Dienstag, 11. Februar 2014

NACHLESE NACH DER ENTTAEUSCHUNG AM SONNTAG

Ueberall das grosse Wunden lecken

Horrorszenarien werden nach der Abstimmung  heraufbeschworen.
Politiker Steinmeier (D) ist sicher, dass nun die Schweiz unter dem schlimmen Entscheid schwer leiden werde.
Wie nach dem EWR NEIN war  für den Bundesrat der Sonntag wiederum ein schwarzer Tag. Jetzt muss es angeblich der Schweiz ganz schlimm gehen.

Der Vater der Initiative sieht jedoch alles viel gelassener. Es lohnt sich, folgendes Interview zu lesen:

SVP-Stratege Christoph Blocher legt dar, wie der Bundesrat aus seiner Sicht den Zuwanderungs-Entscheid umsetzen muss. Wichtigste Botschaft: Die Schweiz ist kein EU-Land.

storybildAlt Bundesrat Christoph Blocher: 
«Der Bundesrat darf auf keinen Fall selber verhandeln.» (Bild: Keystone/Walter Bieri)

Herr Blocher, es muss ein gutes Gefühl sein, schon wieder als Sieger aus einer solch richtungsweisenden Abstimmung hervorgegangen zu sein.

Ob ich glücklich darüber bin oder nicht, ist nicht entscheidend. Aber die Schweiz kann aufatmen, dass das Volk so mutig Stellung zur Selbstentscheidung bezogen hat – und das, obwohl man den Leuten im Abstimmungskampf dermassen Angst gemacht hat. Jetzt gilt es, die Handlungsfreiheit in Sachen Zuwanderung wieder zu erlangen. Mit der Annahme der Zuwanderungsinitiative steht jetzt in der Verfassung, dass die Schweiz die Zuwanderung selbst steuert. Wir sind nicht Mitglied der EU und wollen es nie sein.



Behauptet denn heute jemand, dass wir das sind?

Ja. Zumindest die EU tut so, als würden wir zu ihr gehören und der Bundesrat akzeptiert dies – trotz klarem EWR-Nein von 1992. Ebenso die Mehrheit des Parlaments. Die Verantwortlichen haben die Europäische Union bis heute im Glauben gelassen, dass die Schweiz der EU zumindest beitreten wolle. Und die EU hat es geglaubt. Deshalb haben wir jetzt einen solchen Salat! Mit der Übernahme der Personenfreizügigkeit hat die Schweiz ihre Unabhängigkeit faktisch preisgegeben. Jetzt ist das korrigiert.



Dass sich das Volk für eine Neuverhandlung der Personenfreizügigkeit ausgesprochen hat, muss für Sie ein ähnlicher Triumph wie das EWR-Nein 1992 sein.

Der Entscheid gegen den EWR-Beitritt war natürlich viel umfassender. Aber wie 1992 hat das Volk auch gestern realisiert, dass die Unabhängigkeit unseres Landes auf dem Spiel steht. Die Bevölkerung, die unter den Folgen der explosiven Zuwanderung leidet, hat ihre Stimme erhoben, während die Classe politique und der Bundesrat die Gefahr nicht ernst nahmen.



Der Bundesrat ist es aber, der nun für die Umsetzung verantwortlich ist.

Ja, weil er sich als Regierung wählen liess, um den Auftrag der betroffenen Bürger zu erfüllen. Und wenn er das nicht kann, muss man ihn auswechseln. Sicher ist, dass der Bundesrat keine Strategie hat, wie er der EU entgegentreten soll. Er weiss ja nicht einmal selber, was er will. Seit dem 9. Februar 2014 sollte er aber wissen, was er muss.



Wie sollte seine Strategie denn aus Ihrer Sicht aussehen?

Es ist doch ganz einfach! Zuerst – nun sag ich es noch einmal – ist der EU endlich klar mitzuteilen, dass die Schweiz nicht Mitglied ist und auch nicht werden will. Sie ist ein ausserhalb der Europäischen Union liegendes Land. Für sie gilt die Rechtsordnung der Schweiz und nicht der EU. Die schweizerische Unabhängigkeit ist in Artikel 2 der Schweizerischen Bundesverfassung festgeschrieben. Darum ist endlich das Beitrittsgesuch von 1992 für gegenstandslos zu erklären. Und die dritte Botschaft ist: Die Schweiz ist auch kein Mitglied des Europäischen Binnenmarktes und will es auch nicht sein. Sonst müssten wir nämlich alle EU-Regelungen übernehmen – in der Steuerpolitik, in der Aussenpolitik, bis hin zur Währung.



Die FDP hat ja bereits vorgeschlagen, dass Sie die Verhandlungen mit der EU führen sollen. Wären Sie dazu bereit?

Ich danke natürlich vielmals für den grosszügigen Vorschlag einer eher hilflosen FDP. Es ist aber schon ein wenig merkwürdig, dass man der grössten Partei, die bei wichtigen Fragen über 50 Prozent der Stimmen auf sich vereint, keinen zweiten Bundesratssitz zugestehen will. Und dann deren Hilfe will, wenn man selbst in der Tinte sitzt. Aber auch ein fähiger Diplomat kann nur gute Resultate erzielen, wenn er Verhandlungs-Vollmacht hat, und wenn auf keinen Fall der Bundesrat selber verhandeln will!



Weshalb soll der Bundesrat nicht selber verhandeln?

Der Bundesrat hat ja das Gefühl, er müsse immer sagen, was die EU hören will. Dabei macht das kein normaler Mensch: Mit jemandem verhandeln, der die gleiche Meinung vertritt. Es braucht Diplomaten, die hart auftreten können. Wenn sie keine Einigung mit der EU erzielen können, können sie immer noch sagen: «Ich habe zu Hause einen Chef, der will das so, ich kann Ihnen nicht weiter entgegenkommen.» Der Bundesrat hingegen kann das nicht.



Diese Theorie gehört ja quasi zum kleinen Einmaleins der Diplomatie. Weshalb glauben Sie, dass der Bundesrat das nicht weiss?

Bis in die 80er-Jahre wusste das unsere Landesregierung. Der Bundespräsident ging prinzipiell nie ins Ausland, weil er sich nicht auf die Forderungen einlassen wollte. Heute scheint von diesem Bewusstsein nichts mehr übrig zu sein. Dabei wäre es so einfach: Wenn man sich nur auf diesen eisernen Grundsatz zurückbesinnen würde, wäre man mit der EU viel erfolgreicher. So oder so: Die anstehenden Verhandlungen sind kein Zuckerschlecken, aber wir sind in einer starken Position. Die EU ist die Bittstellerin: Sie hat ein Interesse daran, dass wir in der Unternehmensbesteuerung, in Energiefragen oder bei der Zinsbesteuerung, im Datenaustausch und so weiter mit ihr zusammenarbeiten. 



Sie gehen davon aus, dass die Schweiz ein attraktiver Handelspartner bleibt. Die Gegner Ihrer Initiative befürchten aber ein wirtschaftliches Tief in der Schweiz, wie wir es nach dem EWR-Entscheid schon einmal erlebt haben.


Das EWR-Nein hat uns keine wirtschaftlichen Schwierigkeiten beschert, das ist dummes Zeug. Am Tag nach der Abstimmung ist die Börse und der Franken gestiegen. Auch die Zinsen haben positiv nach unten reagiert, die Leute wollten also mehr Geld anlegen. Der Punkt ist, dass die Abstimmung mitten in einer Rezession stattgefunden hat. Die Immobilienkrise, die grosse Teuerung und Steuererhöhungen sind dafür verantwortlich, dass die 90er-Jahre wirtschaftlich schwierig waren, nicht das EWR-Nein.



Dieses Mal ist die Situation anders. Es wäre keine bestehende Krise schuld, sollte die Umsetzung Ihrer Initiative zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen.

Natürlich kann es in den nächsten Jahren wieder zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten kommen, die Situation in ganz Europa ist alles andere als stabil. Aber ich sage Ihnen etwas: In einer solchen Situation stünde die Schweiz mit dem Kontingentssystem besser da als mit der Personenfreizügigkeit, wie wir sie heute haben. Mit der Personenfreizügigkeit bleiben die Ausländer – und es kommen erst noch zusätzliche – nämlich auch, wenn es im Land Probleme gibt. In einem Kontingentsystem gehen die meisten dagegen wieder nach Hause, wenn es sie nicht braucht. Vielleicht wird der gesamte Kuchen mit dem Kontingentssystem etwas kleiner, aber die einzelnen Stücke werden grösser.



Dann hat künftig jeder Schweizer ein fettes Tortenstück auf dem Teller?

Zuerst muss die Initiative umgesetzt werden. Aber dann gibt es für jeden ein dickeres Kuchenstück, ja.


KOMMENTAR: Obschon ich mit Christoph Blocher nicht immer das Heu auf der gleicher Bühne habe und ich ihn schon oft kritisiert hatte, so überrascht er heute durch sein aussagekräftiges Interwiew - mit seinen souveränen Antworten. Jetzt - aus der Siegerposition heraus - antwortet er kurz, klar, bedacht. Seine Argumentation leuchtet ein: Die Schweiz muss in den Verhandlungen eigenständig auftreten. Denn die Schweiz ist  nicht in der EU. Vielleicht war es ein Fehler, dass unser politisches Personal bislang noch nie eindeutig festgelegt hatte:
Wir treten nicht der EU bei! Dies wurde nie explizit festgehalten. Uebrigens:
Ich habe manche Wette verloren, weil für  mich ein JA eine Sensation gewesen wäre. Heute habe ich in Gesprächen gemerkt, dass in der Bevölkerung gegenüber unser Landesregierung zu viel Ungereimtes sauer aufgestossen ist: Volksentscheide wurden zu wenig ernst genommen. Sie wurden nicht umgesetzt (Verwahrung, Ausschaffung). Es wird versucht, eindeutige Volksentscheide  nachträglich  als ungültig erklären zu lassen, weil sie angeblich mit der Menschenrechtskonvention nicht vereinbar sind. Heute hörte ich im Bus folgende beachtenswerte Aussage: Der Bundesrat wird  bestimmt auch bei diesem Resultat den Volkswillen auf die lange Bnak schieben oder er wird den Auftrag gar nie so umsetzten, wie es beschlossen worden ist. Wer weiss:
Diese Stimmung des Misstrauens könnte auch mit beigetragen haben, dass viele ein JA auf den Stimmzettel geschrieben haben. 

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