Die Fallhöhe ist beträchtlich: Franz A. Zölch war einmal ein
angesehener Jurist, Hochschuldozent, Brigadier und Präsident der
Eishockey-Nationalliga. Er verkehrte als einstiger Gatte der einstigen
Berner Regierungsrätin Elisabeth Zölch in höchsten Kreisen. Und jetzt?
Nun hält ihn die Berner Oberländer Staatsanwaltschaft für einen
Betrüger. Er habe seine Bekanntheit und das Vertrauen in ihn ausgenutzt.
Konkret
geht es um den Fall einer Grindelwaldner Hotelière. Zölch hatte ihr
erzählt, ein Klient aus dem Ausland schulde ihm einen Millionenbetrag
und habe das Geld auf eine Bank in Genf überwiesen. Nun brauche er
dringend 20'000 Franken, damit er das Geld bei der Bank herauslösen
könne. Die Grindelwaldnerin gewährte ihm das Darlehen – rückzahlbar
innert einer Woche.
«Herr Zölch kann gut reden und die Leute für sich einnehmen.»Hotelière aus Grindelwald
Das
war vor fünf Jahren; doch die Frau hat das Geld bis heute nicht
zurückerhalten. «Herr Zölch kann gut reden und die Leute für sich
einnehmen», sagt sie. Er habe ihr viele E-Mails geschickt, wonach er das
Geld bald überweise. Aber den Worten folgten keine Taten.
Dafür soll der 66-Jährige nun büssen. Staatsanwalt Matthias Wiedmer hat ihn per Strafbefehl «wegen
Betrugs schuldig
erklärt». Er brummte ihm eine bedingte Geldstrafe von 10'000 Franken
auf sowie eine Busse von 2000 Franken. Bezahlt Zölch die Busse nicht,
soll er «ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 20 Tagen» belegt
werden.
Dies will der einstige Starjurist aber nicht
akzeptieren. Er ficht den Strafbefehl an, womit es am nächsten
Donnerstag zu einer Verhandlung vor dem Regionalgericht in Thun kommt.
Man darf auf den Ausgang gespannt sein. Andere Staatsanwälte haben
nämlich ähnliche Verfahren gegen Zölch eingestellt. Sie berufen sich auf
die hohen Anforderungen, die in der Schweiz an eine Verurteilung wegen
Betrugs gebunden sind. Laut Wiedmer hat Zölch im Fall der Hotelière aber
ein besonderes Vertrauensverhältnis ausgenutzt und damit arglistig
gehandelt.
Opfer liessen sich blenden
Auch andere Freunde, Schulkollegen und Geschäftspartner, haben Zölch «Darlehen» gewährt. Einige haben sich zur
Interessengemeinschaft Zölch-Geschädigter (IGZG)
zusammengeschlossen. Sie wollen den 66-Jährigen dazu bringen, «endlich
von seinen betrügerisch erscheinenden Methoden Abstand zu nehmen, damit
die Liste der Geschädigten nicht noch länger wird», wie sie auf ihrer
Internetsite schreiben.
Der Interessengemeinschaft liegt
ein Betreibungsregisterauszug von Anfang dieses Jahres vor. Damals waren
154 Betreibungen und 147 Verlustscheine im Gesamtumfang von über 4,3
Millionen Franken ausstehend. Betroffen sind unter anderem die Post, die
Billag sowie die Steuerverwaltungen des Bundes und des Kantons Bern.
Etliche der höchsten Beträge betreffen aber Darlehen von Freunden.
So
borgte etwa ein ehemaliger Gymikollege und Direktor eines Bundesamts
Zölch über 200'000 Franken. Eine weitere ehemals gute Freundin wurde um
150'000 Franken erleichtert. Sie verlor fast ihr gesamtes Vermögen und
kann nun ihre Zähne nicht so behandeln lassen, wie sie müsste. Zölch
hatte ihr gesagt, in drei Wochen habe sie das Geld wieder. Vier Jahre
später ist noch nichts eingetroffen.
«Ich wäre nie auf
die Idee gekommen, dass mich Franz anlügen könnte», sagt die Frau. «Er
war liebenswürdig, äusserst charmant und wirkte blendend.» Nun hofft die
Geblendete, dass sie eines Tages vielleicht doch noch zu ihrem Geld
kommt. Noch heute versichere ihr Zölch immer wieder, dass er seine
Schulden begleichen werde. Darauf habe sie ihm gesagt: «Franz, du musst
nicht reden, du musst jetzt einfach zahlen.»
Das wünschen
sich auch die anderen Geprellten. Etliche haben Zölch aber gar nicht
erst betrieben, weil sie sich davon wenig versprechen. Sie glauben
offenbar nicht daran, dass bei ihm noch etwas zu holen ist.
«Es ging unanständig lange, aber ich habe niemanden angelogen.»Franz A. Zölch
Der
66-Jährige arbeitet heute im Auftragsverhältnis für einen Thuner Verlag
und sagt: «Ich möchte das Geld zurückzahlen und die Leute
zufriedenstellen. Es ging unanständig lange, aber ich habe niemanden
angelogen. Und ich habe noch Anwartschaften offen.» Welcher Art diese
Anrechte sein sollen, will Zölch nicht sagen. Er brauche Geld, um sie
realisieren zu können. Das kommt den Betroffenen bekannt vor. Etliche
borgten ihm nach einer solchen Erklärung Geld.
Glaubt man
Zölch, stand die Lösung seiner Schuldenprobleme schon oft kurz bevor.
2011 versicherte er dem «Beobachter», die Gläubiger würden «in den
nächsten Tagen bezahlt». Für die IGZG ist dies eine «Farce und Teil
seiner Taktik». Als Jurist wisse Zölch, wie er sich verhalten müsse, um
Darlehen und Dienstleistungen beziehen zu können, ohne strafrechtlich
belangt zu werden.
Ob die Taktik auch im Fall der
Grindelwaldnerin aufgeht? Zölchs Anwalt Roger Lerf argumentiert, es
fehle an Arglist und einem Lügengebäude. Folglich dürfe man seinen
Mandanten nicht wegen Betrugs verurteilen. Möglicherweise ziehe Zölch
die Einsprache gegen den Strafbefehl aber noch zurück. Nicht aus
Einsicht, sondern weil er das Verfahren gesundheitlich nicht prästiere,
sagt Lerf. Dies sei bist zum Gerichtstermin selbst möglich. Zieht Zölch
zurück, ist er ein rechtskräftig verurteilter Betrüger.
(Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 18.09.2015, 23:42 Uhr)