Dienstag, 26. Dezember 2006

Sind nur jene Politiker interessant, die Medienpräsenz haben?

Eine repräsentative TNS Emnid Umfage vom 6. November 06 hat erstaunlicherweise gezeigt, dass von den 14 Ministern der deutschen Regierung nur die wenigsten bei der Bevölkerung ankommen, respektive bekannt sind. Gemäss dieser Untersuchung ist die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt das bekannteste Kabinettsmitglied. Dann folgt Familienministerin Ursula von der Leyen. Nur jeder dritte Deutsche weiss hingegen, dass Franz Josef Jung das Verteidigungsressort leitet. Die These, dass vor allem jene Persönlichkeiten, die sich den Medien stellen, für die Bevölkerung interessanter sind, trifft damit wahrscheinlich zu. In Abänderung des Ausspruches von Kurt Felix - "Früher wollten die Menschen in den Himmel, heute wollen sie ins Fernsehen" - könnte man sagen: Erst wenn jemand in den Medien kommt, ist er jemand. Ulla Schmidt bestätigt, dass der Bekanntheitsgrad nichts mit der Beliebtheit zu tun hat. Die Gesundheitsministerin hat derzeit überaus viele Medienauftritte, vor allem jüngst im Zusammenhang mit der umstrittenen Gesundheitsreform. Sie steht dabei sogar mitten im Schussfeld der Kritik. Bislang gelang es ihr stets, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Auch Famlilienministerin Ursula van der Leyen brilliert medienrheotrisch bei ihren zahlreichen Auftritten - auch an Talk Shows. Doch polarisiert die Politikerin, die sieben Kinder hat (Sie und ihr Mann sind 100% berufstätig) Ursula van der Leyen vertritt dabei dennoch die These: Die Kinder haben ein Anrecht auf Ihre Eltern. Die Politikerin wird von vielen entweder bewundert oder abgelehnt. Durch das Polarisieren schaffte sie sich immerhin einen hohen Bekanntheitsgrad. Ohne die zahlreichen Medienauftritte hätte sie dies nie geschafft.

Die These, dass Medienauftritte Politiker interessant machen, bestätigen auch jene Minister, die kaum bekannt sind, sich aber medienmässig (bewusst oder unbewusst?) zurückhalten. Da sind zu nennen:

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (nur 7% der Bevölkerung wissen, was sie überhaupt macht), Justizministerin Brigitte Zypries (die sich als Justizministerin sehr wahrscheinlich vernünftigerweise hinsichtlich der Medienauftritte bewusst zurückhält) oder Landwirtschaftsminister Horst Seehofer, der sich nach unserem Dafürhalten viel zu wenig auf Bauernhöfen zeigt. Der Oeffentlichkeit müssten sich unbedingt Bildungsministerin Anette Schavan und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee vermehrt den Medien öffnen.

Und in der Schweiz?

Obwohl uns keine vergleichbare Studie bekannt ist, zeichnet sich ab, dass jene Persönlichkeiten, die regelmässig am Bildschim, im Radio oder in den Printmedien präsent sind, auch im Volk besser verankert sind. Dies zahlt sich bei Abstimmungen aus. Wer es schafft, in der Arena oder im Vorfeld zu Abstimmungen, in den Medien eine Plattform zu erhalten , hat bei Wahlen bestimmt immer einen Vorteil. Die Liste der Politiker, welche im Schaufenster der Oeffentlichkeit zu sehen oder zu hören sind, kennen wir bestens: Dazu zählen die Parteipräsidenten und die Bundesräte. Wahrscheinlich spielt auch in der Schweiz das gleiche Phänomen wie in Deutschland: Der Bekanntheitgrad hat nichts mit dem Beliebtheitsgrad zu tun. Wahrscheinlich würden hinsichtliche Bekanntheitsgrad folgende Namen spontan genannt:

Bundesrat Christoph Blocher

Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey

SP Parteipräsident Hans-Jörg Fehr

SVP Präsident Ueli Murer

Hinsichtlich Medienpräsenz nehmen diese Personen Spitzenplätze ein. Aus unserer Sicht wird es dann problematisch, wenn Politiker glauben, sich mit "Homestorys" zusätzlich Punkte zu holen. Wir würden jedenfalls allen Prominenten raten, beim Oeffnen der Privatsphäre äusserst vorsichtig zu sein. Nicht nur Thomas Borer musste die bittere Erfahrung machen, dass sich das Preisgeben der Privatsphäre (Shawne Fielding war früher darauf spezialisiert) in Notsituationen rächen kann. Gewiss gibt es auch in der Schweiz hervorragende Politikerinen und Politiker, die es wahrscheinlich nie gelernt haben, mit den Medien umzugehen. So finden wir es schade, dass Persönlichkeiten, wie

Gabi Huber

Andreas Zeller

Schweizer Urs

in den Medien ein unbeschriebenes Blatt sind.

Die Balance finden

Nach meinem Dafürhalten, gilt es - im Umgang mit Medien - stets die Balance zu finden, zwischen Mediengeilheit und Medienabstinenz .

--> Wenn Politiker den Medien alle Tore öffnen (Philosophie von Thomas Borer)

--> oder wenn das oberste Ziel ist, nicht in die Medien zu kommen ( Philosophie von Markus Rauh, der daran gescheiter ist),

so ist beides falsch. Es gilt vielmehr die Balance zu finden zwischen Zurückhaltung und aktivem, offensivem Informieren.

Fazit: Es lohnt sich, so wie Lesen und Schreiben in der Schule, auch die medienrhetorischen Grundsätze in einem Simulator zu erwerben. Das Lesen von Büchern und der Beobachten der Kollegen bei Auftritten ist zwar recht und gut.

Doch kann der Umgang mit Mikrofon und Kamera letztlich nur prozessorientiert erworben werden.

K+K hilft Ihnen gerne weiter.