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Parteien, Politiker und Medien
von Marcus Knill
Exkurs zum roten Faden meiner Ausführungen:
Medialisierung - Mediokratie - Arenaisierung Die
Medien sind heute in der Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken.
Parteien, die das Gefühl haben, von den Medien ausgeklammert zu werden,
protestieren sofort.
Der Glaube an die Macht der Medien ist bei Politikern und Parteien fest verankert.
Kurt Felix: Früher wollte man in den Himmel heute in die Medien.
Ich zitiere auch noch Simone Meier:
"Je
mehr Bilder von einem Menschen erscheinen, desto grösser wird seine
Oberfläche, desto mehr Raum nimmt er ein, desto grösser ist seine
Bedeutung."
Das heisst: Heute machen nicht Kleider, sondern die Medien Leute.
Politiker mussten sich früher in der Partei hocharbeiten. Die neue Generation von Politikerinnen hat erkannt, dass man sich vor allem in den Medien einen Namen schaffen muss.
Ursula
Wyss, Evi Allemann, Chantal Gallaté oder Pascal Bruderer agierten alle
sofort mit einem Wahlkampfteam, das ihnen den Weg innerhalb der Partei
frei schaufelte und den Wahlkampf und die Medienarbeit organisierte.
die junge Generation kann sofort alles auf die Karten Politik und Medien setzen.
- Sie haben keine Familiären Verpflichtungen- kaum Kinder
- Sie arbeiten oft nur mit 50 Stellenprozenten
- Viele haben studiert oder studieren noch (Bastian Girot) oder sind Berufsspolitiker
- Einige arbeiten noch nebenbei in einem Verband
Was man vom neuen politischen Nachwuchs lernen kann:
Die junge Generation weiss, dass man nur über die Medien - dank der Mediatisierung der Politik - weiterkommen kann.
Die
Parteipresse können wir heute vergessen. Die Medienlandschaft hat sich
gewaltig verändert mit den Privatradios, dem Lokalfernsehen, dem
Internet den Videofilmchen.
Die Mittedreissiger nutzen alle Massenmedien konsequent und geschickt.
Sie haben gelernt kurz, einfach (mediengerecht) zu formulieren.
Arenaauftritte
sind für sie kein Problem. Es ist für sie selbstverständlich, dass die
Medien personalisieren und ereignisorientiert arbeiten.
Ein Tabubruch wird in Kauf genommen. Die Massenmedien sind für sie kein Feinbild mehr. Anderseits
ist sich der jungen Generation zu wenig bewusst, dass Facebook,
Homestorys zum Bumerang werden können. Da agieren junge Politikerinnen
oft zu fahrlässig. Sie lassen sich auch als "Kleiderständer" ablichten
(Modeschau der Nationalrätinnen).
Müssen Politiker unbedingt Arena-tauglich sein?
Unter Arena-tauglich verstehe ich, dass
man fähig sein muss, komplexe Zusammenhänge verständlich, kurz und
einfach darzulegen. Dass ein Politiker einen Gedanken frei- ohne
abzulesen - vortragen kann.
So
gesehen ist Arena-tauglichkeit ein Muss, sogar im politischen Alltag,
an Meetings, am Telefon, bei der Behörde- oder Parteitätigkeit ist es
hilfreich, wenn das Gegenüber Gedanken auf den Punkt bringen kann.
Die Schlacht um Medienpräsenz
Es ist verständlich, wenn Parteien alles tun, nur um zu einer Medienpräsenz zu kommen.
An konkreten Beispielen mangelt es nicht.
Es wird bewusst provoziert (Blocher)
Als Politikerin tritt man in den Medien als Sängerin auf.
Bei grosser Medienpräsenz können Politiker vom Virus Mediengeilheit infisziert werden (Calmy-Rey).
Medien sind eine Macht.
Medien sind anderseits immer auch ein Chance.
Es gilt die gesunde Balance zu finden zwischen zu viel und zu wenig Medienpräsenz! Der angemessen Umgang mit den Medien ist anzustreben.
Die Grenzen der Vereinfachung
Ich unterscheide zwischen Vereinfachen und simplifizieren.
Vereinfachungen dürfen Sachverhalte nicht verfälschen.
Wir müssen stets die Frage stellen: "Ist es noch richtig oder schon falsch?"
Politiker, Parteien und das Kreuz mit der Botschaft oder dem Leitbild
Warum kennen viele Parteien die magische Zahl 1 bei der Kernbotschaft nicht?
Beispiele: SP, FDP, SVP
Wenn
wir eine Botschaft auf den Punkt bringen wollen, gibt es ein bewährtes
Prinzip: Das Prinzip der Veranschaulichung EINER Aussage.
- Sommaruga und ihre Kernbotschaft
Medien wollen Geschichten und Bilder
aber leider auch das Aussergewöhnliche, das Negative, Emotionen, Personen (gewisse Medien: Blut, Sperma, Tränen).
Zur Kraft des Bildes
Parteien und Politiker müssten eigentlich EinBILDER werden. Wer undeutliche, vage, unklare, allgemeine Bilder vermittelt, muss sich nicht wundern, wenn er missverstanden wird.
Bsp.: Neujahrskarte Calmy-Rey.
Auch das Image (Ruf) einer Partei oder einer Politikerin hängt mit dem Wort BILD zusammen.
--> Geschichte Papagei:
Jemand wollte ein einer Zoohandlung einen Papagei kaufen.
"Dieser schöne bunte Vogel kostet 300.-- Fr.", sagte die Verkäuferin.
"Und der kleinere dort?"
"Der kostet 600.--!"
"Weshalb ist er so viel teurer?", wollte der Käufer wissen.
"Er kann schon Worte nachsprechen."
"Was kostet dann der farblose, Papagei dort hinten, dem einige Federn fehlen?"
"Der kostet 5000.-- Fr!"
"Weshalb?"
"Alle sagen ihm CHEF."
FAZIT: Der Ruf (die Marke) ist auch bei Politikern ausschlaggebend.
Worte, die keine Bilder auslösen, bewirken nichts!
Bei jedem Medienauftritt haben wir die Chance, unser Leitbild zu "verkaufen".
Werkzeuge im Umgang mit Medien, die wir kennen aber auch verinnerlichen müssen.
Der Umgang mit Medien gilt es jedoch zu lernen, wie das Lesen und Schreiben
Erkenntnisse aus der Praxis:
- Die Arbeit im Simulator
- Parteien und Politiker, die glauben, medientaugliches Verhalten sei eine Begabung, wissen nicht, dass....
- Auch der Pilot kann fliegen und geht dennoch in den Simulator
Stichworte:
EINSTELLUNG
HOFNARR
PHAENOMEN STIMME
DER START IST DIE HALBE MIETE
Aus den ABC der Medienrhetorik:
AAA
BBB
TTT / TTT
MMMM
Parteivorstände,
angehende und bewährte Politiker können im Alltag die Wahrnehmung auch
beobachtend schulen und von den Fehlern der Konkurrenten lernen.
Dazu benötigen wir jedoch unsere Sinne.
FAZIT:
Welches Lernbild nehmen Sie mit fürs 2011 mit?
Viel Erfolg!
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FRAGEN???????????????????
Nachtrag zur Vertiefung:
Der folgende Text beschäftigt sich mit der Rolle
der Medien im Zusammenwirken mit den Parteien. Oft werden die Medien
als "vierte Gewalt" im Staat (neben Exekutive, Legislative und
Judikative), moderne Demokratien als "Mediendemokratien" bezeichnet.
Was steckt hinter diesen Schlagworten? Welche Macht haben Medien tatsächlich?
Wie lassen sich ihre Funktionen im Zusammenspiel mit den anderen Teilen des
intermediären Systems, insbesondere natürlich mit den Parteien, beschreiben?
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Politik in
modernen Staaten und Massengesellschaften ist ohne die Massenmedien
nicht mehr möglich. Anders als im antiken Athen können sich die Bürger
nicht mehr auf der agora versammeln, um die anstehenden
Entscheidungen zu diskutieren.Politik wird massenmedial vermittelt.
Was wir über die Politik unseres Landes wissen, haben wir im
wesentlichen durch Fernsehen, Radio und Zeitung erfahren. Insofern kommt
den Medien im intermediären System eine zentrale Rolle zu.
Verbände und Parteien betreiben Öffentlichkeitsarbeit,
das heißt, sie versuchen gezielt, die Medien zu nutzen. Hier zeigt sich
einmal mehr, wie eng verflochten und aufeinander angewiesen die Teile
des intermediären Systems sind. |
Die Fabel von der Magd und von der Vierten Gewalt
Es war einmal ein demokratisches Land mit zwei großen Parteien, die
beherrschten das Volk über das Parlament. Das Parlament nannten alle die Erste
Gewalt. Die Weisen der Parteien legten ihre Weltanschauung in schönen
Programmen als Botschaften an das Volk nieder. Und wenn die Zeit gekommen war,
dann wählte das Volk das beste Programm aus; und diese Partei hatte die Macht
für vier Jahre und regierte so, wie sie es versprochen hatte. Die Regierung
hieß die Zweite Gewalt, und damit alles seine Richtigkeit hatte, gab es noch
die Rechtsprechung als Dritte Gewalt, die aufpasste, dass niemand einen anderen
betrog.
Damit die Bürger in den Städten und Provinzen die Regierungstaten erfahren
und die Gegenvorschläge der Opposition im Parlament abwägen konnten, gab es
die Presse. Dieses Medium diente den Politikern zur Übermittlung ihrer
Nachrichten und Botschaften. Die dienenden Medien waren also eine Art
Dienstmädchen, auch Magd der Politik genannt. Sicher, sie tuschelten auch mal
gerne ein bisschen in der Küche oder in der Kneipe nach der Kirche über ihre
Herrschaft — man nannte das Kommentar. Aber jeder wusste doch immer genau, was
Dienst war, nämlich die Nachricht, und was Schnaps war, nämlich die Meinung.
Kurzum: Die Medien verstanden sich als die Chronisten und die Herolde, als die
demokratischen Wächter und manchmal als die (durchaus angesehenen) Hofnarren in
unserem Reich. So nannten sie sich selbst auch stolz die Vierte Gewalt, obwohl
das in der Verfassungsurkunde gar nicht so aufgeschrieben stand.
Soweit die schöne Fabel aus der goldenen Zeit der Demokratie, als alles noch
so einfach war. Die Regierung regierte, die Opposition war dagegen, die Gerichte
tarierten alles aus, und die Presse berichtete »all the news that fit to
print« (So lautet das berühmte Motto, das täglich auf der ersten Seite der
New York Times steht), damit das Publikum wusste, was Sache war.
Die
Wirklichkeit heute? Nein, schon falsch: die Debatte über die Wirklichkeit
heute? Parteien in der Krise, Regierungen instrumentalisieren die Medien. Die
Medien vermischen Meinung, Meldung und Unterhaltung; sie interessieren sich nur
für ihre Renditen und für ihre Einschaltquoten. Es gibt
Scheckbuchjournalismus, Politiker haben sogar schon von Schweinejournalismus
gesprochen. Die Medien berichten nur noch über Personen, Spektakel und
Skandale, über das, was man symbolische Politik nennt, nicht aber über die
wirkliche Welt. Sie unterhalten sogar noch einige Nachrichtenredaktionen, aber
diese müssen Infotainment bringen. Die Gerichte laufen dem allen hilflos
hinterher oder fällen auch noch erratische Urteile. Das Publikum wird
manipuliert und über den Löffel balbiert, von allen gemeinsam. Die Zeit ist
nicht mehr weit, wo nicht nur »Mr. Chance« wie in dem bekannten Film glaubt,
mit einem Zappen der TV-Fernbedienung unangenehme Situationen der wirklichen
Welt einfach »wegmachen« zu können.
Was ist die Moral von der Geschichte? Traue den alten Fabeln nicht! Weder dem
Märchen von der Presse als der dienenden Magd noch als der mächtigen Vierten
Gewalt als lautstarkem Sprachrohr des Bürgers. Beides hat es so idealtypisch
nie gegeben (...). Es war immer schon alles viel komplizierter. Misstrauisch
sollte man auch sein bei manchen neuen wissenschaftlichen Mythen von der
zukünftigen Multimedien-Macht und der fraktalen Politik im Cyberspace von CNN
und Berlusconi. Ein Blick in die Mediengeschichte zeigt, dass ein Bismarck sich
kaum weniger virtuos in der Medienmanipulation verhielt, und dass ein
Machiavelli im Prinzip ebenfalls schon alles wusste (und im »Principe«
aufgeschrieben hat).
(...) Symbolische Politik ist absolut nichts Neues (...). Ich möchte das
Augenmerk auf die vielen wichtigen kleinen konkreten Veränderungen lenken.
Wirkliche Revolutionen sind nämlich seltener, als ihre Protagonisten glauben.
Was spielt sich zwischen Parteien, Medien und dem Publikum wirklich ab?
[aus: Ulrich von Alemann, Parteien und Medien,
in: O. Gabriel u.a. (Hg.), Parteiendemokratie in Deutschland, Bonn BpB 1997] |
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