Sonntag, 12. Juli 2015

Der Erfolg bei den PISA Studien basierte in Finnland auf dem Prinzip Drill, Autorität, Frontalunterricht

 Bei den Lehrmethoden gibt es nicht nur ein "Entweder - oder"


Ich erinnere mich noch gut als in den sechziger Jahren in der Erwachsenenbildung Vorträgen die Berechtigung als Lehrform abgesprochen wurde und der Frontalunterricht suspekt war.

Kinder sollten nur noch in Gruppen beim Lernen betreut werden. Autorität, drillartiges Training und Disziplin hatte im Unterricht keinen Stellenwert mehr.

Ich hatte bei Schulbesuchen erlebt, dass Lehrpersonen auf der Unter- und Mittelstufe ihre Aufgabe  nur noch als Moderatorin sahen. Bei Gruppenarbeiten arbeiteten vor allem jene Kinder, die begabt waren und die schwachen Kinder sassen passiv da und wurden nicht gefordert,  geschweige denn trainiert. Gearbeitet haben vor allem die "Zugrösschen", diejenigen, die die bereits gut rechnen konnten.

Die Schere zwischen schwachen und guten Schülern öffnete sich dadurch immer mehr.

Wer beim Sport, in der Musik oder Mathematik Spitzenleistungen erbringen will, kann nicht den Weg des geringsten Widerstandes wählen.

Schweiss, Opfer und Drill brachten die Chinesen so weit, dass sie nicht nur im Kunstturnen an die Spitze kamen. An der Harvard Universität verdrängen sie heute als Mathematiker die Europäer und Amerikaner. 

Folgende Studie brachte die Reformpädagogen in Verlegenheit und führte zu heftigen Diskussionen:

(Ich zitiere den TAGI)  

 

 

 

Finnlands Schulen gelten seit der Pisa-Studie als vorbildlich. Nun zeigt sich: Der Erfolg beruhte gar nicht auf modernen Lehrmethoden, sondern auf der autoritären Tradition.

Die Kultur des Gehorsams und der Autorität der Lehrer war in Finnland länger massgeblich als anderswo: Schüler 1948 während einer Pause. Foto: Werner Bischof (Magnum Photos)
Die Kultur des Gehorsams und der Autorität der Lehrer 
war in Finnland länger massgeblich als anderswo: Schüler 
1948 während einer Pause. Foto: Werner Bischof (Magnum Photos)













Alle waren sie da. Gleich nachdem das Wunder geschehen war, kamen sie: die Bildungsexperten, Bildungspolitiker, Bildungserklärer und Bildungsverklärer. Sie alle sind in den letzten 15 Jahren mindestens einmal nach Finnland gereist. Das gehörte sich so, seitdem das Land in der ersten OECD-Bildungsstudie Pisa des Jahres 2000 den Spitzenplatz eingenommen und sich viele Nationen angesichts der miserablen Leistungen ihrer eigenen Schüler die Augen rieben. Auch in der Schweiz war man schockiert.
Man analysierte also die von staatlichen Vorgaben weitgehend unabhängigen finnischen Schulen, die so Wundersames vollbracht hatten. In denen es angeblich so gerecht, heimelig und egalitär zugeht. Wo Lehrer nicht vorn referieren und die Schüler protokollieren. Sondern wo Pädagogen sich als Organisatoren von Gruppenarbeit verstehen, die Schüler anregen, von anderen Schülern, zu lernen und wenig Hausaufgaben vergeben.
Der Absturz
Die schöne neue Schulwelt wurde bewundert und kopiert, weil sie dem Zeitgeist entsprach und erfolgreich schien. Doch sie ist offenbar ein Trugbild. Das finnische Wunder ist nicht von Dauer. Vieles deutet darauf hin, dass die Ursachen, die zu dem Wunder führten, ganz andere waren, als die, von denen seit über einem Jahrzehnt die Rede ist.
«Vergleicht man die Pisa-Ergebnisse Finnlands der Jahre 2003 und 2012, sieht man, dass das Land 25 Punkte eingebüsst hat. Das entspricht dem Lernerfolg eines ganzen Schuljahrs», sagt Christine Sälzer, nationale Pisa-Koordinatorin von der TU München. In Mathematik liegt Finnland zwar noch immer über dem OECD-Durchschnitt, die Fallhöhe ist jedoch bemerkenswert. Gabriel Heller Sahlgren von der London School of Economics hat den Niedergang des finnischen Bildungswunders untersucht. Im April veröffentlichte er seine Erkenntnisse beim Centre for Policy Studies.
Sahlgren zeigt, dass das finnische Schulsystem zum Zeitpunkt seines grossen Pisa-Erfolgs von Früchten zehrte, die lange zuvor unter ganz anderen Bedingungen gesät worden waren. Die Wahrheit ist, dass das System des «Lehrkoordinators» erst in den 90er-Jahren eingeführt wurde. Bis dahin war der Frontalunterricht mit einer starken autoritären Stellung des Lehrers das massgebliche Prinzip. «Historisch waren finnische Schulen vergleichsweise hierarchisch aufgebaute Institutionen, die eine Kultur des Gehorsams und der Autorität reflektierten, die in der finnischen Gesellschaft viel länger massgeblich war als in anderen nordeuropäischen Ländern», schreibt Sahlgren.
Hohe Anerkennung
Finnlands Lehrer geniessen in Umfragen noch heute enorme Anerkennung in der Bevölkerung. Das liegt auch daran, dass nur die Besten eines Jahrgangs Lehrer werden dürfen. Gleichzeitig zeigen Studien vergangener Jahrzehnte, dass diese Anerkennung nichts mit Sympathie für die Pädagogen zu tun hat. Viele Schüler beschreiben ihre Lehrer bis weit in die 90er-Jahre hinein als unnahbar und wenig empathisch. Anfang 2007 – mitten in Finnlands Pisa-Hochphase – berichtete ein Unicef-Report, dass in keinem anderen Land Kinder weniger gern zur Schule gehen. Damals hatte man dafür keine Erklärung. Denn es konterkarierte das vorherrschende Bild.
Finnlands Beispiel zeigt: Die Leistungsschule und die Schule der Glücklichen – das scheint sich auszuschliessen.
Kalkuliert man jedoch ein, dass dieses System und seine aktuellen Lehrformen nicht unbedingt etwas mit dem Schulklima, das über Jahrzehnte entsteht, und der entscheidenden Rolle des Lehrers zu tun haben, wird das Ergebnis plausibel. Die Schüler nahmen Schule und Lehrer offenbar noch immer als autoritär und dominierend wahr. Erst seit der Jahrtausendwende änderte sich dies, das beweisen Studien. Gleichzeitig ging die Leistung der Schüler zurück.
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Top durch Drill und Druck

Der finnische Erfolg im ersten Pisa-Jahrzehnt ist gleichwohl keine Chimäre. Er ist real. Ebenso real wie der Erfolg der asiatischen Staaten. Doch die waren aufgrund ihres auf Drill und Druck fussenden Systems zur Nachahmung schlicht ungeeignet. Auch deshalb wurde Finnland das Sehnsuchtsland europäischer Bildungsfans. Dabei haben oder besser hatten die Finnen und die Asiaten doch mehr gemein, als man glauben könnte. Autorität, Druck und Frontalunterricht – die Rezepte Chinas, Japans, Singapurs – waren den Finnen, deren Lehrer ja nicht plötzlich pensioniert wurden, bis in die 2000er-Jahre vertraut.
Oberflächlich präsentierten sich die Schulen ganz anders – frei, antiautoritär und an Gruppenarbeit orientiert. Man hatte sich ein Schulsystem zeigen lassen, dessen Effekte auf die Leistungsfähigkeit die Finnen selbst noch nicht absehen konnten und vor denen sie heute erschrecken. Was heisst das nun? Zurück zur autoritären Schule? Zum strafenden Lehrer? Schluss mit Gruppenarbeit und Gemeinschaftsschule?

In jeder Umfrage sagen Eltern heute, dass ihnen das Leistungsprinzip nicht so wichtig sei wie der Spass am Lernen. Das Beispiel Finnlands lehrt, dass beides vielleicht nicht geht: Spass an der Schule und Topleistungen. Insofern könnte es gut sein, dass Finnlands Schüler heute zwar schlechter, aber dafür glücklicher sind.
(Tages-Anzeiger)

Kommentar: Es ist verständlich, dass viele Erziehungswissenschafter befürchten, dass es nach der Untersuchung in Finnland bei unserer Schule zu einer Rückkehr in Richtung Frontalunterricht und Drill kommen könnte.
Persönlich bin ich davon überzeugt, dass es nicht nur EINE  Lehrform gibt, die Erfolg verspricht. Für mich hängt der Lernprozess vor allem von Lehrperson ab. Ich plädiere für Methodenfreiheit.  Der Lehrer ist  die wichtigste Schlüsselfigur.
Bei den Unterrichtformen gilt ein "Sowohl- als auch"  und nicht nur das missionarische "Entweder - oder".
Je nach Situation kann Gruppenunterricht, Frontalunterricht usw. erfolgreich sein. Doch ist es erwiesen, dass Lernen nicht ohne Training, ohne Wiederholung, ohne Schweiss und aktives Tun geht.
Fördern heisst bekanntlich auch fordern.
Extreme führten stets in eine Sackgasse.
Es gibt eine extreme Sicht von einer gerechten, heimeligen Kuschelschule, bei der es in vor allem darum geht, dass sich ein Kind wohlfühlt und somit auf jeglichen Druck verzichtet wird. Diese Modell kennt keinen Wettbewerb und Hausaufgaben und schätzt keine Noten.
Anderseits ist eine Schule, bei der Drill, Druck, Disziplin erste Priorität hat.  Spass und Wohlbefinden wird ausgeklammert.
In der Schule haben extreme Glaubensbekenntnisse keinen Platz.
Finnlands Beispiel scheint zu vermitteln,  dass sich die Leistungsschule und die Schule der Glücklichen nicht vereinbart werden können.
Wir sollten endlich erkennen, dass die Stellung des Lehrers eine massgebliche Rolle spielt. Er ist Lehr- und Lernkoordinator und ist zugleich auch Autoritätsperson. Er muss den Spagat schaffen zwischen Autorität und einfühlsamem Motivator.
Frontalunterricht und Gruppenarbeiten dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das setzt voraus, dass den Lehrpersonen klare Ziele gesetzt, jedoch hinsichtlich Methodenfreiheit keine Einschränkungen auferlegt werden.
Gefragt sind somit in erster Linie Lehrerpersönlichkeiten, die fordern und fördern.

FAZIT: Im Unterricht ist die Methode weniger wichtig als der Mensch.
Beim Lehren spielt die Beziehung Lehrperson-Schüler eine zentrale Rolle.
Ein Lehrer bringt die Schüler zu einem Aha-Erlebnis.
Der Lehrer muss das Fach - aber vor allem das Lehren - lieben.
Ohne gute Autorität kommt es zwangsläufig zu Schwierigkeiten.
In Finnland war der Unterricht stärker vom Lehrer geleitet, viel stärker strukturiert und dadurch auch besser auf den individuellen Schüler fokussiert.
Der Lehrerberuf ist so wichtig, dass er unter guten Bedingungen arbeiten dürfte und für diesen anspruchsvollen Beruf müssten nur die besten Anwärter ausgesucht werden.


NACHTRAG (Tagi-online)

«Zu viel Kreativität, zu wenig Leistung»

Interview Der schwedische Forscher Gabriel Heller Sahlgren fordert eine Rückbesinnung auf den traditionellen, autoritären Unterricht. Gescheite und gleichzeitig glückliche Schulkinder seien dennoch möglich, sagt er. Mehr...

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