Freitag, 20. November 2015

Krisenkommunikation: Ein Satz kann viel auslösen

Verunsicherungsrhetorik
Was war geschehen?


Auf der Pressekonferenz in Hannover zur Absage des Länderspiels Deutschland – Holland sagte Innenminister De Maizière:

„Ich möchte mich zu den genauen Hintergründen zu den Hinweisen nicht äußern. Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern, zum Teil würde eine Aussage, die ich jetzt machen würde, dazu führen, dass wir demnächst keine Hinweise mehr bekommen. Ich bitte die deutsche Öffentlichkeit um einen Vertrauensvorschuss gegenüber dem Landesminister, gegenüber mir und den Sicherheitskräften, dass wir gute Gründe, bittere Gründe hatten.“

Bildergebnis für De Maizière:

De Maizière war sich bei diesem Auftritt nicht bewusst, dass er in einer heikeln Situation bei der Öffentlichkeit für Verunsicherung gesorgt hat.  Dabei wollte er genau das Gegenteil bewirken. Er wollte die Verunsicherung nehmen.
Nach dem verbalen Patzer des Innenministers wurde er im Netz mit beissendem Spott überhäuft:
Ein paar Beispiele zur Illustration:
(Quelle BILD)
Das ganze Netz  lachte über den Spitzenpolitiker, unter dem Hashtag #DoItLikeDeMaiziere machen sich Tausende über die Formulierung des Politikers lustig!



„DAS DARF ICH IHNEN NICHT SAGEN“

Innenminster de Maizière sorgt für Verunsicherung
Quelle: BILDSamira El Ouassil @samelou
"Mama, woher kommen die Babys?"
"Ein Teil der Antworten würde dich nur verunsichern."

#DoItLikeDeMaiziere #GERNED

Markus Engelhardt @frei_los
Luke: "Du hast meinen Vater getötet!" Darth Vader: "Ein Teil meiner Antwort würde dich verunsichern."
#DoItLikeDeMaiziere



        
Christoph Azone @ChristophAzone
"Wie gehts Dir"
"Ein Teil meiner Antwort würde die Öffentlichkeit verunsichern."

#DoItLikeDeMaiziere
       
Dieser Spaß im Netz wirkt wie ein Reflex gegen die Verunsicherung. Die Verunsicherung, die in der Bevölkerung durch de Maizières Wortwahl nun umso größer wird.
Weil der CDU-Politiker sich so unglücklich ausdrückte, spekuliert jeder einzelne nun für sich, wie de Maizières Spruch zu verstehen ist. Und es ergeben sich zwangsläufig Fragen, die vielen Zuschauern gestern Abend durch den Kopf gegangen sein werden. Ist die Terrorgefahr in Deutschland noch größer, als man ohnehin schon glaubt? Geraten Großveranstaltungen noch mehr ins Visier der islamistischen Terroristen? Gibt es gar Indizien auf einen anstehenden Anschlag in Deutschland?



. .

Einen Tage darauf rechtfertigte sich der Innenminister für seine Aussage mit folgenden Worten:

 „Ein Innenminister kann und darf nicht alles sagen, was er weiß.“ Hinweise dieser Art könne man nicht mit der Öffentlichkeit diskutieren. Aus Gründen des Quellenschutzes, aber auch, um nicht die Abwägungskriterien der Sicherheitsbehörden öffentlich und damit deren Handeln berechenbar zu machen.

KOMMENTAR:

Nur wenn die Bürger genug wissen, können sie mit der Terrorgefahr richtig umgehen. Die Behörden haben gewiss gute Gründe, vieles für sich zu behalten. Sie muss nicht alles sagen.

Aber Andeutungen sind zu unterlassen, sie verunsichern.
Jede Information zu verweigern, noch dazu mit dem Hinweis, das würde nur beunruhigen, sorgt nicht für Vertrauen in die Arbeit der Polizei und der Geheimdienste. Im Gegenteil. Eine demokratische Öffentlichkeit basiert auf der Idee, dass sich jeder seine eigene Meinung bilden kann. Doch dafür muss sie die Fakten kennen. Vertrauen allein genügt nach diesem Konzept nicht. Schließlich wirkt es eher kontraproduktiv, jegliche Information zur Absage eines Fußballspiels zu verweigern, noch dazu mit dem Hinweis, das würde nur beunruhigen. 
Seit den Anschlägen in Paris wird der Innenminister immer wieder zur Terrorgefahr in Deutschland befragt. Doch er gibt meist nur  vage Antworten:  "Die Gefährdungslage ist hoch. Die Lage bleibt ernst."  In Deutschland gibt es, anders als in Belgien oder Frankreich, keine konkreten Sicherheitsstufen. Der Bundesinnenminister kann also die Sicherheitslage nicht "hochstufen". Dennoch macht de Maizière seit Samstag immer wieder klar, dass Deutschland im "Fadenkreuz des internationalen Terrorismus" steht. Der IS, so seine Botschaft, könne auch in Deutschland zuschlagen, die Sicherheitsbehörden seien wachsam. De Maizière unterstrich in seiner Rede vor der Kriminalpolizei, er wisse noch nicht, ob die Anschläge des IS bislang nicht nur "Teil einer koordinierten Anschlagsserie" gewesen seien. Dies sei "sicher nicht der letzte Anschlag" der Terrororganisation in Deutschland gewesen.
Das ist ein besorgniserregendes Szenario, das de Maizière und andere Politiker aber auch immer mit der Bitte verknüpfen, dass niemand in Panik verfallen solle. De Maizières Satz macht die Diskrepanz klar, die zwischen gefühlter Bedrohung und offizieller Sicherheitslage klafft. 
Kaum eine Antwort könnte mehr verunsichern als diese. Der Innenminister behandelte die Öffentlichkeit wie Eltern ihre Kinder, die wissen wollen, worüber die sich gerade gestritten haben: Das musst Du nicht wissen. Der Effekt ist aber keine Beruhigung, sondern noch bangere Sorge: Die Phantasie macht sich selbständig. Ganz bestimmt lassen sich Mama und Papa bald scheiden.

Schade, dass diese Panne dem Innenminister unterlaufen ist.
Hatte er doch in der Flüchtlingkrise - nach fragwürdige grosszügige Aufnahme ALLER Asylsuchenden (Willkommhaltung) der Kanzlerin - Haltung und Zivilcourage bewiesen. Bei dieser Frage war er immerhin mutig und sprach Klartext.

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