Dienstag, 19. Dezember 2006

Dank Blickkampagne Strafmilderung?

Am zweiten Tag des Zürcher Pitbull-Prozesses um die Tötung des sechsjährigen Süleymans durch drei Kampfhunde am 1. Dezember 2005 in Oberglatt hat Staatsanwältin Susanne Steinhauser scharfe Kritik an Boulevardmedien geübt. Diese hätten den Hauptangeklagten vorverurteilt, so dass über ihn nicht die Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis unbedingt verhängt werden könne, sagte sie heute Morgen in ihrem Plädoyer. Ihre Begründung: Nationales und internationales Recht schreibe eine Strafminderung im Falle von öffentlicher Vorverurteilung vor.

Kommentar:

Falls diese Begründung akzeptiert würde, könnte ein Straftäter dankbar sein für jede Medienkampagne.

Es ist uns in diesem Fall unklar, wann genau von einer Vorverurteilung gesprochen werden kann. Das ist nicht nur für die Oeffentlichkeit erläuterungswürdig.

Nachtrag vom 20. 12.06:

Es kam im Urteil tatsächlich dank dem "Medienrabatt" zu einer Strafmilderung. Aufschlussreich wäre damit eine Beurteilung des Falles vor dem Bundesgericht, denn bis jetzt wurde die Vorverurteilung als Strafmilderungsgrund nur dann berücksichtigt, wenn das Gericht bei der Urteilsfindung von den Medien stark unter Druck gesetzt worden war. Auch Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch zeigt beim "Medien-Rabatt" kein Verständnis. Er findet: "Eine überraschende Begründung, die eher dem Verteidiger zustehen würde."

Nachtrag vom 23. 12. 06 (Quelle: 20 Minuten)

Gerichtspräsident: Strafmass ohne «Medienrabatt» Gerichtspräsident Harry Kalt erläuterte am Freitag das Strafmass von zweieinhalb Jahren Gefängnis. Es sei zwar unüblich, dass bei einem fahrlässig begangenen Delikt in einzelnen Medien der Haupttäter mit Bild und vollem Namen genannt werde. Im vorliegenden Fall aber sei dies kein Grund, das Strafmass zu reduzieren, sagte Kalt. Dass das Gericht sechs Monate unter dem vom Gesetz vorgesehenen Maximum von drei Jahren blieb, begründete Kalt mit dem Geständnis und der Heim-Jugend des Angeklagten (siehe Artikel: «Harte Jugend, milde Strafe»). Mit dem «vergleichsweise hohen Strafmass» wollte das Gericht «ein Zeichen setzen»: Wer so gefährliche Tiere halte, müsse dafür einstehen, wenn er die Sorgfaltspflicht nicht erfülle.

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