Samstag, 21. Mai 2016

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Sachlich und fair

*Kritikgespraech / Wie Sie auf ein Fehlverhalten konstruktiv reagieren. Marcus Knill*

In letzter Zeit nahm es einer Ihrer Mitarbeiter nicht mehr so genau mit den Terminen. Wiederholt mussten Sie ihn zurechtweisen. Klar und deutlich gaben Sie ihm zu verstehen, dass Sie grossen Wert auf Puenktlichkeit und Zuverlaessigkeit legen.
Nun stellen Sie waehrend einer Teamsitzung fest, dass der Betreffende wiederum eine zeitliche Vereinbarung nicht einhielt. Ihnen platzt der Kragen. Vor versammelter Mitarbeiterschar stauchen Sie den Suender zusammen: "Frueher hatte ich nie Terminprobleme mit Ihnen.
Wenn Sie Schwierigkeiten mit Ihrer Partnerin haben, dann sollten Sie diese nicht auf den Betrieb uebertragen." Und um Ihrer Wut den noetigen Nachdruck zu verleihen, wuerzen Sie Ihr unsachliches Mutmassen noch mit einer Prise Ironie: "Wie waere es, wenn Sie einmal ein paar Tage Urlaub einschalten wuerden?" Vielleicht ist Ihr Unmut dermassen gross, dass Sie sich zu einer unueberlegten Drohung hinreissen lassen: "Jetzt haben Sie schon zum dritten Mal Ihren Auftrag verschlampt. Wenn das noch einmal vorkommt, dann werde ich meine Konsequenzen ziehen." Sobald Sie sich beruhigt haben, stellen Sie fest: Zwar haben Sie dem betroffenen Mitarbeiter gezeigt, wer der Boss ist. Aber der Loesung des Problems sind Sie keinen Schritt naehergekommen.
Wo gearbeitet wird, da entstehen Fehler. Wir koennen nur aus ihnen lernen. Wenn wir erkennen, was verbesserungswuerdig ist, dann schaffen wir eine Grundlage fuer neue Erfolgserlebnisse.
Deshalb bedarf es in einem produktiven Arbeitsalltag ab und zu der konstruktiven Kritik.
In einem konstruktiven Kritikgespraech gilt es zu beachten:
- Vermeiden Sie persoenliche Angriffe. Kritik motiviert nur dann, wenn der Kritisierte gleichzeitig die Achtung seiner Person spuert.
Zielen Sie nie auf Charaktereigenschaften, sondern stets nur auf Verhalten.
- Beschreiben Sie den Sachverhalt. Verzichten Sie auf Interpretationen und unterlassen Sie Mutmassungen.
- Vermeiden Sie moralisierende Vorwuerfe, zum Beispiel: "Wie konnten Sie nur so unzuverlaessig sein?" Vorwurfslos kritisieren heisst, auch die positiven Seiten wuerdigen. Mischen Sie deshalb Lob und Kritik: "Die Konzepte, die Sie vorgelegt haben, sind sehr gut und koennen bei diesem Projekt umgesetzt werden. Dass Ihre Vorschlaege zu spaet eintrafen, aergerte mich sehr. Wir mussten Ueberzeitarbeit leisten."
- Tragen Sie Ihre Kritik knapp vor, und lassen Sie dann den Betroffenen zu Wort kommen. Zum Beispiel: "Sie haben im letzten Monat drei Mal die festgelegten Termine nicht eingehalten. Was sagen Sie dazu?" In der Regel begruendet der Kritisierte nicht nur sein Fehlverhalten. Meistens liefert er auch wichtige Zusatzinformationen; er kann Sie auf Unzulaenglichkeiten bei der Planung hinweisen oder auf Maengel im Bereich der Organisation aufmerksam machen. Oft erhalten Sie auch einen oder mehrere Loesungsansaetze.
- Fordern Sie Ihren Mitarbeiter auf, selbst Verbesserungsvorschlaege zu machen. Diskutieren Sie die Loesungsalternativen jedoch erst, wenn Sie sich ueber die Fakten des Vorfalles im grossen und ganzen einig geworden sind.
- Beenden Sie das Kritikgespraech auf eine positive Weise.
Fassen Sie zusammen, was Sie vereinbart haben. Vergessen Sie nicht zu sagen, dass die Tueren jederzeit offen bleiben fuer weitere Gespraeche. Bringen Sie allenfalls noch einmal ein Lob an.
Das Ziel Ihres Kritikgespraeches muss sein: Beide Seiten - Sie selbst und Ihr Mitarbeiter - sollen zum Gespraechsende das Gefuehl haben, die Situation geloest zu haben. Damit das gelingt, muss auch das Gespraechsumfeld stimmen. In der Praxis hat sich bewaehrt:
- Warten Sie nicht zu lange. Kritisieren Sie rasch.
- Kritisieren Sie moeglichst nicht in Gegenwart anderer, sondern nur unter vier Augen.
- Suchen Sie sich einen Ort aus, an dem Sie nicht gestoert werden. Waehlen Sie einen Zeitpunkt, in dem der Kritisierte nicht gerade unter einem speziellen Druck steht.
Sollte Ihr Kritikgespraech erfolgreich verlaufen sein, dann kontrollieren Sie rechtzeitig, ob Ihr Mitarbeiter die Vereinbarungen nun auch einhaelt.








Kinder, die den Unterricht mit Ihrem Verhalten ständig stören - was tun?

Sitzstreik soll helfen

«Neue Autorität»

Aus 20 Min:

Lehrer-Sitzstreiks gegen renitente Schüler

Benehmen Schüler sich schlecht, sollen die Lehrer mit Sit-ins reagieren. Dieses Konzept verbreitet sich an Schweizer Schulen.



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Schweizer Pädagogen gehen neue Wege, um Probleme in der Schule zu lösen: Verhaltensauffälligen Schülern sollen die Lehrer beikommen, indem sie Sit-ins veranstalten. Dabei sitzt man zusammen, bis die Übeltäter zur Einsicht kommen.

Schweizer Lehrer gehen neue Wege, um auf das schwierige Verhalten von Schülern zu reagieren: Bei grösseren Problemen veranstalten sie in der Schule Sit-ins. Während dieser Sitzstreiks warten sie darauf, dass die Schüler, die Probleme machen, zur Einsicht kommen.

Angewandt wird dieses Konzept der «neuen Autorität» beispielsweise im Stadtzürcher Schulkreis Glattal. Deren Präsidentin Vera Lang (FDP) berichtete letze Woche in einem vielbeachteten Vortrag vor Luzerner Lehrern über den Erfolg der Methode, wie die «Zentralschweiz am Sonntag» berichtet. Auch mehrere Luzerner Schulen arbeiten bereits nach diesem Ansatz, und es gibt entsprechende Weiterbildungskurse.
Sit-in nach Schmiererei im Kerzenziehen
Lang präsentierte ein konkretes Beispiel für ein solches Sit-in: Eine Gruppe Schüler habe beim Kerzenziehen mit einem wasserfesten Filzstift eine Tafel verunstaltet, was zu zahlreichen Beschwerden geführt habe, berichtete sie.
Gegen den Vandalenakt habe man interveniert, indem der ganze Schuljahrgang in der Aula zusammengerufen worden sei – ebenso sämtliche Lehrer. Daraufhin habe die Schulpräsidentin geschildert, was passiert sei – und die Verantwortlichen aufgefordert, sich zu melden und einen Vorschlag zur Wiedergutmachen zu machen.
Beim zweiten Sitzstreik gaben die Übeltäter auf
Anfangs war dies laut Lang vergeblich: Es herrschte eine Viertelstunde lang Stille, worauf sie die Versammlung abbrach und die Anwesenden aufforderte, sich am nächsten Tag wieder einzufinden.
Am darauf folgenden Tag erschienen auch Eltern, um der Forderung «schweigend Nachdruck zu verleihen». Irgendwann gaben die Täter dann auf: Sie boten an, einen Nachmittag im Hausdienst mitzuarbeiten.
Gewaltloser Widerstand wie bei Gandhi
Entwickelt wurde das Konzept der «neuen Autorität», das nun in der Schweiz Schule macht, vom israelischen Psychologie-Professor Haim Omer. Dieser beruft sich dabei auf den gewaltlosen Widerstand, wie ihn der indische Pazifist Mahatma Gandhi praktiziert hat.
Schulpflegepräsidentin Lang sagt, die Integration von verhaltensauffälligen Schülern sei die grösste Herausforderung an den Schulen. «Kinder, die ‹blöd tun›, Eltern die sich beschweren. Strafen, die wirkungslos bleiben – bis das Fass überläuft», beschreibt sie die Situation laut «Zentralschweiz am Sonntag». Das Ziel müsse daher nicht sein, «einen Kampf zu gewinnen, sondern mit gewaltlosem Widerstand die Eskalation zu durchbrechen».
Auf einen konstruktiven Vorschlag des Kindes warten
Psychologieprofessor Omer legt seine Methoden, die nun auch in Schweizer Klassenzimmern angewandt werden, auch den Eltern ans Herz: Sie sollen auch im Kinderzimmer Sit-ins einberufen, wenn es mit dem Nachwuchs Schwierigkeiten gibt.
Omer erklärte dies in einem Interview mit dem «St. Galler Tablatt» so: «Es geht darum, dem Kind Zeit zu geben, selber eine Lösung zu finden. Die Eltern setzen sich also in einem ruhigen Moment zum Kind – ohne zu schimpfen, ohne zu predigen – tragen vor, was sie stört und warten bis zu einer Stunde auf einen konstruktiven Vorschlag des Kindes.»
Psychologieprofessor Haim Omer erklärt sein Konzept der «neuen Autorität»:

Quelle: Youtube/BildungsTV

KOMMENTAR: Positiv an Omers Vorschlag ist die Präsenz der Erziehungsperson.
Sie muss bereits sein, soclhe Sit-in durchzustehen. Diese Präsenz kann nicht delegiert werden.
Das Problem besteht aber darin, dass die Eltern gar nicht mehr präsent sind und zudem viele Lehrkräfte sich weigern sind, zusätzliche unbezahlte Zeit für schwierige Schüler  aufzubringen.