Montag, 14. Juli 2014

Zur Wirkung von Bildern

Entwurf eines Beitrages  für ein Lehrbuch;




Die Wirkung von Bildern kennen





Bildkompetenz erwerben heisst, mit Bildern umgehen können.





von Marcus Knill





Vor Jahren wollte ein Pfarrer von mir als Berater wissen, was er tun könne, um die Bankreihen in der Kirche mit seinen Predigten wieder zu füllen. Er bat mich, seinen Gottesdienst zu besuchen. Ich stellte dabei fest: Die Predigt war viel zu abstrakt. Es fehlten konkrete Geschichten und Worte, die Bilder auslösen. Ich verwies ihn auf die Bibel, deren Gleichnisse allgemeingültige Aussagen veranschaulichen.

Im Gespräch zeigte sich, dass der Theologe ein gestörtes Verhältnis zur bildhaften Sprache hatte. Er wollte sich von der Freikirche abheben, weil deren Prediger die narrativen (erzählenden) Elemente nutzen.

Der Zugang zur Bildrhetorik wirkte sich bei besagtem Seelsorger dann aber rasch positiv aus. Die Bänke füllten sich und auch seine Kolumnen in den Medien fanden regen Zuspruch.





Mit den Ohren sehen



In meiner Beratertätigkeit empfehle ich Managern, von den Kindergärtnerinnen zu lernen, das heisst das Element des Erzählens neu zu erwerben (Link: Spiel mit Beispielen).

Heute wird für Präsentationen das neudeutsche «Storrytelling» empfohlen. Alle Menschen schätzen das bildhafte Erzählen einer «Geschichte» oder eines Sachverhaltes, bei dem alle Sinne angesprochen sind und die Zuhörer die Worte gleichsam mit den Ohren sehen. Powerpointfolien erübrigen sich dann (Link: Sinnvoll kommunizieren).





Schriftsteller als Beispiel



Gute Schriftsteller schreiben so, dass Leserinnen und Leser die Bilder vor dem inneren Auge sehen. So hat Martin Suter dank seines filmischen Erzählstiles grossen Erfolg.

In der Rhetorik angewendet, wird dieser filmische Erzählstil von den Zuhörern geschätzt. Er ist nicht langweilig, weckt die Aufmerksamkeit und ermöglicht Präsentationen ohne aufwendige zusätzliche Visualisierungen.



Wer so schreibt oder so redet, dass man das Gesagte mit den äusseren Sinnen wahrnehmen kann, nutzt folgende Vorteile:

 - Wir können uns die Worte vorstellen.

 - Das Konkrete kann nachvollzogen werden (mit den Augen, den Ohren, der Nase, den Händen, der Zunge aber auch mit den inneren Empfindungen).

- Dies weckt nicht nur die Aufmerksamkeit. Der Text oder die Aussage ist spannender und unterhaltender als trockene, sachliche Formulierungen.


Alle Sinne ansprechen



In der Allgemeinen Frankfurter Zeitung las ich eine Beschreibung von Annette Mingels, die gut veranschaulicht, wie packend eine Schilderung sein kann, wenn alle Sinne angesprochen werden. Ihre Beobachtungen in Zürich sind hervorragend beschrieben. Lesen Sie vorerst nur einmal ein paar Sätze. Es werden verschiedene Sinne angesprochen.

- Die Brioches sind warm und süss (Hände, Zunge).

- Ein rothaariges Mädchen wird von seinem Vater fotografiert (Augen).

- Das blaue Tram fährt bimmelnd durch die Strassen (Ohren).

- Ein Schiff – lang und schmal wie ein Aal (Vergleich).






Bild und Bildung



«Worte haben keine Energie, solange sie nicht Bilder auslösen. Das Wort an sich bedeutet nichts, rein gar nichts. Etwas was ich immer im Auge behalte, ist:
Welches sind die Worte, die bei den Menschen Bilder auslösen, denn Menschen folgen dem Gefühl des Bildes.» 
Dieser Gedanke von Virginia Satir (1916-1988, Dozentin für Familientherapie) müsste in der Bildungslandschaft zu einem Kerngedanken werden: Ohne Bild keine Bildung und keine Leistungsverbesserung.

Nicht nur die Werbung, die Suggestopädie, das autogene Training und die Hypnose beeinflussen mit Bildern unser Verhalten. Ausbildung als «hilfreiche Bilder aus den Köpfen wegbringen» zu verstehen wäre völlig falsch. Welches Bild für die Bildungslandschaft Schweiz kann heute weiterhelfen? Für mich ist es das Bild eines Denkzimmers.

Virginia Satirs Erkenntnis, dass Worte nur dann etwas bewirken, wenn sie Bilder in uns auslösen, bestätigt die Ausbildungsgrundsatzthese: «Rede so, dass man das, was Du sagst, sieht!»

 






Wir ermuntern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Seminare stets, bildhafte Aussagen zu machen (mit Metaphern, Analogien, Bildern, Beispielen, Geschichten, Erlebnissen). In diesem Zusammenhang verwenden wir seit Jahren ein Piktogramm, das diese Erkenntnis sichtbar macht. Es zeigt ein Ohr mit einem Auge mitten drin.
Das Piktogramm – das übrigens bereits bei mindestens zwei Kommunikationsfirmen als Firmenlogo anzutreffen ist – zeigt, was Wolfram Blocher (Pfarrer von Laufen am Rheinfall von 1933–1958), der Vater von Christoph Blocher, seine Kinder am Esstisch gelehrt hatte: «Redet so, dass man es sieht!»






Lehrkräfte müssen visuelle Kompetenz erwerben



Prof. Dr. Christian Doelker, eremitierter Dozent für Medienpädagogik, weist immer wieder darauf hin, dass im Anfang das Wort war (Joh.1.1.). Auch in Aus- und Weiterbildung dominierte lange das Wort. Das Bildungssystem war vor allem  auf Schriftlichkeit ausgerichtet. Es macht den Anschein, als habe das Verbot «Du sollst Dir kein Bildnis machen» das Bild in der Bildung gleichsam ausgemerzt.

In der heutigen Zeit – im sogenannten optischen Zeitalter (Karl Pawek) werden wir von einer Bilderflut bedrängt. Die Informationsflut (Link: Informationsschwemme) ist das Zeitproblem Nummer eins. Bilder können aber auch helfen, mit der Informationsfülle besser umzugehen. «Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte!»

Doch gilt es, die Kraft des Bildes zu kennen und Bilder sinnvoll zu nutzen. Bildung verlangt von uns Bildkompetenz – das heisst, wir müssen Bilder lesen lernen.

Visuelle Kompetenz ist mehr als Lesen und Schreiben. Visual literacy bedeutet: Die Kulturtechniken Lesen und Schreiben auch auf das Bild-ABC zu übertragen.





Ergänzende Systeme



Wort und Bild sind keine Gegner, sondern sich ergänzende Zeichensysteme.

Die besonderen Leistungen des Bildes sind:

- die Konkretheit

- die Räumlichkeit

- die Emotionalität

- die offene Bedeutung



Es muss mit den Spezifitäten des Wortes:

- der Abstraktion

- der Zeitlichkeit

- der Rationalität

- der festen Bedeutung

in der kombinierten Textform (Gesamttext) zusammengeführt werden.





Die Kraft des Bildes



Ein abstraktes Wort ankert kaum im Gehirn. Wenn das Wort jedoch mit einem Bild oder mit Emotionen gekoppelt wird, bleibt es im Langzeitgedächtnis besser haften.

Was leider viele Lehrkräfte nicht wissen: Dank bildhaften Sprechens können Schülerinnen und Schüler motiviert und beeinflusst werden.

Bilder müssen jedoch mit der Botschaft übereinstimmen. «Der Zahn der Zeit wird wieder Gras über diese Wunde wachsen lassen» ist zwar bildhaft, doch nicht stimmig.

Es darf uns nicht gleichgültig sein, welche Bilder Jugendliche konsumieren. Brutalofilme oder Pornobilder beeinflussen die Einstellung der Jugendlichen negativ.

Die Werbung hat die Beeinflussung durch Bilder längst erkannt. Lehrkräfte müssen sich der Kraft von Bildern erst noch besser bewusst werden. Bei meinen Intensivseminaren erhalten die Teilnehmenden am Schluss ein einziges individuelles LernBILD (Piktogramm, das visualisiert, was uns weiter bringt). Dies bewirkt mehr als viele Worte

Darf ich davon ausgehen, dass alle Schulen ein LeitBILD, eine VISON haben und auch Sie als Leserin ihr LernBILD kennen?





Marcus Knill



ist Medienpädagoge, Experte für Medienrhetorik (www.knill.com) und Autor des bekannten virtuellen Buches (www.rhetorik.ch).



Literaturverzeichnis:

- Doelker Christian (1999): Ein Bild ist mehr als ein Bild. Visuelle Kompetenz in der Multimedia-Gesellschaft. Stuttgart: Klett-Cotta.



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