Plötzlich ist sie da- die KRISE
Seit 2002 stelle ich fest:
Immer wieder werden die gleichen Fehler gemacht:
Plötzlich ist sie da - die Krise!
Das richtige Verhalten bei überraschenden Krisen wäre einfach,
sofern es vorher trainiert würde. Es gibt bei der Krisenkommunikation
wenige Grundprinzipien, die einzuhalten sind. Krisen kommen immer unverhofft.
Wenn sie das sind, kann das richtige Verhalten nicht mehr trainiert werden.
Zeitdruck und Stress dominiert. Wer bei Krisen die Verhaltensrituale nicht
verinnerlicht hat, muss dies in der Regel nachträglich bitter büssen. Das Lesen der Checklisten und Fachartikel als Vorbereitung allein genügt nicht. Die theoretischen Tipps sind im Grunde genommen einfach. Sie leuchten ein und viele denken: "Das kann ich dann schon, falls es mich trifft". Doch wenn dann die Person 1:1 handeln muss, ist das Umsetzten dieser Tipps in der Praxis nicht mehr so einfach. Stress und Überraschunseffekt lähmen das Denken. |
Theoretisch wüssten wir schon, was bei unverhofften Krisen
zu tun wäre:
|
- Vermutungen und Interpretationen
- Schuldzuweisungen (ohne Beweise)
- Widersprüche
- Aussagen/Gegenaussagen oder Dementis
- Vage Antworten
- "No comment" Verhalten
- Defensives Informieren
- Unklare Äusserungen
- Unkoordinierte Informationen
Ein Lehrstück aus der Gegenwart zeigt, wie es nicht gemacht werden darf:
In der Nacht vom 2. auf den 3. Juli stiessen zwei Flugzeuge kurz nach 23:30 Uhr bei Überlingen am Bodensee auf 12000 Meter zusammen. Nach mehrmaligen vergeblichen Aufforderungen hatte der der Pilot der Tupolevmaschine 154 den von der Flugüberwachung angeordneten Sinkflug eingeleitet. Da bei der zweiter Maschine, einer Boing 757, das Antikollisionssystem (TCAS) ebenfalls automatisch den Sinkflug einleitete, kam es durch die beiden analogen Ausweichmanöver zur Katastrophe mit 71 Todesopfern.
1. Fehler: | Das Urteil erfolgte, bevor alle Fakten geklärt werden konnten: | Die Skyguide gibt sofort bekannt: Unsere Lotsen trifft keine Schuld. |
2. Fehler: | Ungeklärte Fakten wurden an eine Medienkonferenz vermittelt: | Zuerst hiess es, der Befehl zum Sinkflug sei 1 1/2 Minuten vor der Kollision erteilt worden. Dann wurde mitgeteilt, es sei etwas mehr als eine Minute vorher gewesen. Später waren es angeblich nur noch 50 Sekunden. Später zeigten Auswertung der Ton- und Radaraufzeichnung in Zürich, dass der Fluglotse erst 44 Sekunden vor dem Crash die Gefahr realisierte. Das war zu spät. Nach Peter Schlegel, Chef der deutschen BFU hätte der Pilot spätestens 1 1/2 Min vor dem Kreuzungspunkt absinken müssen. Als der Zürcher Fluglotse zum ersten Mal den Kurswechsel befohlen hatte, dauerte es 14 Sekunden bis der russische Kapitän mit 45 Kindern an Bord tasächlich reagierte. |
3. Fehler: | Missachtung der Grundregel: Zuerst Fakten klären, dann koordiniert informieren. | Zuerst wurde behauptet, die Lotsen hätten korrekt gehandelt. Dann war zu hören, ein Mann hätte gearbeitet und der andere sei kurz nach draussen gegangen. Im Radio sagte später Anton Maag, der zweite Lotse habe pflichtwidrig seinen Arbeitsplatz verlassen. Das sei ein möglicher Grund für den Unfall gewesen. Nach wenigen Stunden erfolgte nun ein Dementi: Alles sei nur ein Missverständis gewesen. Nach interner Regelung könne ein Mitarbeiter den Arbeitsplatz verlassen. Aussage und Gegenaussage. Das "Hin und Her" machten alle anderen Aussagen ebenfalls unglaubwürdig. |
4. Fehler: | Fragen dürfen nicht vage beantwortet werden. | Die Frage, ob die Warnung nicht zu spät erfolgt sei, wird mit folgendem Satz beantwortet: "Es war eng - aber tolerierbar". Diese Antwort ist vage. Konkrete Angaben fehlten. Besser wäre gewesen: "Es gibt Bestimmungen und Limits. Wir melden ihnen in 20 Minuten die genaue Toleranzgrenze". Eine schwammige Antwort hinterlässt ungute Gefühle; sie weckt Vermutungen: Kennen die Verantwortlichen die Limits bei Bestimmungen und Vorschriften nicht? Wo ist nun die Toleranzgrenze? |
5. Fehler: | Pseudobegründungen sind Nahrung für spätere Vorwürfe. | Auf die Frage eines Journalisten, weshalb die Skyguide so spät reagierte, kam die Antwort dass die Piloten lieber hoch fliegen, um Brennstoff zu sparen. Man gehe deshalb nicht ohne weiteres auf Sinkflug. Mit dieser Pseudobegründung, wollte der Sprecher möglicherweise Verständnis schaffen. Diese Begründung ist jedoch zu wenig durchdacht! Zwangsläufig liegt der Vorwurf in der Luft: "Weil Brennstoff gespart wird, nimmt die Flugsicherung ein grösseres Risiko in Kauf!" |
6. Fehler: | Ungereimtheiten. | Wurde der Pilot ein - zwei oder dreimal zum Sinkflug aufgefordert? Es gab auch bei dieser Frage widersprüchliche Aussagen. |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen