Samstag, 13. Juni 2020

Genügte die Entschuldigung des Bundesgerichtspräsidenten??

Mea culpa war richtig - genügte Entschuldigung?
(Quelle 20 Min(

Oberster Richter nach Sexismus-Eklat

«Kein Mensch ist ohne Fehler, auch ich nicht»

Dass der Bundesgerichtspräsident über eine Richterin ablästerte, ist für die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen «skandalös». Ulrich Meyer selbst zeigt sich reuig. 

Was war geschehen?

Gemäss einer Audiodatei, die der «Rundschau» vorliegt, nannte Meyer die Richterin «so eine Magersüchtige».

Der Bundesgerichtspräsident entschuldigt sich umgehend:

«Das Unrecht, das ich ihr damit zugefügt habe, bedauere ich zutiefst.»

Ein Richter, der zwei Gerichtsschreiberinnen bittet, angesichts der Arbeitslast bloss nicht schwanger zu werden. Ein zweiter Richter, der im Rahmen einer – Zitat Bundesgericht – «unwürdigen Fasnachtsaktion» teilweise sexistische Plakate von Kollegen aufhängen lässt. Das Bundesstrafgericht in Bellinzona sorgte mit Berichten über Sexismus, angebliches Mobbing und Affären für Schlagzeilen – und rief damit das Bundesgericht auf den Plan.
Dieses leitete dazu ein aufsichtsrechtliches Verfahren ein und untersuchte die Vorfälle am Bundesstrafgericht in einem Bericht. Mitglied der Untersuchungskommission ist auch der Präsident des Bundesgerichts, Ulrich Meyer. Ausgerechnet am Rande einer Einvernahme zog dieser selbst über eine Bundesstrafrichterin her, wie die SRF-«Rundschau» publik macht. So sagte er über die Frau, sie sei «so eine Magersüchtige», sie «quassle», habe «einen bösen Blick». Und: «Ich kann sie nicht länger als zwei Sekunden anschauen.»
Die Äusserungen, für die sich Meyer inzwischen entschuldigt hat, wurden im Anschluss an die Einvernahme eines anderen Bundesstrafrichters gemacht, während dieser kurz den Saal verlassen hatte. Es handelte sich um ein privates Gespräch mit einer weiteren Person, aber nicht der betroffenen.

«Eine Vorbildfunktion»

Empört reagiert Bettina Fredrich, Geschäftsleiterin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EKF) und wie Meyer SP-Mitglied: «Aus unserer Perspektive sind diese Aussagen absolut skandalös. So ein Umgang hat am Bundesgericht nichts verloren. Als Bundesgerichtspräsident hat man eine Vorbildfunktion, die muss man wahrnehmen. Es ist wichtig, dass diese Verfehlung an die Öffentlichkeit gekommen ist.»
Dass sich Ulrich Meyer entschuldigt hat, sei gut und recht, sagt Fredrich. Aber das reiche nicht. «Die EKF ist stark der Meinung, dass solche Äusserungen eine gewisse Kultur voraussetzen. Unter der Führung des Bundesgerichtspräsidenten scheint im Gremium kein guter Umgang untereinander gepflegt zu werden.»

Die betroffene Bundesstrafrichterin könnte vielleicht rechtliche Schritte gegen Meyer einleiten. «Auf jeden Fall braucht es eine öffentliche Debatte darüber, wie es möglich ist, dass an einem Bundesgericht solche Worte fallen. Und wie sich das künftig verhindern lässt.»
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«Menschliche Züge»

Weniger tragisch findet die Vorkommnisse SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann: «Die Äusserungen sind unschön. Ich kenne aber die betroffene Richterin. Sie ist hart im Nehmen und wird das überleben.»
Für Steinemann ist Meyer nicht untragbar geworden für sein Amt: «Auch ein höchster Richter darf menschliche Züge zeigen. Er ist seit Urzeiten Richter und sehr erfahren. Ich traue ihm zu, dass er auch die Sexismusvorwürfe am Bundesstrafgericht seriös und korrekt untersucht hat.»
Auch FDP-Ständerat Andrea Caroni sagt: «Meyers Bemerkungen sind in seiner Rolle maximal unsensibel, aber ich will ihn nicht daran aufhängen.» In intimer Runde werde mancherorts gelästert. Die Posse passe aber dazu, dass das Bundesgericht unter der Leitung Meyers derzeit keine gute Falle mache, obschon er bislang einen guten Eindruck von Meyer gehabt habe.

Mehrfach entschuldigt

Meyer selbst bedauert das Vorgefallene. Er sagt: «Es gibt keinen Grund, sich so zu äussern. Meine Äusserungen waren ein Fehler, sie entsprechen auch nicht meinem Bild über diese Kollegin, die ich sehr schätze. Wir haben in der Sache zweimal telefoniert, und ich habe mich bei ihr in aller Form entschuldigt. Am Telefon und noch einmal in einem persönlichen Brief. Kein Mensch ist ohne Fehler, das gilt auch für mich.»
Empört: Bettina Fredrich. KOMMENTAR: Dieser Vorfall macht einmal mehr bewusst, dass alle Führungspersönlichkeiten zusätzlich in prozessorientierten Zusatzmodulen fit gemacht werden müssen im Umgang mit Medien. Es dürfte nicht geschehen, dass ein Bundesgerichtspräsident ins Fettnäpfchen tritt und sich mehrfach entschuldigen muss. Auch Bundesrichtern muss immer wieder bewusst gemacht werden, dass jedes ausgesprochene Wort bedacht werden muss und veröffentlichte Worte nicht mehr zurückgenommen werden können. Gesagt ist gesagt. Solche Pannen können nicht nur der Reputation einer Person schaden, sie schädigen auch das Image einer Institution. Deshalb zahlt sich die Investition in fachgerechte regelmässige Medienausbildung aus.

 

 











Empört: Bettina Fredrich.

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