Mittwoch, 10. Dezember 2014

Wird nun die Schweiz nach der Ablehnung der Ecopop Initiative offener?

Jobverlust und Dichtestress bremst die Hoffnung auf die Akzeptanz für neue Zuwandererströme und einer wachsenden Oeffnung Richtung Europa.

Mit dem Ecopop-Debakel kam die Hoffnung auf auch das Ergebnis vom 9. Februar können nun rückgängig machen zu können. Eine illustre Gruppe von Professoren und Kulturschaffenden mit Namen «Raus aus der Sackgasse» (RASA) schritt zwei Tage später zur Tat: Sie lancierte eine Volksinitiative mit dem Ziel, den mit dem Ja zur SVP-Zuwanderungsinitiative in die Bundesverfassung geschriebenen Artikel 121a kurzerhand wieder zu streichen.
Der 9. Februar als Betriebsunfall, der möglichst schnell behoben werden muss. Eine Ansicht, die vorab in der urbanen Schweiz weit verbreitet ist. 
Wer so denkt, könnte ein böses Erwachen erleben. Das Nein zu Ecopop bedeute nicht, «dass die Schweizer ihre Zuneigung zu den Zuwanderern entdeckt haben», kommentierte das britische Wirtschaftsmagazin «The Economist». Schon ennet der Stadtgrenzen beginnt in den Agglomerationen eine andere Welt, in der ein anderes Denken vorherrscht. 

(Quelle: Watson)
Einen Einblick liefert das jährliche Sorgenbarometer der Credit Suisse, das ebenfalls diese Woche veröffentlicht wurde. Auf den ersten Blick scheint alles paletti. Die Schweizer sind zufrieden mit ihrem Leben und ihrer wirtschaftlichen Situation. Dennoch bleibt die Angst vor Arbeitslosigkeit die grösste Sorge, gefolgt von so ziemlich allem, was mit dem Ausland zu tun hat. Gleichzeitig erlebt der Patriotismus einen Höhenflug: 90 Prozent der Befragten sind stolz darauf, Schweizer zu sein, so viele wie nie seit 1976, als das CS-Barometer erstmals erhoben wurde. 
Nationalstolz auf der einen Seite, Skepsis gegenüber dem Ausland auf der anderen, und fertig ist ein Zeitgeist, der zur Abschottung tendiert.
Um das zu verstehen, muss man Einblick nehmen in die Gefühlslage des Agglo-Mittelstands. Sein Unbehagen wegen der starken Zuwanderung wird oft mit Verlustängsten erklärt. Übersehen wird dabei ein mindestens so starkes Motiv: Das Gefühl, auf Dinge verzichten zu müssen, die für die Generation der Eltern selbstverständlich oder zumindest erreichbar waren. 

Die Arbeitslosigkeit ist tief, doch viele fürchten den Jobverlust im Alter. 
Beispiel Jobverlust: Die Sorgen der Leute sind auf den ersten Blick unbegründet. Trotz starker Zuwanderung ist die Arbeitslosigkeit in der Schweiz tief, eine Verdrängung von Einheimischen durch Zuwanderer findet nicht statt. Doch viele Mittelständler haben den Eindruck, sie kämen lohn- und karrieremässig nicht vom Fleck. Ihre Eltern konnten dank Inländervorrang den beruflichen Aufstieg erreichen, auch wenn sie nicht über optimale Qualifikationen verfügten.
Damals herrschte in vielen Unternehmen ein familiäres Klima. Heute fühlen sich Arbeitnehmer oft als anonymes Rädchen in einer Maschinerie, in der es keinen Direktor mehr gibt, sondern einen CEO, in der die Personalabteilung in Human Resources Department umbenannt wurde. Und in der ihnen ein Ausländer mit Hochschulabschluss und geringerem Lohnanspruch vor die Nase gesetzt wird.
Wer stagniert, der fürchtet den Absturz. Im konkreten Fall den Jobverlust mit 50 oder schon mit 45 und die Aussicht, keine neue oder gleichwertige Arbeit mehr zu finden. Es droht der soziale Niedergang im Alter, eine Horrorvision in unserer Wohlstandsgesellschaft. 

Einfamilienhäuser in Buchs (SG), ein Idealzustand für viele. 
Beispiel Wohnen: Viel ist die Rede von «Dichtestress». Nur wird dieser Begriff meistens falsch interpretiert. Für Agglo-Mittelständler bedeutet Dichtestress, dass sie in einer Mietwohnung hausen, aber vom Eigenheim mit Umschwung träumen. Wie es für frühere Generationen erreichbar schien. Die Realität sah anders aus: Weil Bauen hierzulande teuer ist, konnten sich nicht alle ein Einfamilienhaus leisten. Die Schweizer waren und sind ein Volk von Mietern.
Das Wohnen im Hüsli aber bleibt ein Idealzustand. Dies zeigt eine weitere Erhebung der Credit Suisse, das Jugendbarometer. Mehr als 80 Prozent der Jungen träumen vom eigenen Haus. Je mehr Ausländer jedoch ins Land kommen, nicht zuletzt die hoch gelobten, gut verdienenden Fachkräfte, umso unerreichbarer wird es. Im Tiefsteuerkanton Zug ist dies schon heute der Fall, dort sind Einfamilienhäuser für Normalverdiener zum Luxusobjekt geworden. 
Auch daraus entstehen Ressentiments. Das Wohnen im genossenschaftlichen Blockrandbau, das Bundesrätin Simonetta Sommaruga propagiert, finden eben längst nicht alle cool.

Kommentar: Meine Freunde in den USA sagten mir, auch dort mache sich die Angst vor Einwanderung, vor Konkurrenz breit. Die Politiker würden diese Problematik verdrängen.
Auch in der Schweiz dürfen die Aengste vor Jobverlust und Dichtestess nicht bagatellisiert werden. Ich bin überzeugt, dass die Schweiz trotz Ablehnung der Ecopopinitiative nicht zu einer weiteren Oeffnung bereit ist. Ich sehe schwarz für die Initiative "Raus aus der Sackgasse", obschon die meisten  dialogische Verhandlungen mit "Bilateralen" akzeptieren. Doch wollen die Bürger keine einseitigen Verhandlungen, bei der eine Seite nur nachgeben muss.

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