssen wir immer auf alle Menschen zugehen? 1983 schon hatte der Journalist Dieter E. Zimmer über das leerste aller Leerwörter geschrieben: über das Wort Beziehung, das in der Psychosprache ständig verwendet wird, da es nie falsch ist, aber auch nichts Genaues besagt. Ich zitiere ihn: «Es ist, als spräche jemand von der Zubereitung einer Gemüsesuppe so: Man nehme etwas Festes und tue es in etwas Flüssiges und lasse irgendwie Wärme darin hochkommen. Immerzu möchte man rückfragen: Ja bitte? Wer? Wann? Wen? Was? Wo? Wie?» Dieter Zimmer zeigt mit dieser Geschichte, dass mit der Psychosprache nicht gesagt wird, um welches Problem, um welche Erfahrung es sich konkret handelt.
Was wir aus diesen Beobachtungen lernen können: Sprechen wir konkret. Schildern wir ein Erlebnis, anstatt von Erlebnissen zu reden. Verzichten wir auf Übertreibungen. Suchen wir treffende Wörter und bedenken wir, dass in der Kürze die Würze liegt.
Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik, Coach, Dozent und Autor von rhetorik.ch.
Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.
Notiert von marcus knill um 01:03
Ab heute verhandeln sie die Ampel: SPD, FDP und die Grünen.
Doch programmatisch liegen teils Welten zwischen den Partnern in spe!
Größter Stolperstein: Die von SPD und Grünen befürworteten moderaten Steuererhöhungen lehnen die Liberalen strikt ab.
Beim Klimaschutz setzen sie auf die Kräfte des Marktes, die Grünen hingegen auf Ordnungsrecht.
Der große Überblick: Wo man sich einigen könnte und wo heftig gestritten werden wird. Quelle BILD:
▶︎ SPD und Grüne wollen eine Entlastung bei kleinen und mittleren Einkommen, zudem treten beide Parteien für leichte Anhebungen beim Spitzensteuersatz ein.
▶︎ Die Liberalen lehnen Steuererhöhungen ab und wollen den Spitzensteuersatz erst ab einem höheren Betrag greifen lassen.
▶︎ SPD und Grüne treten für eine Vermögensteuer ein, die FDP lehnt das ab.
Fazit: Bei den Steuern wird es schwierig mit einer Einigung. Möglich ist aber, dass man sich über eine Umverteilung verständigen kann. Der FDP geht es in erster Linie darum, dass die Steuerlast nicht erhöht wird. Heißt: Unterm Strich bleibt es gleich.
▶︎ Die Grünen wollen die Schuldenbremse durch eine „Investitionsregel“ ergänzen, die eine Erneuerung der Infrastruktur ermöglichen soll.
▶︎ Die FDP lehnt jegliche Aufweichung der im Grundgesetz festgeschriebenen Regel ab.
▶︎ Die SPD hält eine Abkehr von der Regel derzeit nicht für möglich.
Fazit: Hier wird es definitiv schwierig, weil es um Grundsatzfragen geht. Es bleibt spannend.
► Die SPD bekennt sich zur Senkung der CO2-Emissionen um 65 Prozent bis 2030. Olaf Scholz hat sich im Wahlkampf zum beschlossenen Kohleausstieg 2038 bekannt.
▶︎ Die Grünen fordern bis 2030 eine Verringerung der CO2-Emissionen um 70 Prozent. Der CO2-Preis soll bis 2023 auf 60 Euro steigen. Zum Ausgleich sollen alle ein Energiegeld erhalten. Den Kohleausstieg wollen die Grünen bis spätestens 2030 umsetzen. Ab 2030 sollen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden.
▶︎ Die FDP will ein „striktes CO2-Limit“ für Deutschland festlegen. Dafür soll der EU-Emissionshandel auf alle Sektoren ausgeweitet werden. Vor allem technologische Innovationen sollen den Klimaschutz voranbringen - auch das sogenannte Geo-Engineering, also direkte Eingriffe ins Klimasystem der Erde.
▶︎ SPD und Grüne wollen ein Tempolimit von 130, das lehnt die FDP strikt ab.
Fazit: Es gibt Signale von den Grünen, dass sie die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht zur Bedingung für einen Regierungseintritt machen wollen. Man könnte sich also einigen.
► SPD und Grüne treten für eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro ein, die FDP teilt diese Forderung nicht.
Fazit: Hier scheint allerdings eine Einigung möglich.
► SPD und Grüne treten für eine Abkehr vom bisherigen Hartz-IV-System ein.
► Die FDP verfolgt mit dem „liberalen Bürgergeld“ einen anderen Ansatz. Darin sollen bisherige Leistungen zu einer Leistung zusammengefasst werden.
Fazit: Hier ist noch Luft. Man könnte sich entgegenkommen.
► SPD und Grüne wollen eine Bürgerversicherung einführen, in die alle einzahlen - also auch Beamte und Selbstständige. Ein solches Modell vertritt die FDP nicht.
Fazit: Hier besteht allerdings kein akuter Handlungsbedarf.
► Bei der Rente wollen SPD und Grüne das gesetzliche System stärken und das Niveau auf mindestens 48 Prozent festschreiben.
Fazit: Ähnlich wie die FDP treten die Grünen für eine zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge ein, im Detail gibt es aber Unterschiede. Den Grünen schwebt ein öffentlich verwalteter Bürgerfonds vor, den Liberalen eine gesetzliche Aktienrente.
► SPD und Grüne sprechen sich für eine Kindergrundsicherung aus, die bestehende staatliche Einzelmaßnahmen wie Kindergeld, Kinderzuschlag und Hartz IV bündeln und ersetzten soll.
► Die FDP verfolgt einen anderen Ansatz mit dem „Kinderchancengeld“, das aus einem Grundbetrag, Flexibetrag und einem „nichtmateriellem Chancenpaket“ bestehen soll.
Fazit: Auch hie gibt es Möglichkeiten, sich anzunähern.
▶︎ Die SPD tritt für ein Mietenmoratorium in angespannten Wohnungsmärkten ein, das für fünf Jahre nur geringe Steigerungen zulässt. Die bereits vorhandene Mietpreisbremse wollen die Sozialdemokraten dauerhaft festschreiben. Schlupflöcher sollen geschlossen werden.
▶︎ Die Grünen wollen Mietobergrenzen im Bestand mit einem Bundesgesetz ermöglichen. Reguläre Erhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzt werden.
▶︎ Die FDP steht hier klar gegen die anderen beiden Parteien. Sie will die Mietpreisbremse abschaffen und einen bundesweiten Mietendeckel verhindern.
Fazit: Hier liegt man weit auseinander und es besteht großer Gesprächsbedarf.
Notiert von marcus knill um 11:43
Notiert von marcus knill um 16:57