Montag, 24. August 2009

Interview mit Iwan Rickenbacher (Quelle Blick)

Was darf sich ein Bundesrat eigentlich alles erlauben, bis er zum Rücktritt gezwungen werden kann?

Kurzer Rückblick.

  • Im Februar muss die UBS die vom Bankgeheimnis geschützten Daten von rund 250 US-Kunden herausrücken. Gleichzeitig lief aber ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht über die Herausgabe dieser Daten. Mit andern Worten: Bundesrat Merz befahl der Finma, die UBS anzuweisen, das Steuergeheimnis zu brechen und dies unter Verletzung der Gewaltenteilung.
  • Und jetzt dieser Vertrag mit Libyen. Staatsrechtler sind sich einig: Merz durfte diesen Vertrag, so eigenmächtig, wie er das machte, gar nicht abschliessen. Und zweitens hebelte er damit die rechtliche Zuständigkeit des Kantons aus.
  • Zwei umstrittene Fälle. Bundesrat Hans-Rudolf Merz hat in nur sechs Monaten also zweimal geltendes Recht gebrochen. Darf er sich eigentlich alles leisten? Blick.ch fragte den renommierten, unabhängigen Politik-Berater Iwan Rickenbacher. Blick.ch: Herr Rickenbacher, darf ein Bundesrat Recht brechen und trotzdem im Amt bleiben? Iwan Rickenbacher: Ja. In der Schweiz darf er das. Das ist so akzeptiert. Aber ein Minister in Deutschland müsste in so einem Fall gehen. Warum dieser Unterschied? Anders als in Deutschland hat bei uns das Volk viermal im Jahr die Gelegenheit, die Verfassung zu ändern. Das macht unsere Rechtslage labil. Da soll der Bundesrat für Stabilität sorgen. Man will einfach Unruhe im Land vermeiden. Trotzdem: Kann sich ein Bundesrat denn alles leisten? Nein. Aus der Zeit des 2. Weltkriegs erzählt man sich, ein Bundesrat habe eine kleptomanische Frau gehabt. Die durfte nicht mehr in Bern wohnen, sonst riskierte der Mann seine Wiederwahl. Ich gebe Ihnen noch folgende Beispiele: Wenn ein Bundesrat bei der Besetzung eines Amts Günstlingswirtschaft betreibt, wenn er sich finanzielle Unregelmässigkeiten zuschulden kommen lässt, wenn er mit dem Dienstwagen in die Ferien fährt. Da wäre ein Rücktritt fällig. Und was ist der Unterschied dieser Fälle zu «UBS» und «Libyen»? Wenn es sich um Verfehlungen im persönlich-moralischen Bereich handelt, wird es eng. Da zeigen wir wenig Toleranz. Also wenn sich ein Bundesrat persönlich bereichern sollte. Aber wenn er versichert, nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohl des Landes zu handeln, hat er grossen Freiraum. Aber da gibts doch ein Problem: Das funktioniert nur, solange Schweizer Akteure unter sich sind. Hat man im Ausland mit einem solchen System nicht grösste Mühe? Das ist tatsächlich das Problem. Die offizielle Schweiz ist immer noch nicht auf der internationalen Bühne angekommen, auf der sich alle Länder heute bewegen. Wir bewegen uns als Kleinstaat, der glaubt, unterhalb des Radars der internationalen Öffentlichkeit agieren zu können. Dabei gehört der Schweizer Finanzplatz zu den ganz Grossen dieser Welt. Die internationale Kundschaft aber kommt zu Schweizer Banken, weil sie auf Nummer sicher gehen will. Da sorgt unser Rechtsverständnis für grösste Irritationen.
  • «Ich musste gordischen Knoten durchschlagen.»: Bundespräsident Merz zum Libyen-Deal. (AP)

    Genfer Regierung ist «empört und fassungslos»

    Die Genfer Kantonsregierung ist über den «improvisierten Chrakter» des Vertrags mit Libyen «empört und fassungslos». Dies erklärte der Genfer Regierungspräsident David Hiler im Anschluss an die wöchentliche Medienkonferenz der Kantonsregierung in Genf. «Es bestand überhaupt keine Verpflichtung, die Entschuldigung an ein Schiedsgericht zu binden», sagte Hiler. Zwar sei ein solcher Vertrag auf internationaler Ebene möglich, doch widerspreche er Schweizer Recht. Die Genfer Regierung sei jedenfalls nicht bereit, dieses juristische Wirrwarr zu den Akten zu legen. Er wolle während dieser Woche aber keine «öffentliche Polemik», solange die zwei Geiseln immer noch in Libyen seien. Klar sei indes, dass der Vertrag Fragen zum Föderalismus aufwerfe. Man erwarte, die Unterstützung durch die anderen Kantone. Ein Treffen mit dem Bundesrat sei noch nicht traktandiert. Man warte zuerst ab, bis die Landesregierung selbst zusammentrifft.

    Kommentar:

    Persönlich vertrete ich die Meinung, dass Bundespräsident Merz bewusst Risiken auf sich genommen hat. Er fühlt sich verantwortlich, für das Land mit allen Mitteln den Durchbruch zu schaffen. Im Grunde gneommen spielte er den Winkelriet. Er opfert sich auf. Er weiss genau, dass er ohnehin von der Bühne abtreten wird. So gesehen kann er problemlos grosse Risiken eingehen. In jedem Fall wird er in die Geschichte eingehen als ein Politiker, dem man nicht vorwerfen kann er habe nicht gehandelt. Dass es eigenmächtig war wird ihm später vielleicht verziehen.

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