MEDIENRHETORIK
Subjektive Analyse der oeffentlichen Auftritte unsere
Magistaten
Eveline Widmer-Schlumpf (BDP)
Obwohl
es Eveline Widmer-Schlumpf fertig gebracht hat, Christoph Blocher aus dem
Bundesrat zu drängen und jahrelang von den Blochergegnern profitieren konnte,
fällt es ihr zunehmend schwerer, das Parlament und die Bevölkerung zu
überzeugen. Bei vielen Auftritten hat man fast das Gefühl, eine
bescheidene Frau wolle ihre Argumente mit ihrem aufgesetzen Lächeln spielend
durchbringen. Aber allmählich merken auch Laien, dass die Finanzministerin eine
gewiefte, ehrgeizige Taktikerin ist und die politsche Rhetorik zu nutzen weiss,
um - übrigens ohne grossen Parteirückhalt - Macht auszuüben. Ich erwarte
aber, dass es Eveline Widmer-Schlumpf bei der nächsten Wahl nicht mehr so
einfach haben wird. Das Volk könnte sich möglicherweise Widmers Wunsch nach Aufhebung
des Bankgeheimnisses widersetzen. Die Finanzministerin leistete sich viele
kommunikative Patzer (Aus dem Ausland machte sie eine persönliche Erklärung –
als ob eine persönliche Erklärungen einer Bundesrätin keine politische Aussage
wäre) und schoss dem Bundesrat bei den Verhandlungen mit der EU in den Rücken,
indem sie bei der Einwanderungsinitiative eine zweite Abstimmung prognostizierte.
Johann Schneider-Ammann (FDP)
Der
Wirtschaftminister ist seit Jahren ein dankbares Opfer der Medien. Er wird von
Giacobbo - Müller gerne zitiert. Wenn Schneider- Ammann frei spricht,
formuliert er holperig und gestelzt, seine Formulierungen verkommen zu
Lachnummern werden, der Sprechfluss stimmt selten.
Auf dem
Bildschirm wirkt Schneider-Ammann meist trocken, er zeigt kaum Emotionen. Ich
habe ihn noch nie richtig begeistert gesehen. In den Printmedien
schneidet Schneider- Ammann jedoch viel besser ab, als in den elektronischen.
Er ist bemüht, sich - wie Simonetta Sommaruga - für konstruktive Lösungen einzusetzen.
Im Gegensatz zur neuen SP Bundesrätin ist jedoch Schneider-Ammann bei den Themen
lösungsorientiertes Zusammenarbeiten und Dialogik viel weniger konkret als
seine Kollegin. Unser Wirtschaftsminister wird sich auch künftig kaum einen
Namen als vorbildlicher Kommunikator machen.
Offensichtlich
möchte sich aber der behäbige Rhetoriker der umständlichen Art verbessern.
Für ihn ist
das EINFACHE nicht EINFACH. Man müsste ihm raten, so zu reden, wie
man mit einem Tischnachbarn an einer Party spricht "Keep it simpel und short.
Für die
Bevölkerung bleibt der intelligente Wirtschaftsminister leider eine farblose,
graue Maus.
Obwohl
er kein Mann der lauten Worte ist, erlebten wir ihn immerhin einmal am
Parteitag der FDP in Zug, als er mit bebender Stimme – in ungewohnt
kämpferischer Art - von einer „politisch motivierten Hetzjagd“ gegen ihn sprach
(Es ging um die Schlagzeilen über die früheren Steuerpraktiken der Ammann-
Gruppe).
Didier Burkhalter (FDP)
Didier
Burkhalter kam bereits beim Amtsantritt sehr gut an. Seine Gedanken formuliert
er bedacht, aber bestimmt,
auch auf
internationalem Parkett bewegt er sich sicher. Er ist nicht mediengeil, obwohl
er vor Mikrofon und Kamera mit seiner bescheidenen Art beim Publikum punktet.
Nur nach der Niederlage bei der Einwanderungsinitiative wirkte
er irritiert.
Burkhalter
beherrscht als Französichsprechender die deutsche Sprache recht gut. Er machte
einmal einen Fehler: Mit seinem Vorschlag, man sollte prüfen, die Geiseln in
Libyen mit militärischen Mitteln zu befreien, setzte er sich in die Nesseln und
wurde hart kritisiert. Seit der Wahl werden Burkhalter Führungsqualitäten
zugesprochen. Ich habe im PERSOENLICH ein Interview von ihm eingehend
analysiert und festgestellt: Er argumentiere geschickt, wirke glaubwürdig und schneide
auch rhetorisch recht gut ab. Seine Antworten überzeugen, trotzdem
beurteilen ihn einzelne Journalisten heute als eher schwachen, konfliktscheuen
Bundesrat.
Simonetta Sommaruga (SP)
Nach der
happigen Niederlage bei der Einwanderungsinitiative folgt nun für Simonetta
Sommaruga die Nagelprobe. Wird sie nun weiterhin sachlich und wohlbedacht
kommunizieren? Es ist ihr zuzutrauen, dass sie aktuelle heisse Eisen weiterhin umsichtig
anpackt. Bei den 1. Augustreden erhielt die Justizministerin von mir gute
Noten. Sie hielt sich an folgende bewährte rhetorische Erfolgsrezepte:
- Ich spreche nur, wenn ich mich
gedanklich vorbereitet und etwas zu sagen habe.
- Ich rede frei und so wie ich
bin (keine Schauspielerei)
- Ich bedenke den Anfang und den
Schluss, nachdem ich eine Kernbotschaft (Dachbotschaft) bestimmt habe
- Diese Kernbotschaft muss aber
mit einem Beispiel, mit einer Geschichte einem Erlebnis veranschaulicht
werden. Die Botschaft wird dadurch nachhaltiger.
- Wenn eine Person von dem
überzeugt bin, was sie sagt, kann sie auch rhetorische Fehler machen, was das
Reden vor Publikum vereinfacht.
- Die Botschaft kommt nur an,
wenn die Rednerin sich mit dem Inhalt identifiziert,
- Die Stimme muss mit der
Körpersprache und der Botschaft übereinstimmen.
Alain Berset (SP)
Alain Berset
überzeugt bei seinen Medienauftritten durch seine natürliche, lockere Art. Ich
verweise auf das jüngste Selfie auf dem "Schulreisli". Beim
Gesundheitswesen muss er aber noch einige Hürden nehmen. Widerstände
scheinen ihn zu beflügeln. Im Gegensatz zu Alt-Bundesrat Blocher ist der SP
Bundesrat Alain Berset eher ein Mann der leisen Töne. Bei seinem ersten
Auftritt - als er französisch, italienisch und deutsch sprach - hat er
bei der Bevölkerung gepunktet.
Er ist
sympathisch und glaubwürdig, wirkt stets besonnen und antwortet überlegt.
Im Gegensatz zu Micheline Calmy-Rey wirkt er nicht egozentrisch. Er hat etwas Staatsmännisches
und ist in Interviews kaum angreifbar, weil es keine Angriffsflächen bietet.
Monsieur "Parfait", wie Berset auch genannt wird, muss höchstens
aufpassen, dass er nicht zu geschliffen, zu angepasst verhandelt. Berset
meidet konkrete Details aber er holt
dank seines Humors viele zusätzliche Bonuspunkte.
Ueli Maurer (63)
Seine Hauptstärke: Er spricht
mediengerecht und wird von der Bevölkerung verstanden.
Er
stand aber oft im Gegenwind und scheint von vielen unterschiedlichen Beratern
beeinflusst zu werden. Leider trat er zu oft in Fettnäpfchen und leistete sich
viele Kommunikationsfehler. Trotz aller Pannen kommt Maurer in den Medien gut
weg. Bei den 7 Patzern gab der Wutanfall bei Sandro Brotz (Rundschau) viel zu
reden. VBS Chef Ueli Mauer hat sich auch in einem Weltwoche Interview abfällig
gegenüber Bundesratskollegen geäussert: Das war ein No-go.
Doris Leuthard (51, CVP)
Bei der freudestahlenden Doris
Leuthard besteht die Gefahr, dass sie durch ihre Zickzackkurse Glaubwürdigkeit
einbüsst. (Ausstieg aus Atomenergie - Benzinpreiserhöhung)
Diese
selbstbewusste Magistratin holt aber bei der Bevölkerung immer wieder Punkte.
Ich vermute, dass die Verkehrsministerin bei der zweiten Gotthardröhre einen
schweren Stand haben wird, sie könnte nun von ihrem Glanz etwas einbüssen.
Welcher
Coach hat (mit welchem Lernbild) der Magistratin gezeigt, wie der Tick mit dem
ungewohnten Aufreissen der Augen eliminiert werden konnte? Möglich, dass sich
dieses Stressverhalten durch die Routine selbst erübrigte.
Bei Doris
Leuthard habe ich zwei 1. Augustreden analysiert.
Die erste
Rede in Eischoll. Ich war damals ins Wallis an Ort und Stelle und analysierte diese
Rede eingehend. Zusammengefasst stellte ich fest:
Es hat eine
sympathische, gewinnende junge Magistratin gesprochen. Diese 1. August Rede war
laut und kraftvoll, jedoch viel zu vage in den Aussagen.
2013 musste ich für die Presse die 1. Augustreden aller Bundesräte
analysieren.
Ich zitiere
das Medienecho zur Rede Leuthards des letzten Jahres, bei dem ich zitiert wurde:
Doris Leuthard – unoriginell -
gleich wie Bundesrat Schneider-Ammann
beschwörte die Umwelt-und
Verkehrsministerin ebenfalls"die
Bereitschaft, füreinander da zu sein"
als typisch schweizerische Tugend.
Anstehende Reformen sollten mit
Dialogbereitschaft angegangen werden.
"Doch dies sei eigentlich Jammern
auf hohem Niveau", bilanzierte die
CVP-Bundesrätin. Leuthard
stelle Wilhelm Tells Aussage
"Der Starke ist am mächtigsten
allein" in Frage,
"Das ist ein deutlicher Wink
mit dem Zaumpfahl gegen
alle politischen Kräfte,
die einer Isolationspolitik huldigen."
Stattdessen solle man am
gleichen Strick ziehen und zusammenstehen.
"Die Schweiz, ein einig Volk.
Das ist aber schon lange kein
originelles Motiv mehr."
FAZIT:
Vielen Bürgern fehlt heute das Vertrauen zum
Bundesrat. Weshalb?
Ein Beispiel:
Die Landesregierung wurde im Laufe des
Zuwanderungs-Abstimmungskampfes wiederholt der Irreführung bezichtigt. So
musste sie für eine Fehleinschätzung den Kopf hinhalten, der die der damalige
Bundesrat während des Abstimmungskampfes zum ersten bilateralen Paket im Jahr
2000 gemacht hatte. Damals hiess es im Abstimmungsbüchlein, mit der
Personenfreizügigkeit sei in der Schweiz jährlich eine Nettozuwanderung von
rund 10'000 Personen zu erwarten. In Realität wandern heute jedes Jahr rund
80'000 Personen mehr ein als aus.
Glaubwürdigkeit schaffen Politiker, wenn sie
das verkünden, das sie glauben und nach aussen mit einer Stimme kommunizieren.
Die Bevölkerung hat ein gutes Gespür Leerformeln,
Airbag- oder Quasselrhetorik, daran sollten sich alle Politiker erinnern, ehe
sie loslegen.