(Quelle SRF)
Ständeratswahl Schaffhausen
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Wohnsitz-Knatsch um Ständerat Simon Stocker
Ständerat Simon Stocker pendelt zwischen zwei Wohnungen in Zürich und
Schaffhausen. Einen Beschwerdeführer stört das, denn für Ständeräte gilt
Wohnsitzpflicht. Was Stocker zu den Vorwürfen sagt.
Simon
Stocker gelang Ende Oktober die Überraschung: Die Schaffhauserinnen und
Schaffhauser wählten den 42-jährigen SP-Politiker zum Ständerat. Auf
Kosten des Bisherigen Thomas Minder (parteilos). Kurz nach der Wahl
wurde Kritik laut: Der ehemalige Schaffhauser Stadtrat Stocker lebe gar
nicht in Schaffhausen, sondern in Zürich bei seiner Familie. Ein
Schaffhauser Stimmbürger erhob deshalb Beschwerde gegen die Wahl.
Erfüllt Simon Stocker die Wohnsitzpflicht?
Rechtsanwalt
Peter Rütimann vertritt den Beschwerdeführer. Er sagt, Simon Stocker sei
zwar seit Anfang 2022 in Schaffhausen angemeldet und miete dort eine
Zweizimmer-Wohnung – aber er mache das nur, damit er dort wählbar sei.
«Seine Frau und sein Sohn sind in Zürich angemeldet und sein Sohn geht
in Zürich zur Kita. Wir sind darum der Auffassung, dass Stockers
Lebensmittelpunkt in Zürich ist», sagt Rütimann im Interview mit SRF.
Stockers Lebensmittelpunkt ist in Zürich.
Der Anwalt ist auf Wohnsitzfragen spezialisiert und zudem Präsident
der FDP Winterthur. Auf die Frage, ob die Beschwerde politisch motiviert
sei, sagt er: «Nein, das ist wirklich nicht der Fall.» Er kenne weder
die genauen Verhältnisse in Schaffhausen noch Simon Stocker. «Mir geht
es um die Rechtsfrage. Darum, was Gemeinden gegen Abstimmungs- oder
Wahltourismus tun können.»
Schaffhausen kennt, wie viele andere
Kantone, eine Wohnsitzpflicht für Ständerats-Kandidierende. Was das in
Schaffhausen ganz genau bedeutet, klären nun Juristinnen und Juristen.
Nachdem die Regierung die Beschwerde abgewiesen hatte, ist sie jetzt
beim Obergericht.
Auflagen passen nicht zum modernen Alltag
Gespannt nach
Schaffhausen blickt deshalb Andreas Glaser, Professor für Staatsrecht an
der Universität Zürich. Es gehe darum, wie das Wahlgesetz in
Schaffhausen ausgelegt werde. «Ein eiserner Grundsatz ist: Man darf nur
den politischen Wohnsitz an einem Ort haben», sagt er. Die Auflagen
dafür seien streng. Auch, um Manipulationen von Abstimmungsresultaten zu
verhindern.
Allerdings habe sich die Gesellschaft verändert.
«Eine Wohnsitzpflicht setzt voraus, dass eine Kandidatin oder ein
Kandidat auf allen Ebenen sehr verwurzelt ist: Arbeit, Familie,
Vereinsleben.» Ein Lebensmodell, wie es in den 1960er-Jahren verbreitet
war. «Es stellt sich die Frage, ob man eine solche Auflage nicht
anpassen müsste.»
Vorwürfe «an den Haaren herbeigezogen»
Simon
Stocker selbst findet die Vorwürfe «grotesk.» Er sei seit 42 Jahren in
Schaffhausen zu Hause. Die Dreizimmer-Wohnung in Zürich habe seine
Familie, weil seine Ehefrau im Kanton Aargau arbeite. So müsse sie nicht
so weit pendeln.
Die Vorwürfe sind grotesk.
«Wir haben eine Berufs- und Lebenssituation, die erfordert, dass
meine Frau das so löst, das ist für uns Normalität. Dass dies nun zum
Vorwurf wird, finde ich an den Haaren herbeigezogen», sagt der
SP-Ständerat. Die Wochenenden verbringe die Familie regelmässig in
Schaffhausen.
KOMMENTAR: Das Urteil des Obergerichtes ist spannend. Würde das Gericht bei der geltenden Wohnsitzregelung ein Auge zudrücken (Heute gilt immer noch: Der Standesvertreter muss bei der Wahl den Lebensmittelpunkt im betreffenden Kanton haben), ist damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer auch noch ans Bundesgericht gelangt. Obwohl die Regelung nicht mehr zeitgemäss ist, gilt sie noch. Es besteht somit durchaus die Möglichkeit, dass sich das Bundesgericht an die Wohnsitzpflicht hält. Ich vermute jedoch, dass die letzte Instanz eine Sensation vermeiden will. Der Knatsch ist aber heute noch nicht ausgestanden. Stocker gelingt es nicht, mit der gespielten Lockerheit die Spannung wegzulächeln. Die Belastung der Geschichte hat verständlicherweise Spuren hinterlassen.