Analyse Bundesratskandidat Aeschi
Was ein Kommunikationsprofi
über Thomas Aeschis Auftritte sagt
Der Bundesratskandidat sei medienrhetorisch top, hinterlasse aber einen zwiespältigen Eindruck, meint Marcus Knill. Und er sagt, ob der K.-o-Tropfen-Gag dem SVP-Politiker schaden könnte.
(Aus TAGI online)
Marcus Knill arbeitet als selbstständiger Kommunikationsberater und
Coach. Der Experte für Medienrhetorik aus Uhwiesen ZH coacht
Führungskräfte aus Wirtschaft und Staat, Politiker, Piloten,
Staatsanwälte, Lehrkräfte und Spitzensportler. Auf seinen Blogs Rhetorik.ch und Knill Blog
analysiert er regelmässig die mediale Öffentlichkeit und ihre
Protagonisten aus dem In- und Ausland. Auf Anfrage von
Tagesanzeiger.ch/Newsnet hat Knill das Auftreten von Bundesratskandidat Thomas Aeschi analysiert. Hier folgt seine Einschätzung im Wortlaut:
«Der erste Eindruck prägt bekanntlich. Der junge, dynamische Bundesratskandidat überzeugt auf Anhieb dank seiner bescheidenen, unverkrampften Art. Der mehrsprachige Politiker wird in den Medien als weltoffen, intellektuell und integer beschrieben. Der strebsame Ökonom ist rhetorisch begabt und sehr gut ausgebildet (HSG und Harvard). Er spricht ohne Marotten. Niemand zweifelt an seiner Kompetenz. Ist dieser Kronfavorit nun wohl die Verkörperung der neuen SVP-Generation?
Während
des Sprechens fühlt man sich durch den wachen Blick angesprochen.
Dennoch sehen viele meiner Berufskollegen in den Gesichtszügen des
Senkrechtstarters etwas Zwiespältiges. Darauf angesprochen, nennen sie
Details – wie zum Beispiel das asymmetrische Gesicht, die schmale
Oberlippe, den schrägen Mund beim Sprechen oder auch die eng stehenden
Augen.
Wenn ich den Begriff ‹zwiespältig› nochmals aufnehme, so nicht des Gesichtes wegen (das ist für mich kein Kriterium), sondern hinsichtlich der Wirkung des Politikers. Er gibt sich in den Interviews sehr bescheiden. Jeder weiss aber genau, dass sich niemand ohne Ehrgeiz und Ellbogen so rasch emporarbeiten kann. Die Bescheidenheit muss somit bei dieser steilen Karriere relativiert werden. Ich zitiere einen Parlamentarier: ‹Sein Ehrgeiz kann zu Übereifer führen.› Er glaubt zu allem immer etwas sagen zu müssen. Mein Gesamteindruck: Trotz medienrhetorischer Topnote hinterlässt Aeschi einen zwiespältigen Eindruck.
Als strategisch denkender Unternehmensberater bedenkt Aeschi jedes Wort, jede Formulierung. Er antwortet eindeutig, ohne Zögern, ohne Füllwörter. Es besteht keine Gefahr, dass er in Fettnäpfchen tritt. Der talentierte Rhetoriker wirkt forsch und über Strecken etwas spröd. Aeschi sei immer sehr gut vorbereitet, heisst es. Aber die Sitzungen sind meist länger als geplant. Ob er wohl Mühe hat, Prioritäten zu setzen? Der Mangel an grosser, langjähriger Führungserfahrung scheint wohl das einzige nennenswerte Defizit des Bundesratskandidaten zu sein.
Als Präsident der Zuger SVP, die wegen der Sexaffäre um Markus Hürlimann und Jolanda Spiess-Hegglin unruhige Zeiten durchmachte, gelang es Aeschi, die Wogen in der Partei wieder zu glätten. Sein Auftritt im SVP-Wahlvideo «Welcome to SVP» und damit der Gag mit einer Flasche Zuger Kirsch und den K.-o.-Tropfen wird kaum einen Einfluss auf seine Bundesratskandidatur haben. Das wird Aeschi nicht schaden. Man kann es der SVP nicht verübeln, dass sie sich über die Sexaffäre lustig machte, nachdem die Strafuntersuchung nichts Relevantes ergeben hatte.»
Aufgezeichnet von Vincenzo Capodici.
(Erstellt: 25.11.2015, 16:54 Uhr)
«Der erste Eindruck prägt bekanntlich. Der junge, dynamische Bundesratskandidat überzeugt auf Anhieb dank seiner bescheidenen, unverkrampften Art. Der mehrsprachige Politiker wird in den Medien als weltoffen, intellektuell und integer beschrieben. Der strebsame Ökonom ist rhetorisch begabt und sehr gut ausgebildet (HSG und Harvard). Er spricht ohne Marotten. Niemand zweifelt an seiner Kompetenz. Ist dieser Kronfavorit nun wohl die Verkörperung der neuen SVP-Generation?
Wenn ich den Begriff ‹zwiespältig› nochmals aufnehme, so nicht des Gesichtes wegen (das ist für mich kein Kriterium), sondern hinsichtlich der Wirkung des Politikers. Er gibt sich in den Interviews sehr bescheiden. Jeder weiss aber genau, dass sich niemand ohne Ehrgeiz und Ellbogen so rasch emporarbeiten kann. Die Bescheidenheit muss somit bei dieser steilen Karriere relativiert werden. Ich zitiere einen Parlamentarier: ‹Sein Ehrgeiz kann zu Übereifer führen.› Er glaubt zu allem immer etwas sagen zu müssen. Mein Gesamteindruck: Trotz medienrhetorischer Topnote hinterlässt Aeschi einen zwiespältigen Eindruck.
Als strategisch denkender Unternehmensberater bedenkt Aeschi jedes Wort, jede Formulierung. Er antwortet eindeutig, ohne Zögern, ohne Füllwörter. Es besteht keine Gefahr, dass er in Fettnäpfchen tritt. Der talentierte Rhetoriker wirkt forsch und über Strecken etwas spröd. Aeschi sei immer sehr gut vorbereitet, heisst es. Aber die Sitzungen sind meist länger als geplant. Ob er wohl Mühe hat, Prioritäten zu setzen? Der Mangel an grosser, langjähriger Führungserfahrung scheint wohl das einzige nennenswerte Defizit des Bundesratskandidaten zu sein.
Als Präsident der Zuger SVP, die wegen der Sexaffäre um Markus Hürlimann und Jolanda Spiess-Hegglin unruhige Zeiten durchmachte, gelang es Aeschi, die Wogen in der Partei wieder zu glätten. Sein Auftritt im SVP-Wahlvideo «Welcome to SVP» und damit der Gag mit einer Flasche Zuger Kirsch und den K.-o.-Tropfen wird kaum einen Einfluss auf seine Bundesratskandidatur haben. Das wird Aeschi nicht schaden. Man kann es der SVP nicht verübeln, dass sie sich über die Sexaffäre lustig machte, nachdem die Strafuntersuchung nichts Relevantes ergeben hatte.»
Aufgezeichnet von Vincenzo Capodici.
(Erstellt: 25.11.2015, 16:54 Uhr)
«Der Mangel an Führungserfahrung scheint wohl das einzige nennenswerte Defizit des Bundesratskandidaten zu sein»: Marcus Knill.
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