Freitag, 29. Mai 2015

Kommunikations- Check Bundesrat


MEDIENRHETORIK

Subjektive Analyse der oeffentlichen Auftritte unsere Magistaten

 


Eveline Widmer-Schlumpf (BDP)

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Obwohl  es Eveline Widmer-Schlumpf fertig gebracht hat, Christoph Blocher aus dem Bundesrat zu drängen und jahrelang von den Blochergegnern profitieren konnte, fällt es  ihr zunehmend schwerer, das Parlament und die Bevölkerung zu überzeugen. Bei vielen Auftritten hat man fast  das Gefühl, eine bescheidene Frau wolle ihre Argumente mit ihrem aufgesetzen Lächeln spielend durchbringen. Aber allmählich merken auch Laien, dass die Finanzministerin eine gewiefte, ehrgeizige Taktikerin ist und die politsche Rhetorik zu nutzen weiss, um - übrigens  ohne grossen Parteirückhalt - Macht auszuüben. Ich erwarte aber, dass es Eveline Widmer-Schlumpf bei der nächsten Wahl nicht mehr so einfach haben wird. Das Volk könnte sich möglicherweise Widmers Wunsch nach Aufhebung des Bankgeheimnisses widersetzen. Die Finanzministerin leistete sich viele kommunikative Patzer (Aus dem Ausland machte sie eine persönliche Erklärung – als ob eine persönliche Erklärungen einer Bundesrätin keine politische Aussage wäre) und schoss dem Bundesrat bei den Verhandlungen mit der EU in den Rücken, indem sie bei der Einwanderungsinitiative eine zweite Abstimmung prognostizierte.

Johann Schneider-Ammann (FDP)
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Der Wirtschaftminister ist seit Jahren ein dankbares Opfer der Medien. Er wird von Giacobbo - Müller gerne zitiert. Wenn Schneider- Ammann frei spricht, formuliert er  holperig und gestelzt, seine Formulierungen verkommen zu Lachnummern werden, der Sprechfluss stimmt selten.
Auf dem Bildschirm wirkt Schneider-Ammann meist trocken, er zeigt kaum Emotionen. Ich habe ihn noch nie richtig begeistert gesehen.  In den Printmedien schneidet Schneider- Ammann jedoch viel besser ab, als in den elektronischen. Er ist bemüht, sich - wie Simonetta Sommaruga - für konstruktive Lösungen einzusetzen. Im Gegensatz zur neuen SP Bundesrätin ist jedoch Schneider-Ammann bei den Themen lösungsorientiertes Zusammenarbeiten und Dialogik viel weniger konkret als seine Kollegin. Unser Wirtschaftsminister wird sich auch künftig kaum einen Namen  als vorbildlicher Kommunikator machen.
Offensichtlich möchte sich aber der behäbige Rhetoriker der umständlichen Art verbessern.
Für ihn ist das EINFACHE nicht EINFACH.  Man müsste ihm  raten, so zu reden, wie man mit einem Tischnachbarn an einer Party spricht  "Keep it simpel und short.
Für die Bevölkerung bleibt der intelligente Wirtschaftsminister leider eine farblose, graue Maus.

Obwohl er kein Mann der lauten Worte ist, erlebten wir ihn immerhin einmal am Parteitag der FDP in Zug, als er mit bebender Stimme – in ungewohnt kämpferischer Art - von einer „politisch motivierten Hetzjagd“ gegen ihn sprach (Es ging um die Schlagzeilen über die früheren Steuerpraktiken der Ammann- Gruppe).


Didier Burkhalter (FDP)

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Didier Burkhalter kam bereits beim Amtsantritt sehr gut an. Seine Gedanken formuliert er bedacht, aber bestimmt,
auch auf internationalem Parkett bewegt er sich sicher. Er ist nicht mediengeil, obwohl er vor Mikrofon und Kamera mit seiner bescheidenen Art beim Publikum punktet. Nur nach der Niederlage  bei der Einwanderungsinitiative  wirkte er  irritiert.
Burkhalter beherrscht als Französichsprechender die deutsche Sprache recht gut. Er machte einmal einen Fehler: Mit seinem Vorschlag, man sollte prüfen, die Geiseln in Libyen mit militärischen Mitteln zu befreien, setzte er sich in die Nesseln und wurde hart kritisiert. Seit der Wahl werden Burkhalter Führungsqualitäten zugesprochen.  Ich habe im PERSOENLICH ein Interview von ihm eingehend analysiert und festgestellt: Er argumentiere geschickt, wirke glaubwürdig und schneide auch rhetorisch recht gut ab. Seine Antworten  überzeugen, trotzdem beurteilen ihn einzelne Journalisten heute als eher schwachen, konfliktscheuen Bundesrat.

Simonetta Sommaruga (SP)

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Nach der happigen Niederlage bei der Einwanderungsinitiative folgt nun für Simonetta Sommaruga die Nagelprobe. Wird sie nun weiterhin sachlich und wohlbedacht kommunizieren? Es ist ihr zuzutrauen, dass sie aktuelle heisse Eisen weiterhin umsichtig anpackt. Bei den 1. Augustreden erhielt die Justizministerin von mir gute Noten. Sie hielt sich an folgende bewährte rhetorische Erfolgsrezepte:
  • Ich spreche nur, wenn ich mich gedanklich vorbereitet und etwas zu sagen habe.
  • Ich rede frei und so wie ich bin (keine Schauspielerei)
  • Ich bedenke den Anfang und den Schluss, nachdem ich eine Kernbotschaft (Dachbotschaft) bestimmt habe
  • Diese Kernbotschaft muss aber mit einem Beispiel, mit einer Geschichte einem Erlebnis veranschaulicht werden. Die Botschaft wird dadurch nachhaltiger.
  • Wenn eine Person von dem überzeugt bin, was sie sagt, kann sie auch rhetorische Fehler machen, was das Reden vor Publikum vereinfacht. 
  • Die Botschaft kommt nur an, wenn die Rednerin sich mit dem Inhalt identifiziert,
  • Die Stimme muss mit der Körpersprache und der Botschaft übereinstimmen.

Alain Berset (SP)

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Alain Berset überzeugt bei seinen Medienauftritten durch seine natürliche, lockere Art. Ich verweise auf das jüngste Selfie auf dem "Schulreisli". Beim Gesundheitswesen muss er aber  noch einige Hürden nehmen. Widerstände scheinen ihn zu beflügeln. Im Gegensatz zu Alt-Bundesrat Blocher ist der SP Bundesrat Alain Berset  eher ein Mann der leisen Töne. Bei seinem ersten Auftritt - als er französisch, italienisch und deutsch sprach - hat er  bei der Bevölkerung gepunktet.
Er ist sympathisch und glaubwürdig, wirkt stets besonnen und antwortet überlegt.  Im Gegensatz zu Micheline Calmy-Rey wirkt er nicht egozentrisch. Er hat etwas Staatsmännisches und ist in Interviews kaum angreifbar, weil es keine Angriffsflächen bietet. Monsieur "Parfait", wie Berset auch genannt wird, muss höchstens aufpassen, dass er nicht zu geschliffen, zu angepasst verhandelt. Berset meidet  konkrete Details aber er holt  dank seines Humors viele zusätzliche Bonuspunkte.


Ueli Maurer (63)
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Seine Hauptstärke: Er spricht mediengerecht und wird von der Bevölkerung verstanden.
Er  stand aber oft im Gegenwind und scheint von vielen unterschiedlichen Beratern beeinflusst zu werden. Leider trat er zu oft in Fettnäpfchen und leistete sich viele Kommunikationsfehler. Trotz aller Pannen kommt Maurer in den Medien gut weg. Bei den 7 Patzern gab der Wutanfall bei Sandro Brotz (Rundschau) viel zu reden. VBS Chef Ueli Mauer hat sich auch in einem Weltwoche Interview abfällig gegenüber Bundesratskollegen geäussert: Das war ein No-go.
Doris Leuthard (51, CVP)
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Bei der freudestahlenden Doris Leuthard besteht die Gefahr, dass sie durch ihre Zickzackkurse Glaubwürdigkeit einbüsst. (Ausstieg aus Atomenergie - Benzinpreiserhöhung)
Diese selbstbewusste Magistratin holt aber bei der Bevölkerung immer wieder Punkte. Ich vermute, dass die Verkehrsministerin bei der zweiten Gotthardröhre einen schweren Stand haben wird, sie könnte nun von ihrem Glanz etwas einbüssen.
Welcher Coach hat (mit welchem Lernbild) der Magistratin gezeigt, wie der Tick mit dem ungewohnten Aufreissen der Augen eliminiert werden konnte? Möglich, dass sich dieses Stressverhalten durch die Routine  selbst erübrigte. 
Bei Doris Leuthard habe ich zwei 1. Augustreden analysiert.
Die erste Rede in Eischoll. Ich war damals ins Wallis an Ort und Stelle und analysierte diese Rede eingehend. Zusammengefasst stellte ich fest:
Es hat eine sympathische, gewinnende junge Magistratin gesprochen. Diese 1. August Rede war laut und kraftvoll, jedoch viel zu vage in den Aussagen.

2013  musste ich für die Presse die 1. Augustreden aller Bundesräte analysieren.

Ich zitiere das Medienecho zur Rede Leuthards des letzten Jahres, bei dem ich zitiert wurde:
Doris Leuthard – unoriginell -   
gleich wie Bundesrat Schneider-Ammann 
beschwörte die Umwelt-und 
Verkehrsministerin ebenfalls"die 
Bereitschaft, füreinander da zu sein" 
als typisch schweizerische Tugend. 
Anstehende Reformen sollten mit 
Dialogbereitschaft angegangen werden. 
"Doch dies sei eigentlich Jammern 
auf hohem Niveau", bilanzierte die 
CVP-Bundesrätin.  Leuthard 
stelle Wilhelm Tells Aussage 
"Der Starke ist am mächtigsten 
allein" in Frage, 
"Das ist ein deutlicher Wink 
mit dem Zaumpfahl gegen 
alle politischen Kräfte, 
die einer Isolationspolitik huldigen." 
Stattdessen solle man am 
gleichen Strick ziehen und zusammenstehen. 
"Die Schweiz, ein einig Volk. 
Das ist aber schon lange kein 
originelles Motiv mehr." 


FAZIT:
Vielen Bürgern fehlt heute das Vertrauen zum Bundesrat. Weshalb?
Ein Beispiel:
Die Landesregierung wurde im Laufe des Zuwanderungs-Abstimmungskampfes wiederholt der Irreführung bezichtigt. So musste sie für eine Fehleinschätzung den Kopf hinhalten, der die der damalige Bundesrat während des Abstimmungskampfes zum ersten bilateralen Paket im Jahr 2000 gemacht hatte. Damals hiess es im Abstimmungsbüchlein, mit der Personenfreizügigkeit sei in der Schweiz jährlich eine Nettozuwanderung von rund 10'000 Personen zu erwarten. In Realität wandern heute jedes Jahr rund 80'000 Personen mehr ein als aus.
Glaubwürdigkeit schaffen Politiker, wenn sie das verkünden, das sie glauben und nach aussen mit einer Stimme kommunizieren.
Die Bevölkerung hat ein gutes Gespür Leerformeln, Airbag- oder Quasselrhetorik, daran sollten sich alle Politiker erinnern, ehe sie loslegen.


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