Statt immer wieder an guten Vorsätzen zu scheitern, müssten wir ab sofort lernen,
die Macht der Gewohnheit zu nutzen und Rituale einzuführen.
Wir alle kennen seit Jahren das bekannte Lied. Ich will mich beispielsweise mehr bewegen, weniger Schokolade essen oder weniger Alkohol trinken.
Doch wir scheitern immer wieder an unseren guten Vorsätzen. Weshalb? Wir haben uns an die schlechten Gewohnheiten gewöhnt. Bedenken wir:
Es gilt das Prinzip der Trampelpfade:
Wenn wir eine Wiese durchqueren, zeichnet sich noch kein Pfad ab. Erst wenn wir immer wieder die gleiche Spur benützen, entsteht allmählich ein Trampelpfad. Unsere schlechte Gewohnheit hat sich nach diesem Prinzip gefestigt. Wir benutzen trotz guter Vorsätze den eingravierten Trampelpfad.
Diese Erkenntnis nutzend, könnten wie somit durch konsequentes Wiederholen die gute Verhaltensweise festigen.
dieses Prinzip gilt bei schlechten Angewohnheiten und bei der Durchsetzung eines guten Vorsatzes. Wir müssen für den guten Vorsatz einen Trampelpfad schaffen. Das benötigt Zeit und ist nur durch Wiederholung möglich.
Das Buch "Die Macht der Gewohnheit" vertieft meinen Gedanken:
(Quelle: DIE ZEIT)
Mehr Vitamine, kein Nikotin? Charles Duhigg setzt auf Selbstoptimierung gegen schlechte Gewohnheiten.
In der Erziehung von Kindern sind feste Gewohnheiten bekanntlich die
halbe Miete. Es gibt Theorien, die sehr plausibel erklären, wie
und warum das junge Ego von jener Sicherheit profitiert, die sich
aus der verlässlichen Wiederholung von Handlungen, Situationen und
Impulsen ergibt. Die Praxis fügt die Erkenntnis hinzu, dass sich ein
von Gewohnheiten getragenes Zusammenleben auch auf die Nerven der
Eltern heilsam auswirkt. Was Routine geworden ist, muss nicht
immer aufs Neue bequasselt, begründet, aufgezwungen werden.
Wenn der kleine Uhrzeiger sich wie ein Arm ganz gerade nach rechts
ausstreckt, ist es drei. Wenn es drei ist, machen wir ein Picknick auf
dem Fußboden im Kinderzimmer. Vor jedem Picknick wird der Fußboden
aufgeräumt. Nach jeder Rückkehr aus dem Urlaub lassen wir die Koffer
vierundzwanzig Stunden ungeöffnet im Flur stehen. An jedem ersten
Sonntag im Monat ist bei Facebook Tag des offenen Bildschirms
für die Eltern. Ist einfach so; Schluss, aus.
Was sich im Kleinkosmos der Familie bewährt, gilt erst recht für das
Großgebilde der Gesellschaft. Sie ist ohne Gewohnheiten, ohne deren
Durchsetzungskraft und Gesetzmäßigkeit so wenig vorstellbar, dass es
überflüssig, ja banal erscheint, an diesen Tatbestand überhaupt zu
erinnern. Oder doch? Jetzt, zum bevorstehenden Jahreswechsel, wenn wie
üblich die sogenannten schlechten Gewohnheiten zum Teufel gejagt und
wieder einmal
tausend neue Vorsätze beschworen werden,
hat die alte Gewohnheit vielleicht doch eine Gedenkminute verdient.
Denn in Wahrheit hat sie es derzeit nicht leicht. Ihr Ansehen schwindet
in der Moderne zusehends. Das buchstäblich Konservative der Gewohnheit
ist in Misskredit geraten. Einer Kultur, die vernarrt ist in ihre
rasende Veränderbarkeit und deren Prozesse, erscheint die Gewohnheit als
Bremsklotz, als Zwang. Die Urbotschaft der Gewohnheit lautet ja: Das
haben wir schon immer so gemacht, das machen wir auch jetzt so. Wir
essen um eins zu Mittag. Um vier gibt es Kaffee. Und nicht umgekehrt.
Dass und wie sich die Mentalität der Gewohnheit verwandelt hat und
weiter verwandelt, lässt sich sehr schön an einem
populärwissenschaftlichen Buch studieren, das der Amerikaner Charles
Duhigg verfasste. Duhigg, Jahrgang 1974, arbeitet als
Wissenschaftspublizist. Seine Schrift hat den Titel
Die Macht der Gewohnheit,
und dieser Titel sagt schon einiges. Denn so betriebsam Charles
Duhigg es nicht versäumt, alle paar Seiten den Wert individueller und
sozialer Gewohnheiten hervorzuheben, so unübersehbar geht es ihm im Kern
um Strategien, mit deren Hilfe sich ihre Macht eben brechen lässt.
Duhigg nimmt, anders kann man es nicht deuten, am Charakter der
Gewohnheit in erster Linie den tyrannischen Zug wahr. Nichts, lautet
seine Botschaft, muss bleiben und gemacht werden, wie es immer war und
gemacht wurde. Wo Zigarette war, kann Apfel sein. Wer es gewohnt ist,
den Feierabend auf dem Sofa zu verhocken, kann
sich zum fanatischen Jogger wandeln.
Wer Depressionen erleidet, kann ihrer Herr werden durch Techniken der
Umgewöhnung, die am Habituellen ansetzen, nach innen durchgreifen und
zuletzt die Seele umkrempeln. Das klingt erst mal prächtig. Und man
braucht beim Lesen eine Weile, um die unterschwellige smarte,
ideologische Tendenz zu begreifen, die diese Revolutionslehre der
Gewohnheit antreibt.
Duhiggs Ausgangspunkt ist zunächst nicht zu widersprechen: Er
unterscheidet zwischen positiven und negativen Gewohnheiten. Dass diese
nicht per se, nur weil sie welche sind, einen sittlichen Wert
darstellen, versteht sich ebenfalls von selbst. Wenn es beispielsweise
zum Repertoire der Familiengewohnheiten gehört, Kindern eine Ohrfeige zu
verpassen, wenn sie mit verschmutzten Stiefeln in die Wohnung laufen,
wird niemand dies gutheißen. Je routinierter die Ohrfeigenhand ausfährt,
umso schlimmer. Ebenso können Gesellschaften kollektive Gewohnheiten
ausprägen, rassistische Verhaltensweisen etwa, die zu erhalten sich
gerade nicht empfiehlt.
Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King wäre
vermutlich langsamer in Gang gekommen, wenn die 42-jährige
Afroamerikanerin Rosa Parks nicht am 1. Dezember 1955 in Montgomery,
Alabama, von ihrer Gewohnheit abgewichen wäre, ihren Platz im mittleren
Abschnitt eines Busses für einen weißen Mann frei zu machen, den dieser
für sich beanspruchte – ebenfalls aus Gewohnheit. Rosa Parks blieb
sitzen, wurde verhaftet und der Vorfall zum Funken, der ein Ölfass zum
Explodieren brachte. Dem Rhode Island Hospital im Südosten Neuenglands
wiederum gelang Mitte der neunziger Jahre die Senkung der Todesrate von
Intensivpatienten allein dadurch, dass der Chefchirurg auf eine lieb
gewordene Gewohnheit verzichtete. Bis dahin hatte er das Vorgespräch des
OP-Teams zum Telefonieren oder zum Kaffeetrinken in einem Nebenraum
genutzt. Nachdem er versehentlich die falsche Schädelseite eines
Patienten geöffnet hatte und dieser an dem Missgriff verstarb, unterzog
sich der Klinikbetrieb einer Grundreinigung seiner verschlampten
Gewohnheiten. Ein Fortschritt – keine Frage.
Problematisch ist allerdings, dass solche Beispiele, die das Buch in
kaum enden wollender Fülle anführt, zur Illustrierung einer
Argumentationsführung dienen, die die Gewohnheitskultur ganz
grundsätzlich als renovierungsbedürftig zur Kenntnis nimmt. Kurz gesagt:
Charles Duhigg schreibt hier über die Bedingungen der Möglichkeit, dem
Zwang der schlechten Gewohnheit (rauchen, trinken, überfressen,
Missmanagement in Wirtschaft, Bürokratie und Politik) zu entkommen und
sie durch gute Gewohnheit zu ersetzen (regelmäßig Sport treiben, sich
maßvoll, vitaminreich und möglichst fleischarm ernähren, mäßig Alkohol
trinken, auf keinen Fall rauchen, Wirtschaft, Bürokratie und Politik
effizient umstrukturieren etc.). Er stützt sich dabei auf umfangreiche
neurobiologische Forschungsergebnisse, die beweisen, dass und wie unser
Gehirn umerzogen werden und lernen kann, auf einen Reiz nicht in der
gewohnten Weise zu reagieren. An der Stelle, an der die Synapsen
normalerweise nach einem gezuckerten Schokoladenkeks gieren, kann sich
der Appetit auf eine Birne einstellen. Nur stützt sich Charles Duhigg
nebenbei auch auf ein Ideologem: das der andauernden
effizienzorientierten Selbstoptimierung. Es betrifft Individuen wie
Wirtschaftsunternehmen und Institutionen.
Im ersten Kapitel des Buches baut Duhigg eine wahre Monsterfigur auf.
Er beschreibt eine Mittelklasseamerikanerin, die durch verschiedene
Schicksalsschläge in den Kreislauf schädlichster Gewohnheiten geraten
war. Sie war dabei, sich zu Tode zu rauchen. Je mehr sie rauchte, desto
mehr trank sie. Je mehr sie trank, desto weniger ernährte sie sich. Sie
kannte weder Tag und Nacht, nur mehr ein diffuses, mit Lastern gefülltes
Zeitkontinuum. Eine
schwere Depression
ließ nicht auf sich warten, die Zug um Zug die Laster steigerte.
Anschließend beschreibt Duhigg, wie die Frau durch eine
Verhaltenstherapie der Logik ihrer destruktiven Angewohnheiten entkam,
indem sie lernte, die Glieder der Kette voneinander zu lösen, ihr Hirn
sich darin übte, Rauchen und Trinken zu trennen, bis beides verschwand.
Die Geschichte ist glaubhaft, kein Psychologe würde ihren
Realitätsgehalt bestreiten. Nur ist sie als Prämisse einer Studie über
die Geschichte der Gewohnheit tendenziös. Denn diese Prämisse verlängert
sich zu einer Perspektive, in der das Bewahren von Gewohnheiten per se
eher von Nachteil als von Vorteil ist.
Allein der Blick auf das unbestreitbare Gegenwartsproblem
kindlicher Fettsucht widerlegt
diese Argumentation. Die Wurzel des Problems liegt ja nicht darin, dass
übergewichtige Kinder sich den Konsum von Fast Food und Süßgetränken
nur mit größter Mühe abgewöhnen lassen. Die Wurzel des Problems liegt
darin, dass die Propaganda für diese Drecksernährung es geschafft hat,
die hergebrachte Gewohnheitskultur privater Essenszubereitung und
familiärer Mahlzeiten zu zerstören. Tausend Beispiele für den Sinn der
Bewahrung von Gewohnheiten ließen sich hier anführen. Duhigg ist an
ihnen nicht sonderlich interessiert. Sie widersprächen dem Manifest
permanenter Selbstdisziplin und Selbstmaximierung, das er in sein Buch
eingewoben hat. Es steht im Schatten einer Mentalitätspolitik, die man
als neoliberal bezeichnen darf. Sie verlangt vom Einzelnen nichts
anderes als den Bruch mit all jenen Gewohnheiten, die seiner Tüchtigkeit
und seiner Brauchbarkeit im Wege stehen. Genau genommen unternimmt
Charles Duhigg eine Kritik der Gewohnheit nach Maßstäben, die der
Hygienefantasie entstammen.
Da machen wir lieber nicht mit. Wir machen es diesmal überhaupt ganz
anders. Wir erstellen am Neujahrsmorgen keine Liste der Gewohnheiten,
die unbedingt zu verabschieden sind. Wir machen eine Liste der
Gewohnheiten, die unbedingt zu erhalten sind. Im Übrigen ist es so, dass
Kinder, wenn sie ein Alter erreicht haben, in dem sie auf sich selbst,
auf ihre frühe Kindheit zurückschauen können, auf die Frage, was sie
damals glücklich machte, zuallererst von gemeinsamen Ritualen und festen
Gewohnheiten berichten. Wie schön es doch war, den Fußboden
aufzuräumen, bevor darauf ein Picknick stattfand.
TIPPS AUS 20 MIN:
Rauchen: Sofort aufhören
Ob wegen der Gesundheit, dem Geld oder weil man immer mehr zum
Aussenseiter wird: Wer dem Glimmstängel abschwören will, soll auf einen
Schlag aufhören, sagt Silvia Büchler von der Krebsliga. «Nur wenn jemand
schon sehr lange viel raucht, kann eine stufenweise Reduktion sinnvoll
sein.» Am meisten Erfolg haben Raucher, die ein Ersatzprodukt wie
Nikotin-Kaugummis mit einer Beratung kombinieren – etwa via
Gratis-Rauchstopptelefon, dessen Nummer auf jedem Päckli steht. Büchler:
«Andere Methoden wie Akupunktur oder Hypnose sind wissenschaftlich
nicht abgestützt.»
Gewicht: Mass halten
Mehr Früchte aber weniger Fett, Kalorien und Süsses: Wer nachhaltig
abnehmen will, braucht Disziplin – und Zeit. Laut der Schweizerischen
Gesellschaft für Ernährung SGE sollten pro Monat nicht mehr als 1 bis 3
Kilo purzeln. Sie rät, seine Ess- und Trinkgewohnheiten zu analysieren
und sich viel zu bewegen. «Es geht dabei aber nicht um Verzicht, sondern
um ausgewogene Ernährung und Genuss. Alles ist erlaubt, einfach in
Mass», sagt Christine Dudle-Crevoisier von der SGE.
Karriere: Netzwerk pflegen
Planen lässt sich eine Karriere nicht. «Wer eine Karriere oder einen
hohen Lohn als einziges Ziel betrachtet, wird es nie erreichen», sagt
Philippe Hertig, Schweiz-Chef des Headhunters Egon Zehnder. Um beruflich
aufzusteigen soll man einfach seinen Job machen – aber immer ein
bisschen besser, als es der Chef erwartet. Vornehmen kann man sich laut
Hertig trotzdem etwas: Sein Netzwerk gut zu pflegen. «Das ist zentral.
95 Prozent der Topjobs werden durch persönliche Netzwerke an einen
herangetragen.»
Beziehung: Nicht zu viel wollen
Wer den Vorsatz fasst, 2013 seine Beziehungsprobleme zu lösen, wird
vermutlich enttäuscht: «Dann schiessen sie erst recht üppig aus dem
Boden», weiss Paarberater Klaus Heer. Seine Erfahrung zeigt: Nach einem
Gespräch gehts beiden Partner gewöhnlich mieser als vorher, – «ganz
einfach, weil beide reden und niemand zuhört. Und weil sie dringend
etwas wollen, das nicht zu haben ist». Für jene, die sich in der Liebe
unbedingt etwas vornehmen wollen, gibt Heer einen scheinbar simplen Rat:
Den Partner einfach so gern haben, wie er ist. «Das bringt viel
Entspannung in die Beziehung.»