Montag, 30. Juni 2008

Mobbing: Internet ermöglicht es, Leute an den Pranger zu stellen

Quelle 20 Min-online:

«Internet öffnet Mobbing und Diffamierung Tür und Tor»

Im Internet werden laut Hanspeter Thür die Persönlichkeitsrechte oft systematisch verletzt. Der Datenschützer fordert deshalb ein strengeres Vorgehen.

Hanspeter Thür, Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter, rechts, spricht an der Seite seines Stellvertreters Jean-Philippe Walter an einer Medienkonferenz in Bern, umzingelt von Kameras. (Bild: Keystone)

Internetseiten, die anonyme Bewertungen von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen wie Ärzte, Anwälte oder Professoren ermöglichten, öffneten der Diffamierung Tür und Tor. Zur Bekämpfung des «Internetmobbings» müsse der Ehrverletzungstatbestand schärfer gefasst werden.

Bei der Präsentation seines Jahresberichtes sagte Thür am Montag in Bern, dass die technischen Möglichkeiten die Hemmschwelle zur unbefugten Beschaffung von Daten deutlich herabgesetzt hätten. Früher habe man in die Privaträume eindringen und sich strafbar machen müssen, heute werde das «viel eleganter» gemacht.

Notbremse gezogen

Als Folge der Terrorbekämpfung häuften sich ausserdem legale und illegale Bespitzelungsaktivitäten, sagte Thür. Unter Berufung auf die Staatsräson würden rechtsstaatliche Prinzipien ausgehebelt. Auch der Bundesrat wolle die Kompetenzen für den Lauschangriff der Geheimdienstler massiv ausbauen.

Zum Glück habe die Rechtskommission des Nationalrates die Notbremse gezogen, indem sie das Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) an den Bundesrat zurückweise: «Wir wollen nicht mit Sicherheit untergehen,», sagte Thür. Die Tätigkeiten der Staatsschutzorgane müssten «sehr eng» begleitet werden.

Kommentar: Das Internet bietet tatsächlich eine Plattform, um unliebsame Mitbürger an den Pranger stellen. Schlimm ist es, wenn jedermann Aerzte beurteilen kann - anonym - und problemlos rufschädigende Aussagen machen kann, die nicht belegt sind. Alles unter dem Aspekt. Aerztebeurteilung. Das Internet darf nicht als Plattform für Racheaktionen und mobbingähnlichen Machenschaften missbraucht werden können. Hier gibt es Nachholbedarf. Ich habe schon früher darauf hingewiesen, dass die Methode, sich bei Lehrkräften im Internet zu rächen, erst genommen werden muss. In diesem Bereich müssen wir hellhöriger werden.

Angie und der König Fussball --

Nach dem EM-Finale: Große Koalition und Kanzlerin zurück zum Alltag

(Foto Bild.de)

Schlussspiele (Europa- oder Weltmeisterschaftsschlussrunden) haben für Staatschefs und Politiker eine der höchsten Prioritäten. Die Präsenz zeigen ist ein MUSS! Nie können Sie sich sonst mit so wenig Aufwand einem Millionenpublikum zeigen. Ich zweifle jedoch daran, dass die Begeisterung der Politiker für den Sport die eigentliche Triebfeder zu diesen zelebrierten Huldigungen ist.

Im Schlussspiel war Bundespräsident Couchepin und Bundeskanzlerin Merkel immer wieder zu sehen. Das ist gratis Marketing.

Ich zitiere blick-online:

Bewunderung für Michael Ballack.

(Reuters)

«Flying Angie», nannte sie SF-Kommentator Beni Thurnheer, als Angela Merkel im Fussball-Krimi gegen die Türken einmal mehr aufsprang. Leidenschaftlich war die Kanzlerin bei jedem Spiel dabei, fieberte mit, klatschte, jubelte, lästerte bei Schiedsrichterentscheiden und fachsimpelte mit den Experten aus der Fussballwelt.

«Angie», der Fussball-Coach der Nation

Als Jogi Löw im Spiel gegen Österreich auf die Tribüne verbannt wurde, war sie die Erste, die sich bei ihm nach den Gründen dafür erkundigte. Als die Deutschen die Türken aus dem Rennen schickten, war «Angie» ebenso nicht zu halten und sprang hoch. Und als die deutsche Elf sich gestern gegen die Spanier geschlagen geben musste, fand die Kanzlerin für jeden Spieler tröstende Worte. Und besonders Captain Michael Ballack wurde von Frau Merkel geherzt und gelobt.

Da könnte man doch meinen, dass Angela Merkel sich ganz mächtig in die Herzen der Deutschen gefant hat.

Doch nur 45 Prozent der Deutschen glauben laut «Bild am Sonntag», dass die CDU-Chefin Ballverständnis hat.

Ende Zitat

Kommentar: Auch wir glauben nicht, dass es in erster Linie der Fussballsport ist, der die Bundeskanzlerin auf die Tribüne treibt. Ich habe Verständnis für all jene, die sagen: Eine Politikerin muss sich bei solchen Gelegenheit unbedingt zeigen. Denn sie darf die Chance nicht verpassen - bei Millionen von Stimmberechtigten - in erste Linie für sich zu werben. Wahrscheinlich würde die Kanzlerin selbst wichtige politische Termine zugunsten dieses Auftrittes im Stadion platzen lassen.

Sonntag, 29. Juni 2008

Bunderat Schmid und die Missen -

Bundesrat Schmid ist nicht nur Verteidigungsminister. Er ist auch für den Sport verantwortlich. Somit ist es legal, wenn er sich um die Tour de Suisse kümmert. Sauer aufgestossen ist lediglich, dass sich der oberste Chef der Armee am Tag der Beerdigung nicht bei den Angehörigen der verunglückten Wehrmännern zeigt, sondern sich bei der Tour de Suisse mit zwei hübschen Missen ablichten lässt. Dieses Verhalten wird von einem Ethik - Professor als "geschmacklos" bezeichnet.

Gut gelaunt Schmid posiert strahlend für den Fotografen. (Patric Spahni)

Ich zitiere Sonntagsblick:

Links und rechts eingerahmt von zwei Schönheiten, der schwarzhaarigen Bianca Sissing (29) und der blonden Christa Rigozzi (25) strahlt Samuel Schmid (61) wie ein Maikäfer in die Kamera. In Gesellschaft von Ex-Missen fühlt sich der Verteidigungsminister offenbar pudelwohl. Dieses harmlose Bild kommt aber sehr schlecht an.

Denn aufgenommen wurde es am Freitag, dem 20. Juni. Das war der Tag, an dem die ganze Schweiz trauerte, an dem sie für immer ­Abschied nahm von vier Soldaten ihrer Armee.

Emmen LU Abschied von Marc Waldispühl.

Am Morgen, um 9.15 Uhr, wird Oberwachtmeister Marc Waldispühl (†27) in Emmen LU zu Grabe getragen; um 14 Uhr dann Oberleutnant Patrick Wieland (†27), in Bättwil SO, Fourier Christian Mühlebach (†25) in Greifensee ZH und Wachtmeister Roby Ovcar (†33) in Buchs ZH. Sie haben beim Bootsdrama auf der Kander ihr Leben verloren – im Dienst ihres Landes.

Verteidigungsminister Schmid ist oberster Verantwortlicher der Armee. Er hielt es nicht für nötig, an den Trauerfeiern teilzunehmen. Doch am selben Tag eilte er an die Tour de ­Suisse nach Lyss BE – in ziemlich spontaner Mission. «Er meldete sein Kommen erst am Vortag an», so der Medienchef des Sportanlasses, Kurt Henauer, zu SonntagsBlick. Das war am Tag vor den bewegenden Abdankungszeremonien. Schmid wollte bei der Ankunft der Radrennfahrer in seiner Heimat unbedingt dabei sein – zumal dank des Berners Fabian Cancellara (27) schon da ein Schweizer Sieg absehbar war.

Unter dem Applaus Tausender ­Zuschauer gratuliert Schmid gegen 18.30 Uhr dem Sieger. Dann geht er von der Bühne. Dort trifft er auf Fotograf Patric Spani, der für den Tour-de-­Suisse-Hauptsponsor Würth fotografiert. Ob der Herr Bundesrat kurz mit den beiden Missen posieren könne? Kein Problem – und das Bild mit dem strahlenden Schmid ist im Kasten. Die «Weltwoche» druckte es.

Mangelndes Feingefühl?

Aber: Hat Schmid denn gar kein Mitgefühl? Ist er sich nicht bewusst, dass kein halbwegs professionell beratener Chef an einem Volksfest auftritt, oder gar herumschäkert, wenn am selben Tag mehrere seiner Mitarbeiter beerdigt werden?

«Geschmacklos», findet der Ethik-Professor an der Uni Lausanne, ­Alberto Bondolfi dieses Verhalten.

Auch Politiker reden inzwischen Klartext, quer durch alle Parteien: «Samuel Schmids Auftritt an der Tour de Suisse zeugt von fehlender Sensibilität gegenüber den Opfer­familien und von falscher politischer Prioritätensetzung», sagt SP-Präsident Christian Levrat (37).

Die Zürcher FDP-Nationalrätin und Kommunikationsexpertin Doris Fiala (51): «Ich kenne die Hintergründe nicht, bin aber der Meinung, dass Samuel Schmid die Prio­ritäten bei einem so schweren ­Unglück bei den Trauernden hätte setzen müssen.» Der katastrophen­erprobte Urner Ex-FDP-Präsident Franz Steinegger (65) pflichtet seiner Parteikollegin bei: «Die Frage kann man sich stellen, ob das ein geglückter Auftritt war. Aber man muss berücksichtigen, dass Schmid nicht nur Anforderungen als Verteidigungs-, sondern auch als Sportminister zu erfüllen hat.»

Nicht einmal seine Bundesratskollegen verstehen Schmids Auftritt und geben sich diplomatisch: «Ich möchte zu dem Thema nichts sagen», so Hans-Rudolf Merz (65) gestern am FDP-Parteitag zu SonntagsBlick. Ebenso Moritz Leuenberger (62), der gestern in Davos GR weilte. Auch für CVP-Präsident Christophe Darbellay (37) und den Zürcher Ständerat Felix Gutzwiller (60, FDP) ist das Thema zu gefühlsbeladen für einen Kommentar.

Am Rande einer Medienkonferenz konfrontierte SonntagsBlick Samuel Schmid mit der zunehmenden Kritik.

Er sei von den Missen «überrumpelt» worden: «Ich hatte gerade zu meinen Truppen gesprochen und drehte mich um, und dann standen da diese beiden Damen. So war das.»

Schmid glaubt nicht, dass es sensibler gewesen wäre, an einer Trauerfeier teilzunehmen als an der Tour de Suisse: «Als Bundesrat habe ich eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen, und an einem Velorennen dem Sieger zu gratulieren gehört manchmal auch dazu.» Und: «Sie wissen, es waren vier Beerdigungen am gleichen Tag, und wenn Sie mir eine Lösung haben, wie ich überall hätte präsent sein sollen, dann sagen Sie es mir.» Er habe deshalb einzig an der zentralen Feier vom Dienstag in Thun BE teilgenommen und ­seine Generäle an die einzelnen Abdankungsfeiern delegiert.

Angehörige der toten Soldaten wollten sich nicht äussern. Im Gegensatz zu Dorothee Buchs (49), die vergangenen Sommer ihren Sohn Bojan (†22) beim Rekruten­drama an der Jungfrau verloren hat: «Schmid ist ein Showman. Ich glaube nicht, dass seine Gefühle echt waren, als er in Andermatt von unserem Sohn und den anderen fünf Rekruten Abschied nahm. ­Seither haben wir nichts mehr von ihm gehört.» 

Kommentar: Selbstverständlich kann ein Bundesrat nicht an alle Beerdigungen gehen. Es stimmt: Bundesrat Schmid nahm an der zentralen Feier in Thun teil. Doch ist seine Selbstschutzbehauptung (er sei überrascht worden) dürftig und billig. Wenn er sagt:

Ich bin von den Missen «überrumpelt» worden: «Ich hatte gerade zu meinen Truppen gesprochen und drehte mich um, und dann standen da diese beiden Damen. So war das.»

Mit dieser plumpen Ausrede sich der Chef VBS unglaubwürdig.

Ein Politiker muss mit Ueberraschungen umgehen können. Das Bild belegt, dass Samuel Schmid nicht durch einem Schnappschuss fotografiert worden ist. Er ist sicher nicht überrascht worden. Die Aufnahme ist vorbereitet worden. Alle drei Personen posieren bewusst vor der Kamera. Die Selbstschutzbehauptung mit dem Umdrehen erinnert mich an die plumpe Ausrede Calmy-Reys als sie in Iran mit dem fragwürdigen Machthaber lachend abgelichtet worden war (Die Aufnahme kam in der Weltpresse und es folgte ein enormer Medienwirbel). Die Aussenministerin behauptete ebenfalls im Nachhinein, man hätte ihr gerufen, sie hätte sich dann umgedreht und über die sonderbare Situation gelacht. So sei jene fragwürdige Aufnahme unfreiwillig entstanden.

Solche offensichtlichen billigen Begründungen sind kontraproduktiv. Sie sind unglaubwürdig. Selbst Laien durchschauen solch faule Ausreden. Dies schadet letztlich nur dem Image der Institution.

Bundesrat Schmid - der zu Zeit ohnehin im Fokus der Kritik steht, hätte in diesem Fall besser geschwiegen.

Schon letzte Woche gab es zu denken, als er bestritt, die Armee befinde sich bei der aktuellen Geschichte nicht ein einer Krise. Das mag zwar zutreffen. Denn nicht die ganze Armee befindet sich in einer Krise. Dennoch hat das Schlauchbootunglück die Armee - wie vor einem Jahr beim Jungfraudrama - die Armee und die Führungsspitze in eine Krisensituation gebracht. Die Institution musste beweisen, dass niemand in Krisenkommunikationen den Kopf verlieren darf. Für mich tönte die Aussage Schmids so, als sei die Armee bei diesem Unglück auch nicht mit einer Krisensituation konfrontiert worden. Mich hat bei meinen Analysen vor allem interessiert, wie das VBS die jüngste Krisensituation kommunikationsmässig managt. Ich wies in den Beiträgen (rhetorik.ch) auf die schlimmsten Fehler hin, die unter Druck entstehen - damit Leser daraus lernen können. Uebrigens hat die Armee erfreulicherweise von den gravierendstenen Kommunikationspannen nach dem Jungfrauunglück bereits Einiges gelernt und diese Lernpunkte merkbar umgesetzt.

Wir können immer aus Fehlern lernen! Auch jetzt wieder.

Samstag, 28. Juni 2008

Das Botschaftenmanagement der SP

Ich fragte mich: Hat die SP aus den alten Fehlern gelernt und sich auf eine Kernbotschaft fokussiert? Im Herbst fixierte sich die SP vor allem auf Blocher als Feindbild und die sozialen Anliegen blieben im Hintergrund. Dann verzettelte sich die Partei - wie die FDP- auf zu viele Themen. Hinsichtlich Jugendgewalt war sich die Partei uneinig.

Blick online titelte heute:

SP ist Feuer und Flamme fürs Kiffen!

Ich zitiere:

Cédric Wermuth, Präsident der JuSo, zieht siene Linie durch. (Reuters)

Die Delegierten der SP sprachen sich heute an ihrer Versammlung in Freiburg für eine starke Volksschule aus. Der freien Schulwahl erteilten sie eine deutliche Absage.

Chancengleichheit in der Volksschule für alle Kinder

schreibt die SP in ihr Thesenpapier. Gefordert werden mehr Tagesschulen, professionelle und demokratisch legitimierte Schulleitungen sowie mehr Krippenplätze.

Allerdings hat die Partei noch kein Rezept, wie Krippenplätze gefördert werden können. Das von der Geschäftsleitung vorgeschlagene Modell mit Betreuungsgutschriften für alle Kinder wurde auf Antrag der Genfer und Waadtländer Sektionen als «unsozial» zurückgewiesen.

Keine freie Schulwahl

Für Diskussionen sorgte ein Antrag der Zürcher Nationalrätin Chantal Galladé. Sie forderte die freie Schulwahl für alle, nicht nur für die Kinder reicher Eltern, die sich Privatschulen leisten könnten.

Das wäre das Ende der sozialen und kulturellen Durchmischung, sagte Maria Roth-Bernasconi von den SP-Frauen. Der Antrag war chancenlos und wurde nach heftiger Diskussion mit 163 zu 6 Stimmen abgelehnt.

Parteipräsident Christian Levrat zeigte sich in seiner ersten Rede vor den Delegierten erfreut über die jüngsten Erfolge der SP an der Urne.

«Wir müssen die Einbürgerungsverfahren vereinfachen und Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation das Bürgerrecht auf Anfrage und ohne weitere Formalitäten gewähren», sagte Levrat.

Die SVP habe am 1. Juni die Quittung für ihre gehässige Politik erhalten. Sie erachte es zudem nicht als notwendig, die wirtschaftliche Lage zu diskutieren und sei mit ihrem Nabel beschäftigt. Die SP hingegen melde sich wieder zurück.

Ja zur Hanf-Initiative

Auf unkonventionelle Art warb Juso-Präsident Cédric Wermuth anschliessend für die Zustimmung zur Hanf-Initiative. Er zündete sich am Rendnerpult einen Joint an. Die Delegierten beschlossen darauf mit wenigen Gegenstimmen die Ja-Parole für die Abstimmung vom 30. November.

Auch hinter die Revision des Betäubungmittelgesetzes – sie kommt zur Abstimmung, falls das Referendum dagegen zustande kommt – stellten sich die SP-Delegierten einstimmig. Die FDP-Initiative zur Beschränkung des Verbandsbeschwerderechts lehnten sie dagegen einstimmig ab.

Die SP-Delegierten beschlossen zudem, die Volksinitiative der GSoA gegen neue Kampfflugzeuge zu unterstützen.

Auch die VCS-Volksinitiative für den öffentlichen Verkehr erhält von den Sozialdemokraten Rückhalt.

In einer Resolution sprachen sich die SP-Delegierten zudem für Parallelimporte aus. Solche führten zu tieferen Preisen, wurde argumentiert.

Kommentar:

Parteien, die eindeutig politisieren und nicht lavieren haben mehr Zulauf. So gesehen, bekennt die heutige SP immerhin eindeutiger Farbe.

Doch ist das Kernthema nicht ersichtlich. Es hat eine zu grosse Wunschliste. Ich zweifle daran, dass die Partei mit ihrem Engagement für das Kiffen und dem Vorstoss für vereinfachte Einbürgerungen beim Stimmbürger ankommt. Zusätzliche Forderungen verbunden mit dem Kampf gegen Steuererhöhungen geben kaum Aufwind.

Nachtrag

Erstaunlich: Neue Töne von der SP

Di ePartei scheint gemerkt zu haben, dass sie der SVP das Thema "Innere Sicherheit" nicht allein überlassen darf und hat nun die Botschaften angepasst:

Ich zitiere:

Lange genug habe die SVP die Ängste der Bevölkerung politisch ausgebeutet, ohne konkret etwas für mehr Sicherheit zu tun, sagte SP-Präsident Christian Levrat. Laut der Berner Nationalrätin Evi Allemann will sich SP für eine Sicherheit einsetzen, "von der nicht nur jene profitieren können, die es sich leisten können".

Das von einer Fachkommission unter Allemann erarbeitete und von der Parteileitung gutgeheissene Grundsatzpapier wird am Parteitag vom 25./26. Oktober in Aarau den Delegierten vorgelegt. Weil es mit seinen 53 Massnahmen in 13 Handlungsfeldern an einige linke Tabus rührt, rechnet Levrat auch mit Widerspruch.

Unter anderem fordert die SP mehr sichtbare Polizeipräsenz und die Aufstockung der kantonalen Polizeikorps um 1500 Stellen sowie mehr Bahnpolizei und Zugbegleiter. An neuralgischen Punkten sei auch eine Videoüberwachung möglich. Im Kampf gegen die Jugendkriminalität soll eine spezielle Jugendpolizei geschaffen werden.

Allgemein verlangt die SP ein härteres Vorgehen gegen gewaltbereite Personen und die rasche und konsequente Anwendung des geltenden Rechts. Dies gilt auch für kriminelle Ausländer und insbesondere für Kriminaltouristen.

Organisiertes Betteln will die SP verbieten, ebenso übrige Bettelei von "stark störenden Ausmass". Zu ihrem Sicherheitspaket gehören unter anderem auch der Schutz vor häuslicher Gewalt, ein scharfes Waffenregime, das Verbot von Killerspielen, Massnahmen zur Kriminalitätsprävention, mehr Sauberkeit und die "Vision Zero" im Strassenverkehr.

"Mehr Sicherheit heisst mehr Lebensqualität"

, sagte Allemann. Eine Gesellschaft ohne Gewalt sei ein ureigenes Anliegen ihrer Partei. Zum umfassenden Sicherheitsverständnis der SP gehörten aber auch Chancengleichheit und soziale Sicherheit sowie die Verminderung von Unrecht und Armut im eigenen Land und in der übrigen Welt.

Dies sind ungewöhnliche Töne der SP. Doch zeigt dies, dass eine Partei die Wünsche der Bevölkerung ernst nehmen kann, wenn sie will. Tatsächlich ist SICHERHEIT ein Grundbedürfnis der Menschen. Und dieses Anliegen hatte die Partei jahrelang der SVP überlassen.

Nachtrag 3. Juli 08

Die Einigkeit im Botschaftenmangement scheint schon dahin.

Ich zitiere blick-online:

Aufstand der Jungen gegen SP-Repression

02.07.2008

Aufstand der Jungen gegen SP-Repression

Die linke Jugend muckt auf. Mit ihrem Sicherheitspapier überhole die SP rechts noch die SVP, schimpfen die Juso.

Frage: Ob die Partei nun wieder zurückkrebst?

Ein konkrete Fall gibt Jositsch recht:

Ich zitiere 20 Min - online:

SP-Nationalrat fordert Knast für Jugendliche

Ein 16-Jähriger ersticht einen Mann, ein 17-Jähriger erwürgt eine Prostituierte. Auf diese brutalen Taten hat das geltende Jugendstrafgesetz keine passende Antwort. Es ist nicht hart genug, meint auch SP-Nationalrat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch.

Daniel Jositsch: «Die öffentliche Sicherheit muss im Vordergrund stehen. Ziel muss sein, dass der Jugendliche nicht so leicht aus dem Vollzug raus kann.»

SP-Nationalrätin Chantal Galladé hat bereits im Oktober 2007 eine Anfrage eingereicht, in der sie eine Anhebung der Altersobergrenze für erzieherische und therapeutische Schutzmassnahmen auf 25 Jahre gefordert hatte. Der Bundesrat gab in seiner Antwort vom 20. Februar 2008 bekannt, dass er zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Veranlassung zu einer Anpassung des erst am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Jugendstrafgesetzes JStG sieht. Immerhin will der Bundesrat im Rahmen einer Evaluation des neuen Gesetzes diese Frage eingehend prüfen. Sollten dabei Mängel festgestellt werden, will er geeignete Massnahmen treffen.

Der jüngste Fall des 17-jährigen Prostituiertenmörders Tobi B. hat deutlich gemacht: Das geltende Jugendstrafgesetz weist gravierende Lücken auf – vor allem, wenn es um die wirklich harten Jungs geht. Obwohl klar war, dass Tobi B. ein gefährlicher Straftäter ist, wurde er gestützt auf die geltenden gesetzlichen Bestimmungen in ein Jugendheim verbracht, das bei weitem nicht die gleichen Sicherheitsstandards aufweist wie ein Gefängnis. Am vergangenen Freitag konnte er fliehen. Zwar wurde er kurze Zeit später von der Polizei wieder gefasst – im Gepäck trug Tobi M. aber bereits eine durchgeladene Pistole mit sich. Wer weiss, was er damit vorhatte?

Selbst Pascal Payllier, Chef der Abteilung Strafrecht im Kanton Aargau, muss im Gespräch mit 20 Minuten Online eingestehen: «Im Schweizer Jugendstrafrecht steht die Persönlichkeit und die Therapierbarkeit des Täters im Vordergrund. Das Gesetz misst dem Schutz der Öffentlichkeit eine sehr, sehr geringe Bedeutung bei. Nur so ist erklärbar, dass T.B. ins Jugendheim kam.»

Nur 10 Tage Arbeitseinsatz als Höchststrafe - auch für Mörder

Auch für SP-Nationalrat und Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch ist die Gesetzgebung ungenügend. «Die Strafen für Jugendliche stehen auf schwachen Füssen: Bei unter 15-Jährigen liegt die Maximalstrafe bei 10 Tagen Arbeitseinsatz – das würde auch für einen unter 15-jährigen Mörder gelten. 15- bis 16-Jährige müssen mit maximal einem Jahr, 16- bis 18-Jährige mit vier Jahren Freiheitsstrafe rechnen», erklärt Jositsch.

In der Dezembersession des Nationalrats will Jositsch deshalb eine parlamentarische Initiative einreichen. Er fordert darin die Einführung von Sicherungsmassnahmen für gewaltbereite und nicht kooperative Jugendliche bis zum 25. Altersjahr. «Gegenwärtig ist es so, dass jede richterlich erteilte Massnahme spätestens mit dem Erreichen des 22. Altersjahres des Delinquenten endet. Das ist zeitlich viel zu eng bemessen», so Jositsch.

Spurt der Jugendliche nicht, kommt er frei

Ein weiteres Problem sieht der Strafrechtsprofessor in der Umsetzung der vom Richter ausgesprochenen Massnahmen: «Die Defizite der Jugendlichen sollen in der Haft therapeutisch und erzieherisch behoben werden. Wenn aber ein Jugendlicher nicht spurt, dann werden die Massnahmen hinfällig und der Delinquent muss wieder freigelassen werden. Das ist paradox: Wer nicht kooperiert, wird entlassen – wer kooperiert, muss bleiben.»

Oft werden die renitenten Jugendlichen laut Jositsch auch von einer Anstalt in die nächste geschickt, damit sie nicht gleich auf freien Fuss gelangen. «Das ist nicht nur sehr teuer, sondern auch rechtstaatlich bedenklich, weil sie damit in einer Anstalt gehalten werden, wo sie eigentlich nicht hingehören. Zudem versperren sie so Plätze, die für andere Jugendliche benötigt würden.»

Die Schweiz hat keine Gefängnisse für Jugendliche

Idealerweise müssten die Strafen in einem für Jugendliche geeigneten, sicheren Gefängnis verbüsst werden. Doch in der Schweiz gibt es eine solche Einrichtung bisher nicht. Im Massnahmenzentrum Uitikon ist zwar der Bau 16 solcher Plätze projektiert. Noch sind aber nicht alle politischen Hürden genommen. Im Herbst wird der Zürcher Regierungsrat über den entsprechenden Vorstoss entscheiden, danach geht das Geschäft in den Kantonsrat.

Jositsch will mit seinem Vorstoss im Nationalrat die Umsetzung von griffigen Lösungen vorantreiben – insbesondere bei Jugendlichen, die ein schweres Verbrechen verübt haben. «Hier muss die öffentliche Sicherheit im Vordergrund stehen. Ziel muss sein, dass der Jugendliche nicht so leicht aus dem Vollzug raus kann. Nur in einer geschlossenen Jugendanstalt wäre das möglich.»

Kommentar: Einmal mehr sehen wir, dass die gegensätzlichen Interessen

- Schutz der Oeffentlichkeit vs. Chance geben, sich zu bewähren (offene Therapie) -

nicht so einfach unter einen Hut gebracht werden können.

Ob Jositsch die eigene Partei (auch die Juso) überzeugen kann?

Freitag, 27. Juni 2008

Es war doch keine Uebung zur Teambildung!

Wieder einmal versagte der Pressesprecher der Armee beim Schlauchbootunfall. Kurz nach dem Vorfall vermutete er, es habe sich um eine Teambildungsübung gehandelt. Die Armeespitze übernahm diese Vermutung. In der Krisenkommunikation gilt jedoch der Grundsatz: Keine Vermutungen!

Blick online weiss zu berichten:

Ich zitiere:

  • Für die Übung war kein Rettungsdienst organisiert!
  • Eine detaillierte Erkundung vor der Flussfahrt hat nicht stattgefunden!
  • Niemand verfügte über eine zivile Ausbildung für Riverrafting-Fahrten!
  • Irres Glück für Yves M.: Wie knapp, aber glücklich ausgerechnet Kompagniekommandant Yves M. mit dem Leben davonkam, der die Rambo-Übung befohlen hatte, zeigt der drastische Bericht der Militärjustiz ebenfalls: Demnach sass M. im hinteren Boot, fiel ins Wasser, als dieses kenterte. Gerade noch rechtzeitig zogen ihn die Leute im ersten Boot an Bord, dann kenterte auch dieses. Doch M. schaffte es irgendwie, ans rettende Ufer zu gelangen.

  • Die Vorbereitung der Übung war schlampig: Der Kompaniekommandant habe sich nach eigener Aussage im Internet über den Fluss informiert, sagte der militärische Untersuchungsrichter Michael Leutwyler. Wahrscheinlich habe er keine Flusskarten, Bücher oder ortskundige Personen konsultiert.

  • Die Fahrt wurde als «Kaderanlass» verstanden mit dem Zweck, «Erlebnisse zu schaffen», sagte Leutwyler.

  • War die Teilnahme freiwillig?

  • Noch unklar ist, ob die Übung für die Teilnehmenden freiwillig war. Das gilt auch für die Frage, ob vorgesetzte Stellen von der Übung gewusst haben oder hätten wissen müssen.

  • Der Unfallhergang konnte hingegen aufgrund der Einvernahmen geklärt werden, wie der militärische Untersuchungsrichter Michael Leutwyler sagte. So bestiegen die Armeeangehörigen die Kander an einer breiten und ruhigen Stelle bei Heustrich/Emdthal BE.

  • Das erste Boot überfuhr die erste Schwelle unfallfrei. Das nachfolgende Boot drohte bereits an dieser Stelle zu kentern. Alle fünf Besatzungsmitglieder fielen in den Fluss, einer ertrank in den Wassermassen, zwei konnten sich retten, einer wird noch vermisst. Den Kompagniekommandanten trieb es weiter flussabwärts.

  • Das vorausfahrende Boot blieb bei dem nächsten Niveauübergang quer zur Fliessrichtung stecken. Bei einem weiteren Niveauübergang blieb dieses Boot aber erneut stecken, und zwar quer zur Fliessrichtung. Die nun sechs Passagiere fielen ins Wasser. Drei von ihnen konnten sich retten, dreien gelang dies nicht.

  • Die Verunfallten trugen militärische Schwimmwesten, einen Tarnanzug, Kampfstiefel und den Ordonanzhelm. Weitere Ausrüstungsgegenstände wie Rucksäcke oder Waffen trugen sie nicht auf sich. (SDA)

  • Kommentar: Ich bleibe bei der These, dass die Teilnehmenden faktisch unter dem Druck standen mitzumachen. Kein Wehrmann hätte sich nämlich erlauben können, die "Mutprobe" oder den Event zu verweigern. Der Gruppendruck ist in so einer Situation enorm gross. Wer nicht mitmacht hätte, wäre von der Gruppe ausgestossen worden und nach gelungener Aktion als nicht teamfähiges Weichei abgestempelt worden! Das müssten doch die Heerführer einsehen.

    Einmal mehr bestätigt der jüngste Bericht. Wer in Krisensituationen Vermutungen als Tatsachen kolportiert, muss unter Umständen später zurückkrebsen und verliert dann an Glaubwürdigkeit.

    Mittwoch, 25. Juni 2008

    Armeechef Nef informiert offensiv

    Im gestrigen Club stellte sich Korpskommandant Keckeis der Oeffentlichkeit - mit seinem Auftritt kann er zufrieden sein.

    Ich zitiere Tagi-online:

    Armeechef Nef will keine «Rambos»

    Harsche Kritik am Militärunfall auf der Kander: Armeechef Roland Nef fragt sich, was eine Lufttransport-Kompanie mit Schlauchbooten auf einem Fluss zu suchen hat.

    Armeechef Roland Nef: «Ich will keine Rambos in der Armee».

    Keystone Armeechef Roland Nef: «Ich will keine Rambos in der Armee».

    In der Sendung «Der Club» im Schweizer Fernsehen hat Armeechef Roland Nef gestern abend bekräftigt, dass er künftig Übungen verbiete, die nicht zur Kernaufgabe einer Kompanie gehörten. Entscheidend dafür sei das Material: Bestelle eine Kompanie für eine Übung Material, das nicht üblich sei, müsse eine Risikoanalyse stattfinden.

    Ein Soldat dürfe zudem einen Befehl seines Vorgesetzten verweigern, wenn ihm eine Übung zu riskant erscheine, sagte Nef weiter. Es bestehe ein Recht auf körperliche Integrität. «Ich will keine Rambos in der Armee», so Nef.

    Dass in der Armee ein grösserer Gruppendruck bestehe, der solche Zivilcourage behindere, verneinte Nef. Zivilcourage beginne in der Familie. Die Armee aber sei ein Abbild der Gesellschaft.

    «Wildwuchs»

    Nicht Stellung beziehen wollte Nef zur ausserdienstlichen Vereinigung «Swiss Army Group», der die Verunglückten angehörten und die vom verantwortlichen Kompaniekommandanten geleitet wird. Er kenne diese Gruppe nicht, sagte er.

    Bei solchen ausserdienstlichen, paramilitärischen Vereinigungen handle es sich um private Vereine von Leuten, «die sagen: Jetzt machen wir ein bisschen Militär». Er habe aber keine Möglichkeiten, diese einzuschränken. «Dies ist ein Wildwuchs, der auch Ausdruck unserer Gesellschaft ist.»

    Kommentar: Medienrhetorisch kann zwar der Armeechef mit seinem Aufritt zufrieden sein. Er hatte proaktiv gehandelt und kommt bestimmt in der Oeffentlichkeit gut weg. Er punktete mit dem Befreiungsschlag "Entlassung Knuttis". Bei der Frage nach dem Gruppendruck hingegen überzeugte er mich immer noch nicht. Psychologe Steiner versuchte zwar dieses Thema immer wieder anzusprechen. Nefs Aussage: Ein Soldat dürfe zudem einen Befehl seines Vorgesetzten verweigern, wenn ihm eine Übung zu riskant erscheine, ist aus meiner Sicht eine Selbstschutzbehauptung. Sie kann nämlich in der Praxis nicht umgesetzt werden. Jede Person, welche Dienst geleistet hat, weiss genau, dass niemand eine Mutprobe verweigern würde. Wer will schon alle negativen Folgen auf sich nehmen? Der Verweigerer würde ausgegrenzt und als "nicht teamfähig" abgestempelt. Er müsste nach der erfolgreichen Aktion als Weichei nicht mehr für Spott sorgen. Nefs Argument war somit realitätsfremd. Schade!

    Nachtrag 4. Juli:

    Wie steht es nun tatsächlich mit der versprochenen Möglichkeit riskante Uebungen zu verweigern?

    Riskante Armeeübung

    48 Soldaten von Zecken gebissen

    Zwischenfall in der Armee nur wenige Wochen nach dem Kander-Drama: 48 Armeeangehörige sind im Kanton Zürich von Zecken angefallen worden. Brisant: Die Soldaten hatten sich geweigert, im Zecken-Hochrisikogebiet im Unterholz zu übernachten. Vergeblich.

    Kommentar überflüssig: Der Fall (aus 20 Min online) beantwortet die Frage.

    Fortsetzung 20 Min-online:

    Schon 70 Soldaten betroffen

    Armee unterschätzte Zecken-Gefahr

    >

    Ein Oberstleutnant rekognoszierte zusammen mit Experten das Waldstück, bevor er die Soldaten ins Gebüsch schickte. Trotzdem sind mittlerweile bereits bei 70 Soldaten Zeckenstiche entdeckt worden. Drei Armeeangehörige hatten sich geweigert, an der Übung mitzumachen – vergeblich.

    Nochmals: Wie ist das mit dem Versprechen, Wehrmänner könnten sich weigern, risikoreiche Befehle auszuführen? Die Praxis zeigt, dass dies leichter versprochen werden kann, als im Alltag umzsetzen.

    UEFA machte sich unbeliebt

    Die UEFA kam immer mehr in die Negativschlagzeilen. Stichworte: Werbeverbote, Medienzensur. Nun bringt dem grossen Goliath ein keiner David Aerger, der weh tut.

    Ich zitiere 20 min.online:

    Unbekannte führen «Krieg» gegen Uefa

    «Liebsch Fuessball, hassisch d’Euro 08»: Die Kleber-Kampagne der Uefa-Rebellen von Zürich sorgen nun sogar im Ausland für Schlagzeilen.

    Mit solchen Klebern wettert man gegen die Uefa.

    Das Image der Uefa ist im Keller und der Unmut über den rigoros eingeforderten Territorialanspruch für ihre Sponsoren scheint ebenso zu wachsen wie die Anzahl negativer Schlagzeilen.

    Haue gibts von allen Seiten – auch aus dem Untergrund: Auf der Strasse führt eine unbekannte Gruppierung einen regelrechten Guerilla-Krieg gegen die Uefa. ­Ihre Mittel sind Aufkleber, die sie an ­unzählige Briefkästen, Ampeln und Abfalleimer heften: «Liebsch Fuess­ball, hassisch d’Euro 08.» Der Schlag hat gesessen, denn mittlerweile sind sogar ausländische Medien auf den Knatsch aufmerksam geworden: Das Online-Portal des englischen Senders BBC bespielsweise berichtet über eine «klandestine Gruppe», welche die Zürcher Altstadt mit Anti-Uefa-Botschaften zukleistere. Titel der Story: «Ich hasse die Uefa.» Ebenfalls Bezug auf die «Euro-Rebellen» und ­deren Kleber-Kampagne nimmt die britische Zeitung «The Guardian» in einem Blog: Die Habgier der Organisatoren habe viele Bewohner der Gastgeberstadt verärgert, ist zu lesen.

    Kommentar: Obschon die UEFA auf Gelassenheit spielt und auf Anfrage schrieb: «Die ­Uefa wird auf solche Aktionen nicht reagieren.»

    Ich bin sicher: Intern gibt diese Aktion bei der UEFA Einiges zu reden. Die Stiche des kleinen Davids tun bestimmt weh.

    Dienstag, 24. Juni 2008

    Simonis-Klage: Eine lehrreiche Paparazzi Geschichte

    Die Persönlichkeitsrechte und die Rechte für Journalisten, Photos von Promis zu veröffentlichen - ein Dauerthema. Es geht um einen Interessenkonflikt.

    Spiegel-online publiziert heute eine aufschlussreiche Geschichte zu dieser Thematik:

    Ex-Ministerpräsidentin Simonis: Ohne Erfolg in Karlsruhe
    Zur Großansicht
    DDP

    Ex-Ministerpräsidentin Simonis: Ohne Erfolg in Karlsruhe

    PAPARAZZI-STREIT

    Simonis verliert gegen "Bild"

    Shoppen mit Heide ist okay - und sie dabei zu fotografieren, kann sogar von zeitgeschichtlicher Relevanz sein. Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis ist mit einer Klage gegen Fotos in der "Bild"-Zeitung gescheitert, die die Politikerin nach ihrer Abwahl beim Einkaufen zeigen. Manchmal kommt auch einer Shopping-Tour zeithistorische Bedeutung zu.

    An den unmittelbar nach Heide Simonis' Abwahl aufgenommenen Bildern, die sie beim Einkaufen zeigten, bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag.

    "Wir sind der Auffassung, dass sich ein Politiker in einer solchen Situation auch unter Berufung auf sein Persönlichkeitsrecht nicht ohne weiteres der Berichterstattung entziehen kann", sagte die Senatsvorsitzende Gerda Müller in Karlsruhe.

    Heide Simonis (SPD), Ex-Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, sah ihr Persönlichkeitsrecht verletzt, weil die "Bild"-Zeitung unter der Überschrift "Danach ging Heide erst mal shoppen" Fotos gedruckt hatte, die Simonis Stunden nach ihrer Niederlage am 27. April 2005 beim Shopping in Kiel zeigen.

    Auch am Tag darauf warteten Fotojournalisten vor ihrer Wohnung und folgten ihr mit dem Auto. Simonis brach daraufhin einen geplanten Privatbesuch auf halber Strecke ab und fuhr wieder nach Hause. Die zuvor entstandenen Fotos wurden bis heute nicht veröffentlicht. Simonis klagte aber auf Auskunft, was auf den Aufnahmen zu sehen sei und welche Fotos vom Tag nach ihrer Abwahl sich noch im "Bild"-Archiv befinden.

    Das Kammergericht Berlin sprach ihr im Juni 2006 diesen Anspruch auf Auskunft zu. Der BGH entschied dagegen in einem Grundsatzurteil, dass die Presse nicht verpflichtet ist, Prominenten unveröffentlichte Fotos zur Kenntnis vorzulegen, die ohne deren Einwilligung im Privatbereich entstehen. Auch die Klage auf Herausgabe der bisher unveröffentlichten Paparazzi-Fotos blieb damit erfolglos. BGH-Vizepräsidentin Müller machte deutlich, dass Politiker unter Umständen auch Privatfotos dulden müssen: "Hier geht es um einen Vorgang von historisch-politischer Bedeutung." Zwar müssten die Umstände berücksichtigt werden, unter denen die Aufnahmen zustande gekommen seien. Doch werde die Ex-Politikerin in einer unverfänglichen Situation gezeigt, die wohl nicht den Kernbereich der Privatsphäre betreffe.

    Simonis' Anwalt Joachim Kummer hatte seine Klage auf das Vorgehen der Fotografen gestützt, und vor Gericht ausgeführt, wie der Ex-Ministerpräsidentin nachgestellt worden sei. Simonis sei vom Landeshaus über das Einkaufszentrum bis zum Wohnhaus regelrecht "observiert" worden. Ihren Fahrer habe sie deshalb zu "ungewöhnlichen Fahr- und Wendemanövern" veranlasst. Schließlich hätten die Fotografen sie im Kieler Einkaufszentrum "Sophienhof" bedrängt, "ständig wetterleuchteten die Blitzlichter", weswegen Simonis sogar auf die Anprobe eines Hosenanzugs verzichtet habe. Das Verhalten der Fotografen sei "skandalös" und nicht durch die Kontrollfunktion der Medien gerechtfertigt. "Die Presse soll der Wachhund sein, sie soll nicht der Jagdhund sein." "Bild"-Anwalt Thomas von Plehwe unterstrich dagegen die historisch-politische Bedeutung der Aufnahmen. Er erinnerte daran, dass der 27. April 2005 als Schlusspunkt einer schweren Niederlage von Simonis zu betrachten sei, da nur wenige Wochen zuvor deren Wiederwahl im März spektakulär gescheitert war:

    "Wir haben es hier mit einem zeitgeschichtlichen Augenblick zu tun."

    Zudem habe sich Simonis zuvor mehrfach mit ihren privaten Konsumgewohnheiten - etwa dem Besuch von Flohmärkten oder dem Sammeln von Tassen - selbst in der Presse präsentiert.

    Simonis hat ein durchaus zerrüttetes Verhältnis zur "Bild". Im Juli 2006 zierte die Titelseite der "Bild" eine halbseitige Gegendarstellung der SPD-Frau. Darin widersprach der Anwalt der ehemaligen Ministerpräsidentin der "Bild"-Schlagzeile aus dem Mai: "Heide Simonis jetzt ins Dschungel-TV?"

    Der Hintergrund: Im Frühjahr des Jahres war Simonis mäßig erfolgreich durch die RTL-Sendung "Let's Dance" getanzt, woraufhin "Bild" sie als "Hoppel-Heide" verhöhnt hatte. Zu "Dschungel-Heide" wollte die Ex-Politikerin nicht auch noch werden: Das Blatt hatte eine Fotomontage gezeigt, in der Simonis' Gesicht mit Maden bedeckt war. Ein paar Seiten weiter fanden sich Montagen, die Heide Simonis im Bikini, mit Jauche beschmiert oder auf einem elektrischen Bullen reitend zeigten.

    Kommentar: Einmal mehr sehen wir bestätigt, dass man rechtzeitig die Grenze zwischen Privatheit und Oeffentlichkeit ziehen muss. Simonis war es, welche die Grenze verschob und bereits bei der RTL-Sendung "Let's Dance" öffentlich getanzt hatte, obschon sie nachträglich behaupten wollte, sie hätte nicht zugesagt.

    Ferner zeigt sich , dass man mit einer Klage alte Geschichten nur unnötigerweise aufwärmt. Deshalb muss man sich gut überlegen, ob wir eine Klage einreichen wollen, weil dies kontraproduktiv sein kann. Ohne Simonis jüngste Intervention würden nämlich ihre alten Geschichten in diesem Blog auch nicht noch zusätzlich im Netz "verewigt".

    1943 soll es in der Armee an der selben Stelle in der Kander schon einmal einen Schlauchbootunfall gegeben haben.

    Quelle Blick- online:

    Erinnerungen: Robert Rotzetter mit der «Schweizer Illustrierten»: Das Drama ­erinnert ihn an den Tod seines Bruders Josef. (Charly Rappo)

    «Als ich die Fotos in den Zeitungen sah, war mir sofort klar: Das Armeeunglück vom 12. Juni passierte an genau der gleichen Stelle, an der auch mein Bruder im August 1943 ertrank. Oberhalb der Brücke zwischen Spiezwiler und Wimmis.» Robert Rotzetter (71) aus dem freiburgischen Rechthalten ist noch heute tief aufgewühlt, wenn er sich an den Tag erinnert, an dem der Dorfpfarrer die Todesnachricht vom älteren Bruder Josef überbrachte, der damals 21 Jahre alt war. Die Mutter habe «määrterlich prüelet», qualvoll geheult, erinnert sich Rotzetter, der in der zitternden Hand ein Foto hält, das den toten Bruder aufgebahrt in der heimischen Stube zeigt. «Ich kann den Schmerz der Angehörigen nachvollziehen und auch ihre Enttäuschung über die Armee.» Dass man nach 65 Jahren immer noch nichts dazugelernt habe, dass immer wieder junge Männer wegen «Dummheit, Sturheit und Blödheit von Vorgesetzten» sterben müssen, will ihm einfach nicht in den Kopf. Tatsächlich gleichen sich die beiden Unfälle bis ins Detail. Auch im August 1943 führte die Kander viel Wasser, am Vorabend waren im Oberland schwere Gewitter niedergegangen. Trotzdem befahl der Zugführer der Unteroffiziersschule in der Grenadierkompanie 1 seinen Leuten, den tosenden Fluss zu überqueren, und zwar in Vollpackung. «Den Namen des Zugführers will ich nicht nennen. Es geht mir nicht um persönliche Abrechnung», sagt Rotzetter. Aber dass er die Militärkarriere ungehindert fortsetzen konnte und danach im Freiburgischen «eine schöne Stelle» bekam, ärgert ihn noch heute. Das völlig unzureichend gesicherte Boot, in dem sein Bruder Josef sass, kenterte. Drei Soldaten stürzten ins Wasser. Zwei konnten sich an einem Seil ans Ufer ziehen. «Auch Josef hielt sich noch am Seil fest, erzählten mir seine Kameraden später. Aber dann riss ihn der Fluss mit.» Auch Josef habe man lange nicht gefunden, erzählt Rotzetter weiter. Obwohl zwei Kompanien nach ihm suchten. Der Kommandant habe nach Einstellung der Suche aber persönlich weiter die Kandermündung mit einem Schleppanker abgefahren. «Irgendwann erfasste der Anker dann die Packung zwischen dem Geröll und Josef konnte geborgen werden.» «Warum nur hat der Zugführer die Übung trotz Hochwasser nicht verschoben? Warum waren die ­Soldaten nicht gut gesichert?» Die Fragen Robert Rotzetters sind die gleichen wie die der Hinterbliebenen von heute. Und vor allem die eine zentrale Frage: «Warum duldet die Armee immer wieder tödlichen Leichtsinn?»

    Starb in Uniform: Die Todesanzeige von Soldat Josef Rotzetter 1943. (Charly Rappo)

    Der Unterschied: Der Unfall aus dem Jahre 43 ereignete sich bei einer Uebersetzübung der Armee. Das Bootsunglück mit den fünf Toten ist jedoch durch eine unbedachte, "unbewilligte" Aktion eines übereifrigen Kommandaten zurückzuführen. 1943 ging es nicht um eine truppenfremde "Plauschfahrt", die nachträglich vom VBS als Teamförderungsübung kaschiert wurde.

    Wenn Kinder zu Tyrannen werden

    Ein lesenswertes Interview - Tagi online gelesen:

    Der Bonner Psychiater Michael Winterhoff warnt:

    Die Kinder werden zunehmend zu Partnern der Eltern und Lehrer gemacht – und das überfordert sie. Ein pädagogisches Debakel droht.

    Michael Winterhoff.
    Michael Winterhoff.

    Mit Michael Winterhoff sprach Alexandra Kedves

    Er ist die Supernanny auf Wissenschaftsniveau: Michael Winterhoff, Kinderpsychiater in Bonn, Tiefenpsychologe, zweifacher Vater – und Verfasser eines Buches, das an die Spitze der deutschen Bestsellerlisten geschnellt ist. Auch Japan und Korea haben sich schon die Rechte an «Warum unsere Kinder Tyrannen werden oder: Die Abschaffung der Kindheit» gesichert. Seine Verbindung von freudianischer Kindheitsdeutung mit neuen neurologischen Erkenntnissen zum Lernprozess («nicht reden, sondern üben») bietet vielen die lang ersehnte Erklärung für die Misere daheim und in den Schulen. Mangelnde Leistungsfähigkeit, mangelnde Sozialkompetenz, immense Anspruchshaltung: Was Universitäten, Schulen und Firmen bei ihren Zöglingen zunehmend feststellen, führt der Psychologe auf eine fatale Verschiebung der hierarchischen Verhältnisse innerhalb der Familie zurück.

    Die Klage «früher waren die Kinder braver, klüger, fleissiger» kennt man schon aus der Antike. Was ist heute anders?

    Ich bin 1955 geboren, führe seit 1988 eine eigene Praxis – und meine Klientel hat sich in den letzten rund fünfzehn Jahren massiv verändert. Früher gabs vielleicht zwei, drei auffällige Kinder pro Schulklasse. Inzwischen sind es oft dreimal so viel, und die Störung, die vorliegt, ist meist die gleiche: ein Narzissmus, der vom Entwicklungsstand eines Zweijährigen zeugt. Alarmierend! Zweijährige als die Generation, die morgen am Ruder sein wird: Da sehe ich schwarz.

    Woran machen Sie diesen Narzissmus fest?

    Es zeigt sich schon beim ersten Gespräch: Ich betrete das Wartezimmer, der zehnjährige Patient in spe lümmelt am Boden und würdigt mich keines Blickes. Die Aufforderung, mir bitte zu folgen, muss ich mindestens einmal wiederholen. Und im Gespräch ist er cool wie ein kleiner Erwachsener oder wirkt wie behindert.

    Das klingt nach ganz normalem Trotzkopf.

    Mit zehn? Das ist nicht einmal mit fünf Jahren in Ordnung. Mit drei Jahren ist ein Kind in der Lage, den anderen, das Gegenüber zu erkennen. Die Fantasie, alle steuern zu können, und das Gefühl der eigenen Grenzenlosigkeit vergehen. Das Kind beginnt, Dinge für den übergeordneten Erwachsenen zu tun. Das reicht vom Tischdecken bis zum Hausaufgabenmachen. Meine These ist:

    Das neurobiologische Training, das Menschen zum sozialkompetenten, leistungsfähigen und frustrationsresistenten Wesen macht, findet häufig nicht mehr statt.

    Ihr Ziel ist der bindungsfähige Mensch mit gut entwickelter Gewissensinstanz, der in Arbeitskontexten funktioniert und seine Emotionen im Griff hat. Was ist da mit den Gefahren der (Über-)Anpassung?

    Den Schritt zur echten Freiheit schafft man nur von gesichertem Terrain aus. Montessori-Schulen, allgemein Schulen mit offenen Konzepten und individuellem Förderansatz sind wunderbar für reife Kinder, die Regeln verinnerlicht haben. Für narzisstische Kinder sind sie meistens eine Katastrophe. Anpassung und wahre Kreativität sind keine Gegensätze.

    Wieso hapert es heute mit der Reife?

    Elternschaft hat sich historisch verändert. Bis zu den 68ern herrschte hier zu Lande ein autoritär-diktatorischer Erziehungsstil. Den will ich nicht schönreden: Da wurde viel kaputtgemacht, und heraus kamen devote Persönlichkeiten. Zwischen 1970 und 1990 gab es in den Mittelschichtsfamilien aber eine gute Synthese: Die Kleinkinder wurden angeleitet, den Jugendlichen wurde dann mehr Eigenverantwortung zugemutet. Ein Weg von Hierarchie zu Partnerschaft. Doch mit dem Wohlstand, der ja ironischerweise mit einer Verunsicherung einhergeht, verrutschte auch die Wahrnehmung des Kleinkinds. Es wurde Partner. Es soll alles haben: sich im Kindergarten je nach Neigung «verwirklichen», bei der Ferienwahl mitbestimmen usw.

    Ist das so schlimm?

    Noch schlimmer! Kinder im Alter von zwei, drei Jahren sind keine Persönlichkeiten. Sie werden erst welche unter richtiger Führung. Es ist tragisch für ganze Kindergenerationen, dass man Freud und Co. in die Mottenkiste geräumt hat: Sein Phasenkonzept hat durchaus Berechtigung; besonders Anna Freud hat Überzeugendes über den frühkindlichen Narzissmus als Durchgangsphase geschrieben. Neurologisch übersetzt: Die Kinder müssen früh ihre Sozialprägung trainieren, sozusagen eine «Nervenzelle Mensch» ausbilden. Ich kritisiere nicht die so genannte Overprotection oder die Wohlstandsverwahrlosung. Sondern immer mehr Kinder heute sind schlicht nicht gereift – und das gerade deshalb, weil sie nicht Kind sein durften!

    Sie sind psychisch zweijährig – aber durften keine Kinder sein? Wie geht das?

    Wie schwierig es ist, in der globalisierten Welt mit all den atomisierten Ich-AGs, die in einer Hire-and-Fire-Gesellschaft ohne sichere Werte durch den Alltag strampeln, psychisch zu überleben, sieht man am Nachwuchs. So viel Wohlstand und Wahlmöglichkeiten, gekoppelt mit so vielen Negativprognosen – in Sachen Umwelt, Arbeit, Sicherheit – hält kein Mensch aus. Wo liegt der Sinn? Also suchen manche nach dem Glück in der Elternschaft. Solche Eltern – nicht nur die Mütter – entwickeln eine symbiotische Beziehung zu ihren Kindern. Das kindliche Glück ist die letzte Perspektive, die ihnen noch bleibt in der diffusen Welt; der letzte Sinn. Diese Projektion aber führt zur Machtumkehr innerhalb der Familie. Diese Eltern tun alles, um geliebt zu werden – ja, sie brauchen es, dass das Kind sie im Hamsterrad seiner Bedürfnisse rennen lässt. Und sie bürden damit ihrem Kind eine Rolle auf, der es buchstäblich nicht gewachsen ist: Es ist eine Ersatzelternrolle.

    Aber «Mutterliebe» ist seit dem 18. Jahrhundert ein Topos, und die Opferbereitschaft von Eltern gibt es schon in alten Mythen.

    Darum geht es nicht. Die Kinder heute sind wie ein weiterer Arm der Mutter. Die Mutter merkt gar nicht, dass es stört, wenn ihr Fünfjähriger über Tische klettert, während man sich unterhält. Sie spürt seine Frechheit nicht. Vor zwanzig Jahren hatten Eltern, die in meine Praxis kamen, eine viel realistischere Einschätzung der Problematik und der Aussenwirkung ihrer Kinder als heute. Den Eltern fehlt das In-sich-Ruhen, das Abgegrenztsein und Sich-abgrenzen-Können. Sie leben mit ihren Sprösslingen in Symbiose. Der gesunde Instinkt wird dadurch überdeckt.

    «Gesunder Instinkt», Narzissmus, Hierarchie. Das hört sich an wie aus einem anderen Jahrhundert. Ein Backlash?

    Nicht in die schwarze Pädagogik. Aber in ein förderliches Verhalten – gestützt auf moderne Neurobiologie. Noch im 20. Jahrhundert liessen Eltern ihr Kind auch einmal warten und schreien. Mittlerweile wird man in Deutschland in der Strassenbahn beschimpft, wenn man nicht sofort das Fläschchen zückt. Überhaupt: die Flasche bei Dreijährigen oder sogar Fünfjährigen: Das hat es im Strassenbild vor zwei Jahrzehnten nicht gegeben. Diese Unsitte der Instant Gratification nagelt die Kinder in der narzisstischen Phase fest. Und die Schule tut ein Übriges dazu.

    Was hat sich in der Schule verändert?

    Alles: Man hat Gruppentische, hat offenen Strukturen mit wechselnden Betreuungspersonen, «Neigungsgruppen» ohne stabilen Klassenverband. Es gibt keine Hausaufgabenkontrolle, keine Noten, dafür Projektunterricht mit viel Freiarbeit, wo jedes Kind nach seinem Lerntempo arbeitet – oder eben nicht. Das ist fatal. Dazu sind gerade die unausgereiften, narzisstischen Kinder nicht in der Lage. Häufig steht hinter solchen Konzepten eine partnerschaftliche Sicht des Kindes: eine verkehrte Sicht! Für manche Lehrer ist dieser «Unterricht» zwar bequem. Für engagierte aber ist er ein Drama. Denn Grundschüler können nicht partnerschaftlich angeleitet werden. Die meisten brauchen klare Anweisungen und die enge Beziehung zu einer starken Lehrperson, für die sie arbeiten. Gehorsam ist nicht etwas Eingedrilltes, kein «Kadavergehorsam», sondern das natürliche Verhalten von Heranwachsenden gegenüber einer überzeugenden Leitfigur.

    Was ist mit der Freude an der Sache?

    Interessengeleitetes ernsthaftes Arbeiten kommt in der Entwicklung viel, viel später; den narzisstischen Kindern ist es gar nicht möglich. Der heutige Unterricht verstösst damit eklatant gegen neurologische Erkenntnisse. Also hat man einfach die Erwartungen heruntergeschraubt. In Nordrhein-Westfalen etwa musste ein Grundschüler früher 4000 Wörter schreiben können; heute sind es 1000. Was das bedeutet, sieht man an der Pisa-Studie. Und ein Symptom ist auch die zunehmende Suchtproblematik im Jugendalter: Das nicht ausgereifte Kind kann den Verführungen solcher Kurzzeitbefriedigungen viel schlechter widerstehen.

    Was tun?

    Mein Buch ist weder Schuldzuweisung noch Ratgeber. Aber Therapie ist möglich: Eltern wie Schulen müssen nachfassen.

    Michael Winterhoff: Warum unsere Kinder Tyrannen werden Oder: Die Abschaffung der Kindheit. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2008

    Kommentar: In allen Beiträgen auf unseren Seiten in rhetorik.ch vertraten wir bei Themen, Erziehung, Jugendgewalt usw. seit Jahren die Meinung, dass weder die autoritäre noch die permissive Erziehung richtig ist. Unsere Botschaft war immer:

    Wertschätzung des Kindes

    Präsenz ist wichtig

    auch die Konsequenz

    und das situative flexible Verhalten

    Eine geregelte Struktur und sinnvolle Spielregeln erleichtern die Erziehungsarbeit.

    Eindeutig falsch finden wir:

    Wenn Kinder sich selbst überlassen bleiben

    Wenn Kinder überfordert werden, indem sie beispielsweise schon im Vorschulalter selbst über alles entscheiden müssen (Essen, Kleider, Bettruhe usw.)

    Sonntag, 22. Juni 2008

    Beni Thurnheer inszeniert medial seine Trennung im Blick und beweist seine Fähigkeiten im Umgang mit Medien.

    Hier das Interview aus dem Blick:

    Blick: Herr Thurnheer, warum ist Ihre Ehe nach so vielen Jahren zerbrochen? Bernard Thurnheer: Meine Frau und ich haben uns auseinandergelebt. Als unsere beiden Söhne grösser wurden, ging Daniella halbtags arbeiten. Wir haben dann herausgefunden, dass wir keine gemeinsamen Interessen mehr haben. Am Ende führten wir eine Art «WG unter einem Dach». Unsere Ehe dümpelte dahin – so wie das in vielen Schweizer Ehen passiert. Gab es einen Zeitpunkt, wo sich die Trennung ankündigte? Nein, es war ein schleichender Prozess. Ich kann nicht mal mit Sicherheit sagen, ob alles vor fünf oder zehn Jahren begann. Lange hielten uns die Kinder zusammen. Je grösser diese aber wurden, desto mehr entfielen die gemeinsamen Aufgaben. Anfangs war es ja ohnehin vor allem Daniella, welche sich um die Erziehung kümmerte. Als dann der Grössere auszog und auch das Studium des Jüngeren an der ETH weit fortgeschritten war, ist die letzte ­gemeinsame Basis weggefallen. Hatten Sie Streit? Nein, wir lebten ja lange noch zusammen. Aber dann spürten wir immer mehr, dass es keine gemeinsamen Berührungspunkte mehr gibt. Irgendwann kam der Punkt, wo wir uns gefragt haben: Wollen wir weiterhin so viel Rücksicht ­aufeinander nehmen – oder ist es besser, getrennte Wege zu gehen. Sie stecken in einem wichtigen Sportjahr, sind viel auf Achse. Ist das der Grund für die Trennung? Ja, das war sicher ausschlaggebend. Wir sagten uns: «Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen!» Ich bin ja während der Euro nicht oft zu Hause – und an den Olympischen Spielen auch nicht. Ihre Frau soll ausgezogen sein... Ja, das ist richtig. Dabei spielten sicher praktische Überlegungen eine Rolle. Wir haben ein Haus zusammen und eine Ferienwohnung. Meine Frau ist jetzt in eine Wohnung gezogen, etwa 20 Kilometer von ­unserem Haus entfernt.

    Kommentar: Das Blickinterview war geschickt inszeniert. Weshalb muss Beni Thurnheer zu dieser Inszenierung ein Lob als Kommunikatinssprofi ausgesprochen werden? Er lieferte eine Exklusivstory zu richtigen Zeit im richtigen Medium und so wurde im Nachhinein nirgends gedreckelt. Das kommt nicht von ungefähr! Die Gründe liegen auf der Hand:

    Der Titel des Interviews lautete:

    «Vielleicht wäre ein grosser Krach ab und zu gut gewesen»
    17.06.2008

    Ehe-Aus nach 28 Jahren: Beni Thurnheer (58) und seine Frau Daniella (49) haben sich getrennt.

    In einem Beitrag von K.E. Merki in SONNTAG Nr. 25 werden einige Gründe aufgeführt, weshalb Kommunikator Thurnheer in eigener Sache eine gute Note verdient. Nach SONNTAG hat Beni jahrelang die perfekte Ehe zelebriert. Ich lobte verschiedentlich Thurnheers vorbildiche Zurückhaltung hinsichtlich Homestorys.

    Im Interview vom 17. Juni sagte der bekannte Fernsehmann:

    "Mein Beruf fasziniert mich, frisst all meine Energien auf. Für die Beziehung bleibt da wohl einfach zu wenig übrig."

    Das Interview trug den Titel:

    "Vielleicht wäre ein grosser Krach ab und zu gut gewesen."

    Ich teile die Auffassung des Autors in SONNTAG, dass Beni das Exklusivinterview bewusst inszeniert hat, damit er die Information in der Hand hat.

    Und nun zu Frage: Weshalb hat Beni die Bekanntgabe der Trennung hervorragend gemanagt?

    Das richtige Medium zur richtigen Zeit

    Weil die Geschichte dem Blick exklusiv offeriert wurde, verhinderte Thurnheer, dass das Boulevardblatt nach schmutziger Wäsche Ausschau hielt.

    Der richtige Zeitpunkt

    Mitte Juni war das Publikum von der Euro 08 abgelenkt.

    Die richtige Form

    Bei der Interviewform konnte der Interviewpartner jedes Wort, jede Satz kontrollieren.

    Die richtige Rollenverteilung

    Gemeinsam - noch vor der Trennung - kam es zu keinen widersprüchlichen Aussagen, vor allem zu keinen Schuldzuweisungen zwischen den Betroffenen.

    Als Kommunikationsprofi wusste Beni Thurnheer, dass sich eine kriselnde Ehe unter Promis nicht lange unter dem Deckel halten lässt.

    Das offenisve Verhalten war richtig.

    --> Weil Beni offen und auskunftfreudig war, war die Presse auch nachsichtig . Die Zeitungen übernahmen meist die Worte aus dem Blick-Interview. Kein Nachfragen - keine weiteren Nachforschungen.

    -->Beni wurde längere Zeit als Moderator kritisiert, er sei unkonzentriert usw. Mit dem Geständnis, dass ihn die Ehe-Krise belastet habe, erhielt die Bevölkerung eine glaubwürdige Erklärung für die mangelhafte Form im Job.

    Beni Thurnherr verdient tatsächlich eine Spitzennote als Kommunikator für seine raffinierte, mustergültige Inszenierung.

    Sportreporter: Weshalb so giftig?

    Aerzte würden sich nie gegenseitig fertig machen. Weshalb Sportreporter - vor allem der ältere Garde - die derzeitigen Co-Kommentatoren öffentlich so bösartig in die "Pfanne hauen", erstaunt mich. Ist es purer Neid, dass Allain Sutter beim Publikum so gut ankommt? Für mich ist bei Analysen und Beurteilungen immer der Adressat - in diesem Fall- das Publikum massgebend. Und Alain Sutter kommt bem Fernsehpublikum gut weg. Ich schätzte immer seine Natürlichkeit.

    Zitat So-blick-online:

    < Polarisierend: Alain ­Sutter (r.) und Matthias Hüppi. (EQ Images)

    TV-Urgestein Karl Erb (82) nimmt kein Blatt vor den Mund:

    «Sein Geschwafel ist zum Haareraufen, die sogenannten Analysen sind voller Plattitüden, sie tönen wie wichtig vorgetragene Schulaufsätze.»

    Alain Sutter (40), Fussballanalytiker beim Schweizer Fernsehen, zu sehen in jeder Spielpause und nach Spielende, zusammen mit Matthias Hüppi (50), polarisiert Fans wie Experten. Optisch ist der Ex-Nationalspieler durchaus ein Ereignis: wohlgeföhntes, schulterlanges Haar, gepflegter Kinnbart. Sutters fachliche Eignungen jedoch beurteilt Erb wie folgt: «Nichts weiter als dumpfes Palaver!» Sutter sei eine farblose Figur, kritisierte er bereits in der Gratiszeitung «News». Auch weil er stets dieselben Ausdrücke wie «fokussiert sein» benutze.

    Sekundiert wird Erb von Maximilian Reimann (66). Der heutige Ständerat war 15 Jahre für die SF-Sportabteilung tätig. «Ich kann die Worthülsen gewisser Spielanalysten und Co-Kommentatoren nicht mehr hören. Auch ihr Drang zur Selbstdarstellung geht mir zu weit», sagt er. «Sobald sie anfangen, sich gegenseitig Bestätigungen zuzuschieben, wechsle ich den Kanal.» Bis zu 400000 Schweizer tun es ihm gleich. In der Halbzeit schalten sie den Fernseher ganz aus – oder wechseln zu den Programmen von ZDF oder ORF (siehe Grafik). «Der Zuschauerrückgang findet lediglich während der Werbeblöcken statt», relativiert SF-Sprecher Urs Durrer (37). «Danach kehren die Zuschauer wieder zum SF zurück. Und das so zahlreich wie noch nie», sagt Durrer, «was eindeutig für unsere Kommentatoren spricht». Tatsächlich war das Interesse an einem Fussballturnier niemals grösser als bei der Euro 08: 88 Prozent der Zuschauer, welche die Spiele in der Deutschschweiz bislang mitverfolgt haben, schauten sie sich im SF an. «Es gibt keinen Grund, über personelle Konsequenzen nachzudenken», verteidigt Durrer die Moderatoren.

    «Wer im Rampenlicht steht, muss mit Kritik rechnen.» Diese kommt nicht nur von ehemaligen TV-Stars wie Jan Hiermeyer (78), der «sofort umschaltet, wenn es zu fahrig wird».

    Urs Meier (49), früherer Spitzenschiedsrichter und aktueller ZDF-Kommentator, sieht die Sache pragmatisch:

    «Fernsehen ist ein kurzlebiges Format mit grossen Abnützungserscheinungen. Irgendwann hat man jedes Gesicht gesehen.» Sutter nimmt er in Schutz. «Er arbeitet hart an sich. Aber wie heisst es so schön: Allen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.» Meiers Vertrag mit dem ZDF läuft nach der Euro 08 aus. «Ich bin offen für ein Angebot aus der Schweiz.» Für das SF ist der beliebte und TV-erprobte Aargauer Schnelldenker aber noch kein Thema. «Wir haben ihn nicht kontaktiert», so Durrer.

    «Sein Geschwafel ist zum Haareraufen!»

    Kommentar: Ich bin sicher, dass sich so ein Titel gut vermarkten lässt. Er weckt Aufmerksamkeit und wird gelesen. Giftige Bemerkungen sind ein gefundenes Fressen für die Presse. Schadenfreude ist auch im Spiel. Wenn ein Ex- Fussballer Konkurrent von Moderatoren wird, so muss dies Ex - Kommentatoren schmerzen. Doch finde ich die Ausserungen der Ex- Kommentatoren so peinlich, wie wenn Ex- Bundesräte die derzeitige Regierung kritisieren. Schweigen wäre Gold gewesen.

    < Willy Kym: «Die ­heutigen Rahmenprogramme interessieren mich alle nicht mehr» (ZVG)

    Karl Erb: «Die sogenannten Analysen sind voller Plattitüden, sie tönen wie Schulaufsätze». (ZVG)

    Maximilian Reimann: «Ich kann die Worthülsen gewis­ser Spielanalysten und Co-Kommentatoren nicht mehr hören» (ZVG)

    Ich bin überzeugt, dass die aktiven Sportreporter und Sportkommentatoren solche Worte nie öffentlich ausgesprochen hätten, so wie es die ehemaligen Konkurrenten in den Medien tun.

    Aufnahmen Sobli - 29.6.08:

    1988 (RDB/Felix Widler)

    1992 (RDB/Reto Hügin)

    1994 (RDB/ASL)

    2000

    2004 (RDB/SI/Marcel Noecker)

    2005 (RDB/Sven Thomann)

    2008:

    Alain Sutter: «Ich hatte viele Schmerzen, viel Ärger und Drama» (Goran Basic)