Dienstag, 29. November 2016

Phänomen TRUMP

Ueber das Phänomen Trump hatte ich jüngst bereits ein paar Beiträge geschrieben.

Die Analyse von Guido Keel (ZHAW) finde ich nachträglich lesenswert. 
Sie beleuchtet einen zusätzlichen Aspekte:

Die Nachrichtenwertforschung lehrt uns, dass Journalisten ihre Themen und Geschichten nach bestimmten Faktoren auswählen. Trump ist eine prominente Person, der aggressiv und kontrovers auftritt, er spricht über die Themen, die seine Anhänger direkt betreffen, er liefert Emotionen, seine Standpunkte sind vorhersehbar, gleichzeitig ist er für einen Präsidentschaftskandidaten überraschend ungewöhnlich. Das alles sind Nachrichtenfaktoren, die Geschichten rund um Trump für Journalisten als attraktiv erscheinen lassen. Neu ist das nicht, und auch nicht besonders amerikanisch. 

 Ueli Maurer sagte, damals noch als SVP-Parteipräsident: „Solange ich Neger sage, bleiben die Kameras und Mikrofone bei mir.“ Trump nutzte diese Logik einfach mit einer bisher ungesehenen Dreistigkeit.

 
Hätten die Medien Trump verhindern können? 
In der „Schweiz am Sonntag“ liess sich eine Trump-Anhängerin folgendermassen zitieren: „Trump animierte mich, andere Informationsquellen zu finden, die nicht parteiisch sind: Youtube, Fox News oder Infowars.“ Eine Social-Media-Plattform, ein bekanntlich parteiischer TV-Sender und die Website eines amerikanischen Radio-Moderators und Verschwörungstheoretikers, der glaubt, hinter dem Anschlag vom 11. September in New York stecke die US-Regierung, Obama sei ein Kenyaner und Hillary Clinton sei von Dämonen besessen. Von der Nutzungsforschung wissen wir, dass solche Informations-Kanäle inzwischen – auch bei uns – massgeblich zur Meinungsbildung beitragen, wobei das Publikum immer weniger zwischen journalistischen und anderen Quellen differenziert. Ein Ex-NZZ-Redaktor und PR-Berater meinte dazu letzthin im halböffentlichen Rahmen. „Die Leute wollen eine gute Geschichte; wer der Absender ist, ist ihnen nicht wichtig.“
Die neuen Quellen sind vielfältig; gemeinsam ist ihnen oft, dass sie nicht mehr die Gesamtgesellschaft ansprechen, sondern die Blase an Menschen bedient, die bereits über entsprechende Haltungen und Meinungen verfügen. Gerade in der direktdemokratischen Schweiz sollte uns dieser Umstand zu denken geben. Womit wir bei der Wirkungsforschung wären: Hat die intensive Berichterstattung über Trump diesen überhaupt erst gross werden lassen? Sind also die Medien schuld am Phänomen Trump?

Vor über fünfzig Jahren hat man in der Wirkungsforschung die Annahme begraben, dass sich Medienaussagen unmittelbar und uniform auf das Publikum auswirken. Seither erkannte man, dass sich das Publikum keineswegs willenlos den Medien ausliefert. Vereinfacht gesagt: Wirkungen setzen Aufmerksamkeit voraus, und sie müssen an Bestehendes anknüpfen, um vom Publikum nicht ausgefiltert zu werden; Menschen wenden sich nur dann den Medien zu, wenn deren Inhalte den individuellen Bedürfnissen des Publikums entsprechen. Nur dann können Medien eine Wirkung erzielen. Wenn die Berichterstattung über Trump nicht einem Bedürfnis der Menschen entsprochen hätte, wenn Trump mit seinen Auftritten beim Publikum nicht einen Nerv getroffen hätte, hätte er dieses nicht erreicht. Er verstand es aber offensichtlich, ein grosses Publikum zu erreichen; dadurch konnte er bestehende Haltungen bestätigen und weiter verstärken. 
 Zudem: Wieso haben sich diese Menschen angesichts all der Verfehlungen nicht angewidert von Trump abgewendet? Weil Trump-Fans diese Skandale durch eine andere Brille wahrnahmen: Jeder durch investigative Journalisten aufgedeckte Skandal bestätigte das Narrativ, dass die Medien nur darauf aus seien, Trump schlecht zu machen.
Das Phänomen Trump ist in seinem Ausmass vielleicht neu, aber aus Sicht der Publizistikwissenschaft nicht überraschend. Es bestätigt uns, was wir eigentlich über das Funktionieren des Journalismus und der Medien wissen. Was nicht heisst, dass es uns nicht nachdenklich stimmen sollte. Im Gegenteil.

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