Wenn Politiker in Fettnäpfe tappen
Von Marcus Knill
Unbegreiflich, wie Politiker immer wieder als
Fettnapftreter negative Schlagzeilen machen. Laschet der CDU-Kanzlerkandidat sorgte in der WDR
Sendung „Aktuelle Stunde“ für Aufsehen. Im Interview mit der bekannten
Moderatorin Susanne Wieseler sagte Laschet hinsichtlich Klimaschutzmassnahmen
„Entschuldigung, junge Frau. Weil jetzt so ein Tag ist (er spricht die
Unwetterkatastrophe an), ändert man nicht die Politik.“
Es ist nicht ganz klar, ob der nordhein-westfälische
Kanzlerkandidat die Journalistin tatsächlich mit einem herablassenden „junge
Frau“ abgekanzelt oder lediglich ihren Namen vergessen hat. Denn er nuschelte: „Entschuldigung Frau....“. So oder
so war der Auftritt peinlich. Wenn ein Politiker sagt, man ändere die Politik
nicht wegen eines Tages der unermesslichen Katastrophe, mit vielen Toten und
verheerenden Schäden, ist dies allein schon ein verbaler Fehltritt. Kommt dazu,
dass Laschet am Anfang der Ueberschwemmungen selbst noch „Mehr Tempo beim
Klimaschutz“ forderte.
Später folgte noch eine weitere Peinlichkeit:
Während Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner
mit todernster Mine zu den Flutgeschädigten spricht, lachte Armin Laschet im
falschen Moment. Die Kamera zeigte ihn im Hintergrund lachend,wie er sich gut
gelaunt mit einigen Anwesenden unterhielt. Die SN publizierte diese Aufnahme.
Dieses Verhalten sorgte erneut für Kopfschütteln. Einem Politiker, der echt
Anteil nimmt, würde so ein Fehltritt nicht passieren. Ein Kanzlerkandidat sollte
wissen: Wenn Kameras und Mikrofone anwesend sind, muss man immer damit rechnen,
dass auch Personen aufgenommen werden, die nicht sprechen. Nach dem Patzer in
der Interviewszene schwieg Armin Laschet. Für das Fehlverhalten während der Ansprache
des Bundespräsidenten entschuldigte er sich immerhin: „Dies war unpassend und
tut mir leid“.
Die Fettnäpfchen Baerbocks.
Auch die grüne Kanzlerkandidatin Baerbock
verstand es, in verschiedene Fettnäpfchen zu treten. Sie hat damit möglicher
weise ihre Wahl-Chancen verbockt.
Zu ihren Patzern:
1. Nebeneinkünfte nicht angegeben
Baerbock musste der Verwaltung des Bundestags vergessene
Sonderzahlungen von mehr als 25.000 Euro nachmelden, die sie in den vergangenen
Jahren als Bundesvorsitzende von ihrer eigenen Partei bekommen hatte. Den Grossteil
machte dabei Weihnachtsgeld aus.
Darunter war aber auch eine coronabedingte Sonderzahlung aus dem
Dezember 2020 in Höhe von 1500 Euro. „Ich habe mich natürlich selbst über
meinen Fehler tierisch geärgert“, sagte Baerbock in der Talksendung. Sie rechtfertigte
sich, sie habe das Weihnachtsgeld immer korrekt versteuert, habe aber nicht auf
dem Schirm gehabt, dass sie den Betrag auch dem Bundestagspräsidenten hätte
melden müssen. Diese Beschönigungen sind faule Ausreden.
Baerbock hätte Einsicht zeigen müssen und den Betrag nachträglich, beispielsweise für gute Zwecke spenden können.
2. Der
Lebenslauf Patzer
Baerbock hatte auf ihrer
Website unter Mitgliedschaften zunächst unter anderem die
Transatlantik-Stiftung und German Marshall Fund sowie das
UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR aufgeführt. Später wurde die Seite geändert, die
Überschrift lautet statt "Mitgliedschaften" nun "Beiräte,
(Förder-)Mitgliedschaften, regelmäßige Unterstützung".
"Das war offensichtlich
sehr schlampig", fand Baerbock selbst. "Ich habe da offensichtlich
einen Fehler gemacht, und das tut mir sehr, sehr leid, weil es ja eigentlich in
diesen Momenten um große andere Fragen gerade in unserem Land geht." Wenn
dies der einzige Fehler gewesen wäre, hätte ihr „Mea Culpa“ genügt. Doch patzte
Baerbock zu oft.
3. Patzer durch
Plagiate in ihrem Buch
Medienwissenschafter Stefan Weber
hatte im jüngst erschienenen Buch der grünen Kanzlerkandidatin rund ein Dutzend
Stellen gefunden, die ohne Quellenangabe abgekupfert worden sind. Die Grünen sahen
dies als «Rufmord»-Kampagne. Der
Plagiatsjäger wies dies jedoch als „völligen Quatsch“ zurück und präsentierte
täglich neue Passagen, die abgeschrieben waren. Der Gutachter schreibt von
„Schlamperei, Unsauberkeit und dilettantischem Vorgehen“.
4.Unbegreiflich: Nachträglich kommt an den Tag,
dass Baerbock auch noch von ihrem Kollegen Habeck abgeschrieben hatte – ohne
Quellenangabe.
Zu den Plagiatsaffairen
weiterer Politikern und ihre Folgen:
Verteidigungsminister Karl-Theodor
zu Guttenberg konnte in seiner Doktorarbeit Plagiate nachgewiesen werden. Er verlor
alle Aemter.
Familienministerin Franziska
Giffey (SPD) wurde der Doktortitel aberkannt. Sie musste zurücktreten.
Verkehrsminister Andreas
Scheuer (CSU) musste nicht zurücktreten. Ihm wurde der Doktortitel nicht aberkannt. Er führt jedoch seinen Titel nicht mehr - aus eigener Entscheidung.
Bei den nachgewiesenen
Plagiaten von Ursula von der Leyen sah die medizinische Hochschule Hannover
keine Täuschungsabsicht. Sie durfte den Doktortitel behalten.
Bei der
Europaparlamentarierin Silvana Koch-Mehren (FDP) wurden bei der Doktorarbeit ebenfalls
Plagiate festgestellt. Ihr wurde der Doktortitel entzogen.
Auch bei der früheren
Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) hatte der Nachweis von Plagiaten
Folgen. Sie trat zurück.
Es gibt zahlreiche andere Beispiele:
Peer Steinbrück, vor einigen Jahren
SPD-Kanzlerkandidat und Herausforderer von Angela Merkel, ist ein Paradebeispiel für einen Fettnapftreter.
Im Wahlkampf sagte er, eine Flasche Wein, "die
nur fünf Euro kostet, würde ich nicht kaufen". Die Leser urteilten: Arrogant
und überheblich. Steinbrück, angestachelt durch die Kritik und frustriert vom
schlecht laufenden Wahlkampf, liess sich
für ein Magazin mit "Stinkefinger" fotografieren. Darauf folgte ein
Aufschrei. Den meisten Sozialdemokraten war nun klar, dass Steinbrück den Kampf ums
Kanzleramt verspielt hatte. Im Nachhinein räumte der Kandidat selbst die Fehler
ein.
Ein einzelnes Interview, ein unbedachtes Wort, eine
falsche Geste allein kann keine Wahl entscheiden. Wenn jedoch bestimmte
unbedachte Äusserungen zum Image eines Politikers passen, können sie vorhandene
Vorstellungen verstärken und für die Bestätigung eines persönlichen Entscheides
sorgen. Bei Steinbrück war dies der Fall.
SPD Verteidigungsminister Rudolf Scharping planschte 2001 mit seiner
Freundin auf Mallorca im Pool, obwohl sich die Bundeswehr auf ihren Einsatz in
Mazedonien vorbereitete. Die peinlichen Fotos veröffentlichte die
"Bunte", Scharping glaubte vielleicht, sein eher schlechtes Image mit
ein bisschen Glanz aufpolieren zu können. Die Publikation der Poolbilder hatte Folgen:
Scharping musste den Hut nehmen.
Immer gut für einen Tritt ins Fettnäpfchen war auch Günther Oettinger.
Der EU-Haushaltskommissar von der CDU machte in der Vergangenheit immer wieder
Schlagzeilen mit fragwürdigen Äusserungen. In einem Vortrag vor Unternehmern,
äusserte er sich abschätzig über Chinesen ("Schlitzaugen"), Frauen
und die Ehe für Homosexuelle. Er ging wohl davon aus, dass seine Bemerkungen
nicht an die Öffentlichkeit gelangen würden. Kamen sie aber und Oettinger
musste sich entschuldigen.
Katastrophen sind für Politiker immer eine Chance,
sich als Krisenmanager zu profilieren.
Schon früher gab es in Deutschland
Ueberschwemmungen. Beim Duell Stoiber- Schröder sah die Bevölkerung, wie
Stoiber die Schäden nur von oben - vom Heli aus – besichtigte. Schröder
hingegen war nur mit Stiefeln mitten unter der betroffenen Bevölkerung zu sehen.
Schröder wurde gewählt, wenn auch wohl nicht nur deswegen.
Im Juni 2013 gab es auch im ostdeutschen Zeitz
verheerende Ueberschwemmungen. Während der Flut machte sich der
Oberbürgermeister Volkmar Kunze nach Russland auf. Das kam ganz schlecht an.
Die „Flucht“ nach Russland wurde in den
Medien trotz verspäteten Entschuldigung
übel genommen. Es wurde sein Rücktritt gefordert. Kunze sprach dann lediglich
von „Fehleinschätzungen“. Es gibt eine wichtige Regel: In
Katastrophensituationen gehört der Kapitän auf Deck. Obschon sich Kunze an sein
Amt klammerte, musste er dann später doch noch den Hut nehmen.
Fazit:
Wenn ein Politiker ins Fettnäpfchen tritt, ist
dies für die Medien ein gefundenes Fressen. Die Geschichte wird gelesen, denn
Schadenfreude fördert die Aufmerksamkeit. Wenngleich seit je immer wieder viele
in den Fettnapf getreten sind, kann jeder Politiker dafür sorgen, dass er nicht
in die negativen Schlagzeilen gerät. Er darf einfach nicht schummeln oder
lügen. Wer in der Oeffentlichkeit steht, sollte zudem selbstkritisch bleiben.
Leider sind viele Politiker beratungsresistent.
ARTIKEL: 29 Jul 21: Wenn Politiker ins Fettnaepfchen treten