Dienstag, 2. Dezember 2014

Umfrage FLOPS

Wieder eine Ohrfeige für Longchamp


Longchamps Institut Gfs versucht nach dem jüngsten Flop  den Umschwung seit der letzten Umfrage mit schlauen Formulierungen zu erklären: Das Momentum in Richtung «Zeichen setzen» sei situativ geblieben. Longchamp will zudem eine «Demobilisierung» festgestellt haben. Letztlich muss er zugeben: Es gebe bei der Meinungsbildung «neuartige Muster». Eines steht fest: Einmal mehr hat sich Longchanp verrechnet.


Auch er ist ein Verlierer des Abstimmungs-Sonntags: SRF-Politologe Claude Longchamp. play Auch er ist ein Verlierer des Abstimmungs-Sonntags:
SRF-Politologe Claude Longchamp.

Umfragen-Debakel für Longchamp 

Das Volk verarscht die «Fliege»

Die deutliche Schlappe der Ecopop-Initiative ist auch eine schallende Ohrfeige für den SRG-Umfragepapst Claude Longchamp.
Während Claude Longchamps Umfrage vor 10 Tagen noch von einem Ja-Stimmenanteil von 39 Prozent ausging, wird die Initiative an der Urne mit einem 26-Prozent-Ja-Anteil abgeschmettert. Das Stimmvolk verarscht damit den Mann mit der Fliege.
Dafür gibt es eine mögliche Erklärung: Die Befragten haben bei der Longchamp-Umfrage noch gesagt, sie würden Ja stimmen, um so ein Zeichen gegen die Zuwanderung zu setzen. Die gleichen haben dann an der Urne aber ein «vernünftiges» Nein eingelegt.
Damit hat Longchamp wohl nicht gerechnet. Damit hätte sich auch ein bekannter Umfrage-Effekt ins Gegenteil gekehrt. Normalerweise gehen Demoskopen bei emotionalen und auch zuwanderungskritischen Abstimmungen davon aus, dass die Befragten in der Umfrage sich nicht getrauen, ihre ausländerkritische Haltung offenzulegen.
Kommentar:
Schon bei bei der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar sagte das Volk am der Urne eine andere Sprache, als Longchamp in seiner Umfrage 10 Tage vor der Abstimmung. Damals war es jedoch umgekehrt. Während die Umfrage von und 43 Prozent Ja ausging, wurde die Initiative an der Urne mit 50,3 Prozent angenommen. Die Menschen hatten bei Befragungen gesagt, sie würden NEIN stimmen. Zu Hause jedoch im stillen Kämmerlein schrieben sie dann ein JA auf den Stimmzettel.
Longchamps grösster Flop war bei der Umfrage vor der Minarett-Abstimmung. Er hatte eine Nein-Mehrheit von 53 Prozent prognostiziert. Das Stimmvolk nahm dann aber die Initiative Ende November 2009 mit 57 Prozent Ja an. Der Umfragepapst muss nun über die Bücher. Er kann sich keine weiteren Flops mehr leisten.
NACHTRAG:
Watson publiziert eine Liste von Umfragen, die genauer waren als Longchamps Prognosen. Peinlich. Sogar 126 Teilnehmer einer Umfrage bei Facebook waren genauer als die Gfs
Ich zitiere:
Das Ranking des Demoskopie-Debakels:

1. GfS / SRG

Abstimmungsbarometer 19. November: 39 Prozent JA*
Abstimmungssonntag 30. November: 25,9 Prozent JA
Differenz: 13,1 Prozentpunkte
Das GfS erhob zwei Wochen vor der Abstimmung einen viel zu hohen Ja-Anteil zu Ecopop. Der statistische Störfaktor der «sozialen Erwünschbarkeit» bei zuwanderungskritischen Vorlagen (die Befragten trauen sich nicht, zuzugeben, dass sie fremdenfeindlich stimmen) hat also nicht gespielt. Das methodisch nach allen Regeln der Kunst erhebende GfS konstatiert «neuartige Muster» in der Meinungsbildung bei zuwanderungskritischen Vorlagen. Im konkreten Fall von Ecopop hätten in den letzten zwei Wochen vor allem die schwache Mobilisierung im SVP-Lager und die sehr kritisch-warnende Haltung der Medien eine «Rationalisierung gegen die Initiative» ausgelöst.

2. «20 Minuten»

Prognose am 24. November: 36 Prozent JA
Abstimmungssonntag 30. November: 25,9 Prozent JA
Differenz: 10,1 Prozentpunkte
«20 Minuten» hat in insgesamt drei Wellen die Stimmabsichten seiner User erhoben. Obwohl der Ja-Anteil zu Ecopop von Welle zu Welle abnahm, lag der am 17. und 18. November erhobene Wert noch 10 Prozent zu hoch. «20 Minuten» hat die in einer Online-Umfrage erhobenen Daten von Politologen nach demografischen, geografischen und politischen Variablen gewichten lassen, um die Bevölkerung möglichst gut abzubilden.
Zwar bleiben Online-Umfragen methodisch immer problematisch, da die Angaben zur Person der Teilnehmenden mit verhältnismässigem Aufwand nicht zu überprüfen sind. Aber «20 Minuten» hat den Vorteil, auch junge Leute erreichen zu können, womit das GfS mit der klassischen Telefonumfrage auf Festnetznummern eher Mühe hat. Zudem kann man davon ausgehen, dass die Online-Umfrage mit 14'000 Teilnehmern die kritische Masse für eine repräsentative Stichprobe erreicht hat. «20 Minuten»-Chefredaktor Marco Boselli sagte auf Anfrage, dass die involvierten Politologen derzeit nach einer Erklärung für die Abweichung suchen.

3. Politikprognosen.ch

Prognose am 24. November: 35 Prozent JA
Abstimmungssonntag 30. November: 25,9 Prozent JA
Differenz: 9,1 Prozentpunkte
Politikprognosen.ch schürt bereits im Firmennamen zu hohe Erwartungen. Niemand kann Abstimmungsergebnisse prognostizieren, sondern nur Momentaufnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Abstimmung erheben. Politikprognosen rühmt sich jedoch damit «präzise und zuverlässige Wahl- und Abstimmungsprognosen in der Schweiz und anderen europäischen Ländern zu erstellen». Das ist bei Ecopop schief gegangen, aber nicht so schief wie beim GfS. Politikprognosen erstellt seine Vorhersagen aufgrund eines eigens entwickelten Prognosemarktes, in dessen Rahmen junge Politologen auf den erwarteten Abstimmungs- oder Wahlausgang wetten. Oliver Strijbis, Gründer von Politikprognosen.ch, führt die Abweichung ebenfalls auf die aussergewöhnliche Situation zurück, dass die SVP-Führung eine zuwanderungskritische Vorlage nicht unterstützt hat. 

4. Politnetz.ch

Prognose am 24. November: 35 Prozent JA
Abstimmungssonntag 30. November: 25,9 Prozent JA
Differenz: 9,1 Prozentpunkte
Das Politnetz lag gleich weit daneben wie Politprognosen.ch. Politnetz erhebt seine Daten via Facebook-Radar (Anzahl Likes für eine Vorlage) und einer Umfrage auf Facebook und Website. Die Teilnehmerzahl für die Ecopop-Umfrage liegt derzeit bei 126 Teilnehmern, das ist rund ein Zehntel der Teilnehmer, die für eine korrekt randomisierte Telefonumfrage nötig wären. Dennoch hat Politnetz.ch ein um 6 Prozentpunkte korrekteres Abstimmungsbarometer geliefert als die SRG und das GfS von Claude Longchamp. (thi)

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